Es scheint verbreitet der Eindruck zu bestehen, früher sei alles besser gewesen; dem war aber nicht so.
1. Zum einen funktioniert die Informationsverbreitung heute anders als früher, sie ist vor allem schneller und umfangreicher. Kaum bleibt irgendwo ein Zug stehen, wird es schon – so wie hier – gemeldet und als Problem wahrgenommen. Auch früher gab es eingefrorene Weichen und vereiste Oberleitungen, aber es wurde anders berichtet. Erst tags drauf bekam man eine Zeitungsmeldung zu lesen, in der kurz zusammengefasst zu lesen war, dass es hier und da Probleme gab. Das war eine eher knappe Dosis gefilterter Information, gefiltert durch die Knappheit des Gutes – ich nenns mal so – "Platz in der Zeitung". Heute hingegen ist es kein Problem jeder Unwichtigkeit beliebig viel Webspace einzuräumen – ein wahrer Informations-Overkill. Was bleibt ist unsere Wahrnehmung: Mann, Probleme all überall!
2. Die Gesellschaft, letztlich wir alle, sind im Dienstleistungszeitalter ansprüchlicher geworden. Die Erwartungen und Ansprüche sind hoch, kaum jemand mag witterungsbedingte Einschränkungen hinnehmen. Stattdessen ist es wohlfeil, auf den Verkehrsbetrieb zu schimpfen. Auch das gab es immer, nur heute wird es eher wahrgenommen, weil die Medien, und das sind viel mehr als früher, jede lautstark vorgetragene Kritik genüsslich aufgreifen und zum Thema machen. Aber auch vor 40 Jahren waren in den Berichten und Leserbriefspalten der Lokalpresse Beschwerden über unpünktliche Züge und was weiß ich zu lesen, es wurde nach meiner Wahrnehmung nur nicht "so hoch gehängt".
3. Ob die Fahrzeugtechnik im digitalen Zeitalter störungsanfälliger ist, kann ich nicht beurteilen. Ich kann mich aber noch gut erinnern, dass auch L-, M- und/oder andere Wagen zeitweilig erhebliche Probleme mit Spritzwasser hatten, welches die Motoren still legte, wenn sich großen mengen Regen, Tauwasser oder Schneematsch in den Rillenschienen sammelte. Da gibt’s vielleicht den einen oder anderen Praktiker, der das noch besser weiß.
4. Und schließlich würde ich mal die These wagen, dass die Verkehrleistung im Vergleich zu 1970 oder 1980 erheblich höher ist, mehr Fahrgäste, dichtere Wagenfolge z.B., so dass die Infrastruktur stärker belastet ist als früher und sich Störung stärker auswirken; aber wirklich belegen kann ich diese These nicht, ist eher ein Gefühl.