SZ - Stuttgart 21: Wasserwerfer gegen Parkschützer

  • Steppi:

    Zitat

    Und das scheint aus diversen Erfahrungsberichten in den südlichen Nachbarländern häufig anders gehandhabt zu werden als in Hessen.


    Nun, dann bist Du wohl noch so jung, dass Du die Demonstrationen um die Startbahn 18 West nicht mitbekommen hast. Ich denke da z.B. an den 03.11.1989 und das was sich an diesem Abend in der Rohrbachstrasse abgespielt hat.


    tatrafan:

    Zitat

    Der allgemeine Frust in Deutschland über die herrschende Klasse ob derer Volksentfremdung ist es, was an der ganzen Sache wirklich bedenklich ist - und über S21 drückt sich die Stimmung nur aus, deshalb schrieb ich, daß es bei weitem nicht nur um ein einzelnes Bauprojekt geht, sondern da steckt mehr dahinter.


    Ich fürchte auch, dass es nicht wirklich um S21 geht, sondern sich ein gewisser Politikfrust insgesamt entlädt.
    Denn eigentlich müssten die Gegner von S21 die neue Strartbahn in FRA als ökologisch bedenkliches Projekt "bekämpfen" oder sich vor dem AKW Biblis aufbauen, oder vor dem Sozialministerium, dass Hartz 4 um lächerliche 5 EUR erhöht und nicht ein Projekt bekämpfen, dass Verkehr von der Straße auf die Schiene bringen soll und im Grunde ökologisch sinnvoll ist.


    Schade, dass dieses Projekt für die allgemeine Staatsverdrossenheit herhalten muß.


    Keinesfalls ist die Vorgehensweise der Polizei (wahrscheinlich würde das Bu.... Wort für besonders brutale Mitglieder dieser Berufsgruppe gegen die heiligen Forenregeln verstoßen ;)) in Stuttgart akzeptabel.


    Nun, man lernt ja im Laufe des Lebens. konstruktive Kritik an den richtigen Stellen angebracht und Alternativen aufgezeigt kann u.U. eher zum Ziel führen als reines "Ich bin dagegen" Gebrülle.
    Das erfordert halt Ausdauer.

  • Zitat

    Original von Tatrafan
    Ganz genau das sind die Bilder, vor denen wir in der damaligen DDR vor genau 21 Jahren Angst hatten!


    In den 70er und 80er gab es das nahezu wöchentlich in Westdeutschland: Wackersdorf, Brockdorf, Startbahn West um nur einige Schlagworte zu nennen. In Vergleich zu den damaligen "Demos" ist das in Stuttgart eher unter "harmlos" zu verorten, und entspricht dem damals Üblichen.


    Es gab mehre tote Polizisten, etliche schwerverletzte Polizisten und viele krankenhausreif geprügelte Demonstranten, darunter etliche Schwerverletzte. Von den Demonstranten wurden damals meistens Pflastersteine auf die Polizei geworfen, und es gab einige Spezies die unbedingt mit Stahlkugeln aus so einer Art überdimensionierten Gummischleuder auf die Polizei schießen mußten. Wenn die Polizisten so jemanden meinten ausgemacht zu haben, haben sie diesen vorsätzlich auf übelste zusammengeschlagen.


    Konkret kann ich mich nur an einen toten Demonstranten erinnern: Im Gallus wurde er von einem Wasserwerfer überrollt.


    Der Tiefpunkt der Demonstrationsunkultur ist dann an der 18West erreicht worden, als bei einer Demo zwei Polizisten erschoßen wurden. Der Täter konnte nie ermittelt werden.


    Leider meint man wieder in solch üblen Zeiten zurückfallen zu müssen.


    Zitat

    Original von Tatrafan
    Friedliche Demonstrationen


    Wer etwas besetzt ist nicht friedlich. Man darf nicht vergessen, daß Demonstrationen außerhalb des Areals prinzipiell erlaubt sind. Nur beweist die Vergangenheit, daß viele Demos nicht friedlich bleiben. Ohne Frage ist die Verhältnismäßigkeit bei solchen Einsätzen generell ein Problem.


    Zitat

    Original von Tatrafan
    - und eine Staatsmacht, die mit aller Brutalität dagegen vorgeht, nur weil Volkes Meinung


    Begehe nicht den Fehler die Demonstranten mit Volkes Meinung gleichzusetzen. Es gab keine Volksabstimmung zu diesem Thema, was generell wünschenswert gewesen wäre. Allerdings muß man auch sagen, daß dieses Thema fast 20 Jahre in der öffentlichen Diskussion war und alle Entscheidungsprozesse Eingriffsmöglichkeiten der Bevölkerung geboten hätte. Tatsache ist, daß es keinerlei Initiative gab dieses Projekt im Vorfeld zu verhindern.


    Wenn man sich nicht darum gekümmert hat, und dann nicht mit dem zufrieden ist, was über die üblichen Entscheidungskanäle umgesetzt wurde, dann kann man nicht so einen Radau machen.

  • Zitat

    Original von John2
    Konkret kann ich mich nur an einen toten Demonstranten erinnern: Im Gallus wurde er von einem Wasserwerfer überrollt.


    In Hessen: Ja. In Hamburg wurde 1980 ein Demonstrant von einer S-Bahn erfasst und tödlich verletzt, in Berlin ein Demonstrant 1981 von einem Bus. In den entsprechenden Szenen wird das jeweils der Polizei angelastet, ähnlich wie das Überrollen von Günter Sare damals in Frankfurt.


    Der Zwischenfall an der Startbahn West - ungezielte Schüsse aus sehr großer Entfernung mit gestohlener Dienstpistole auf Gruppe Polizisten - war der bisher einzige mit getöteten Polizisten im Umfeld einer Demonstration (in der Bundesrepublik) - und auch der einzige unter Einsatz einer Feuerwaffe. Bei diesem Zwischenfall wurden auch sieben weitere Polizisten getroffen und verletzt. Die Täter sind nicht unbekannt, sondern wurden ermittelt und verurteilt.

  • Zitat

    Original von Johony
    Wenn man klugscheißen will, dann würde der Staat Gewalt durch die Bundespolizei ausüben, allerdings hat diese keine hoheitlichen Aufgaben auf Landesebene, das ist eben die Landespolizei. Hier also die Polizei Baden-Württemberg.


    Falsch. S21 ist ein Bahnhof - und deshalb ist die Bundespolizei zuständig.


    In Stuttgart sind bei den S21-Protesten Bundespolizisten sowohl zur Unterstützung der Landespolizei als auch zur Sicherung der Bahnanlagen bzw. des Hauptbahnhofs eingesetzt - und waren wohl durchaus auch an der Räumaktion beteiligt.
    Die Bundespolizei hat mittlerweile einen eigenen Führungsstab aus Bayern abgeordnet und Kräfte aus dem ganzen Bundesgebiet in Stuttgart zur S21-Sicherung zusammengezogen.


    Siehe auch insbesondere:
    http://www.stuttgarter-nachric…-893ef44d65f7.html?page=0
    sowie:
    http://www.zeit.de/politik/deu…0-09/stuttgart-21-protest

  • Zitat

    Original von kato
    In Hessen: Ja. In Hamburg wurde 1980 ein Demonstrant von einer S-Bahn erfasst und tödlich verletzt, in Berlin ein Demonstrant 1981 von einem Bus. In den entsprechenden Szenen wird das jeweils der Polizei angelastet, ähnlich wie das Überrollen von Günter Sare damals in Frankfurt.


    Nun ja, direkt war daran die Polizei nicht verwickelt, wenn das auch bestimmte Gruppen anders sehen. Zu nennen wäre noch die Sache in Berlin (Benno Ohnesorg), aber wie man jetzt weiß war da die Stasi involviert.

  • Was mir übel aufstößt ist übrigens der Vorwurf das "erst jetzt" der Protest losgehen würde.


    Ich bin beim Stöbern über diesen SEHR aufschlußreichen (und vor allen Dingen sachlichen!) Artikel über die Entwicklung seit 2004(!) in der Zeit gestoßen.
    >>>Klick<<<

    "Der Mensch, der so ehrbar im Einzelnen, aber so miserabel im Ganzen ist."
    Johann Wolfgang von Goethe

  • Zitat

    Original von baeuchle
    Es ging um friedliche und genehmigte Demonstrationen. Friedlich.


    Wenn der Bauplatz besetzt wird ist dies nicht mehr friedlich sondern ein Gewaltakt. Man zwingt anderen seine Meinung auf, das ganze nennt sich Nötigung. Man kann über den Weg der politischen Entscheidung streiten, es wäre sicherlich besser gewesen, daß das ganze den Weg einer Volksabstimmung genommen hätte. Aber da dieses Projekt eine überregionale Bedeutung hat stellt sich eine simple Frage in diesem Zusammenhang: Wer dürfte bei so einer Volksabstimmung denn abstimmen? So einfach ist die Sache leider nicht, wie sie scheint.

  • Zitat

    Original von John2
    Wenn der Bauplatz besetzt wird ist dies nicht mehr friedlich sondern ein Gewaltakt. Man zwingt anderen seine Meinung auf, das ganze nennt sich Nötigung.[...]


    Dieser Auffassung widerspricht aber das sogenannte "Mutlangen-Urteil". In diesem Urteil stellte das Bundesverfassungsgericht bereits 1986 fest, dass die Auffassung, Sitzblockaden erfüllen den Straftatbestand der Nötigung, unzulässig ist. 1995 wurde dieses Urteil nochmals bestätigt.


    Das Urteil aus dem Jahre 1986 lässt sich hier nachlesen und dessen Bestätigung dort - wobei ich zugeben muss, dass ich die Juristen-Sprache nur sehr schwer verstehe :O

    Gruß, 420 281-8
    Jeder Mensch hat ein zweites Gesicht ...

  • Zitat

    Original von 420 281-8
    Dieser Auffassung widerspricht aber das sogenannte "Mutlangen-Urteil".


    Das wollte ich gerade spontan auch zitieren.


    Es ist auch nicht so, dass die Demonstranten schon wochenlang einen Baubeginn verhindert haben: Gestern war der erste Tag, an dem die Bäume hätten gefällt werden dürfen, und ursprünglich war vorgesehen, erst nach dem Tag der Deutschen Einheit damit anzufangen. Der Abriss des Bahnhofs konnte auch anfangen, weil Blockaden friedlich und gewaltfrei aufgelöst wurden - nur da hatte kein MP vorher vor der Gewaltbereitschaft der Demonstranten geredet (und ich will immer noch wissen, wie er auf sowas kommt).


    Soviel zu "endlich greift die Polizei durch".


    Zur von mir behaupteten Möglichkeit des Baustopps: Erinnert sich irgendwer an die Querelen um die SFS Nürnberg-Erfurt? Die war schon seit Jahren im Bau, bevor der Bau unter Rot-Grün gestoppt wurde (ein schlechtes Kapitel, aber egal). Er wurde zwar mittlerweile wieder aufgenommen, aber das geschah nicht "weil man's (juristisch) musste", sondern weil man keine Bauruine haben wollte. Von diesem Stand ist man aber in Stuttgart noch weit entfernt.


    Eine geänderte Politische Landschaft könnte also durchaus auch im April, nach den Wahlen, das Projekt kippen.


    On the lighter side: Gestern abend wesentlich mehr Demonstranten als jemals zuvor, und friedlich. Die Abschreckungstaktik scheint (vorerst) nicht zu wirken.

  • Zitat

    Original von 420 281-8
    Dieser Auffassung widerspricht aber das sogenannte "Mutlangen-Urteil". In diesem Urteil stellte das Bundesverfassungsgericht bereits 1986 fest, dass die Auffassung, Sitzblockaden erfüllen den Straftatbestand der Nötigung, unzulässig ist. 1995 wurde dieses Urteil nochmals bestätigt.


    Das Urteil aus dem Jahre 1986 lässt sich hier nachlesen und dessen Bestätigung dort - wobei ich zugeben muss, dass ich die Juristen-Sprache nur sehr schwer verstehe :O


    Ob Sitzblockaden eine Nötigung darstellen ist ein juristischer Klassiker. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar tatsächlich entschieden, dass das eigentlich nicht der Fall ist, daraufhin hat aber der BGH etwas trickreich die "Zweite-Reihe-Rechtsprechung" erfunden. Kurz gefasst: z.B. für Autos oder Baufahrzeuge stellt eine Sitzblockade kein wirkliches physisches Hindernis dar (also keine Nötigung), aber diese erste Reihe von behinderten Fahrzeugen ist dann ein physisches Hindernis für die zweite Reihe von Fahrzeugen (mittelbar durch Sitzblockade ausgelöste Nötigung). Das ist ziemlich abgefahren konstruiert, bei Bedarf kann man das unter dem Begriff "Zweite-Reihe-Rechtsprechung" googeln.

    Freue mich über Euren Besuch auf meinem Kanal für Bahnvideos in HD auf YouTube

  • Zitat

    Original von 420 281-8
    Volksentscheide würde ich ausdrücklich begrüßen, auch, weil sich die Politiker meiner Meinung nach bereits viel zu weit von ihrem (Wahl-)Volk entfernt haben um zu wissen, was es wirklich bewegt.


    Naja, das ist nun wirklich nichts Neues. Wenn das Wahlvolk nun wirklich so weit entfernt ist von den Politikern, warum wählt es die dann doch immer wieder?



    Zitat

    Original von sethaphopes
    Genauso finde ich den Tenor der Presse bedenklich das ein Großteil der Protestierenden aus genau diesen beiden Gründen protestieren - es wird etwas Altes kaputtgemacht. Das wäre in der Tat reiner Konservatismus.
    Das die meisten Demonstranten aufgrund handfester Mängel im Konzept gegen S21 sind ist dagegen leider bei den meisten Medien gar kein Thema.


    Lässt sich das denn nicht irgendwie zeigen/beweisen, dass es nicht so ist?

  • Zitat

    Original von MdE
    [...] Wenn das Wahlvolk nun wirklich so weit entfernt ist von den Politikern, warum wählt es die dann doch immer wieder?[...]


    Moment, das habe ich so nicht ausgedrückt. Nicht das Wahlvolk hat sich von den Politikern entfernt, sondern die Politiker von ihrem Wahlvolk!
    Somit erklärt sich auch, weshalb immer wieder die gleichen Politiker bzw. Parteien gewählt werden: Das Wahlvolk hat scheinbar noch die Hoffnung, dass es irgendwie verstanden wird. Nur ist den gewählten Politikern das Wissen abhanden gekommen, was das Volk wirklich will.

    Gruß, 420 281-8
    Jeder Mensch hat ein zweites Gesicht ...

  • Zitat

    Original von 420 281-8
    Moment, das habe ich so nicht ausgedrückt. Nicht das Wahlvolk hat sich von den Politikern entfernt, sondern die Politiker von ihrem Wahlvolk!


    Ja, deshalb habe ich auch geschrieben ist und nicht hat sich entfernt, da ist die Bewegung wer-von-wem außen vor, ich habe dich schon richtig verstanden. Aber gerade das wirft eben meine Frage auf.



    Zitat

    Original von 420 281-8
    Somit erklärt sich auch, weshalb immer wieder die gleichen Politiker bzw. Parteien gewählt werden: Das Wahlvolk hat scheinbar noch die Hoffnung, dass es irgendwie verstanden wird. Nur ist den gewählten Politikern das Wissen abhanden gekommen, was das Volk wirklich will.


    Darauf wollte ich hinaus. Wenn sich die Politiker entfernen, ist das eine Sache, aber wenn das Volk das nicht rafft, eine andere!

  • Zitat

    Original von MdE
    Darauf wollte ich hinaus. Wenn sich die Politiker entfernen, ist das eine Sache, aber wenn das Volk das nicht rafft, eine andere!


    Möglicherweise kommt hier auch eine (zum Glück) noch vorhandene Hemmschwelle zum Vorschein, sich auf breiter Front offen extremistischen Parteien zuzuwenden. Die Frage wäre dabei freilich, wie lange diese noch Bestand haben kann.

    Fág an Bealach!

  • Korrektur:
    Es war am 03.11.1981 und natürlich nicht am nicht am 03.11.1989.
    K-Wagen schrieb fälschlicherweise:


    Zitat

    Nun, dann bist Du wohl noch so jung, dass Du die Demonstrationen um die Startbahn 18 West nicht mitbekommen hast. Ich denke da z.B. an den 03.11.1989 und das was sich an diesem Abend in der Rohrbachstrasse abgespielt hat.


    An diesem Abend bildeten die Bu.... einen Kessel um die 18 West Demo in der Rohrbachstrasse und ließen ihren Gewaltphantasieen freien Lauf.........
    Selbst Taxifahrer transportierten verletzte Demonstanten in die Krankenhäuser.


    Danke für den Hinweis.
    Tippfehler :O :O

  • Zitat

    Original von 420 281-8
    Dieser Auffassung widerspricht aber das sogenannte "Mutlangen-Urteil". In diesem Urteil stellte das Bundesverfassungsgericht bereits 1986 fest, dass die Auffassung, Sitzblockaden erfüllen den Straftatbestand der Nötigung, unzulässig ist. 1995 wurde dieses Urteil nochmals bestätigt.


    Typischer Juristen Nonsense
    Wenn Du also daran gehindert wirst, das zu tun was Du willst, ist dies also kein Akt der Gewalt? Auf so einen Blödsinn können auch nur Juristen kommen.

  • Zitat

    Original von MdE
    Wenn das Wahlvolk nun wirklich so weit entfernt ist von den Politikern, warum wählt es die dann doch immer wieder?


    Weil die Alternativen noch schlimmer sind.

  • Zitat

    Original von John2


    Typischer Juristen Nonsense
    Wenn Du also daran gehindert wirst, das zu tun was Du willst, ist dies also kein Akt der Gewalt? Auf so einen Blödsinn können auch nur Juristen kommen.


    Du hast Dir meinen Beitrag offensichtlich nicht durchgelesen.

    Freue mich über Euren Besuch auf meinem Kanal für Bahnvideos in HD auf YouTube

  • Zitat

    Original von John2
    Typischer Juristen Nonsense


    Ich verstehe dich nicht wirklich: Du forderst einerseits ein, Gesetze zu beachten, echauffierst dich im nächsten Augenblick aber über "Juristen Nonsense", nach deiner Diktion? Aus meiner Sicht beinhaltet Rechtsprechung und Rechtspflege jedoch nicht allein die Affirmation von Gesetzen, sondern auch deren stetige Abprüfung auf Angemessenheit, innere und äußere Widerspruchslosigkeit und Zielgenauigkeit. Nichts anderes als eben dies indessen sehe ich anhand des Beispiels des Mutlangen-Urteils.

    Fág an Bealach!