"Höhere Gewalt" als Verspätungsgrund nicht mehr zugelassen

  • Ein - meiner Meinung nach - Knaller des Europäischen Gerichtshofs in Brüssel: Klauseln in den AGB der Bahngesellschaften, nach denen es bei Verspätungen aufgrund höherer Gewalt keine Entschädigung gibt, sind wirklungslos. D. h. die betroffenen Kunden haben Anrecht auf eine angemessene Entschädigung, wenn z. B. ein Zug wegen Unwetter verspätet ist oder gar ausfällt.


    Bericht bei Spiegel Online


    Aus meiner Sicht unverständlich ist jedoch, weshalb solche Klauseln für den Flug- und Busverkehr weiterhin Bestand haben.

    Gruß, 420 281-8
    Jeder Mensch hat ein zweites Gesicht ...


  • [...]


    Aus meiner Sicht unverständlich ist jedoch, weshalb solche Klauseln für den Flug- und Busverkehr weiterhin Bestand haben.


    Genau das habe ich auch gedacht. Wenn, dann müssen alle gleichermaßen beteiligt sein. So ist das doch massive Wettbewerbsverzerrung.


    Schade auch, dass nur durch solche "Keulen" finanzielle Anreize gefördert werden, das Netz unwettersicherer zu machen. Klar geht das nur begrenzt und ich denke auch nicht, dass man da untätig war - nur vermutlich wird man nun noch mehr tun und eben doch bspw. so Dinge machen, wie Bäume in Fallweite von Oberleitungen entfernen. Kann ich mir jedenfalls vorstellen...

  • Abgesehen von der Ungleichbehandlung anderer Verkehrsträger finde ich es vor allem sehr begrüßenswert, dass "Streik" nicht mehr als Grund gilt, keine Entschädigungen zahlen zu müssen.

  • Abgesehen von der Ungleichbehandlung anderer Verkehrsträger finde ich es vor allem sehr begrüßenswert, dass "Streik" nicht mehr als Grund gilt, keine Entschädigungen zahlen zu müssen.

    Aus Sicht der Kunden ist dies natürlich eine deutliche Verbesserung ihrer Fahrgastrechte.


    Aber wurde auch an die Kehrseite gedacht? Wer bezahlt die Erstattungsansprüche sitzengebliebener Fahrgäste? Die Gewerkschaft? Ich denke, dass hier das Verkehrsunternehmen für etwas haftbar gemacht wird, was nicht in seinem Verantwortungsbereich liegt.


  • Aber wurde auch an die Kehrseite gedacht? Wer bezahlt die Erstattungsansprüche sitzengebliebener Fahrgäste? Die Gewerkschaft? Ich denke, dass hier das Verkehrsunternehmen für etwas haftbar gemacht wird, was nicht in seinem Verantwortungsbereich liegt.


    Momentan ist es aber so, dass es dem EVU (fast) egal sein kann, wenn es einen Streik gibt, denn besonders die Fahrgäste, die Vorausplanen, kriegen nichts. Und im Güterverkehr dürfen die Lokführer erst gar nicht streiken.


    Natürlich liegt es im Verantwortungsbereich der EVU, dafür zu sorgen, dass es keinen Streik gibt; es ist ja nicht so, dass einfach so gestreikt werden darf.


    Bin mal gespannt, wie das sich auf Kabeldiebstahl auswirkt…

  • Wer bezahlt die Erstattungsansprüche sitzengebliebener Fahrgäste?


    Am Ende bezahlen es die Fahrgäste selbst. Denn wenn viele Fahrgäste von der Entschädigung Gebrauch machen und die Verkehrsunternehmen dadurch höhere Ausgaben als Einnahmen haben, werden die Preise der Fahrkarten erhöht. Und diese Kosten tragen dann alle Fahrgäste.

  • Aus meiner Sicht unverständlich ist jedoch, weshalb solche Klauseln für den Flug- und Busverkehr weiterhin Bestand haben.

    Gibt es denn solche Klauseln im Flug- und Busverkehr? Im konkreten Fall war jetzt mal über Eisenbahnverkehr verhandelt werden. Entschieden wird immer ein konkreter Einzelfall. Am Ende stellt sich dann aber stets die Frage, ob die tragenden Rechtsgedanken der Entscheidung übertragen werden können, z.B. auf Flug- und Busreisen, das werden die Unternehmen natürlich genau prüfen. Aber formal gings jetzt mal nur um EVUs.

  • Gibt es denn solche Klauseln im Flug- und Busverkehr? Im konkreten Fall war jetzt mal über Eisenbahnverkehr verhandelt werden. Entschieden wird immer ein konkreter Einzelfall. Am Ende stellt sich dann aber stets die Frage, ob die tragenden Rechtsgedanken der Entscheidung übertragen werden können, z.B. auf Flug- und Busreisen, das werden die Unternehmen natürlich genau prüfen. Aber formal gings jetzt mal nur um EVUs.


    Also laut dem, was ich heute in hr1 gehört habe, war das keine Einzelfallentscheidung, sondern gilt für alle EVU in der EU, und die Richter haben explizit darauf hingewiesen, dass das ja bei Flugreisen und Busreisen ganz anders sei und es hier nicht nötig sei, etwas zu ändern.

  • Gibt es denn solche Klauseln im Flug- und Busverkehr?[...]

    Ja, das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz informiert dazu umfassen:
    http://www.bmelv.de/SharedDocs…rkehr/Fahrgastrechte.html


    Demnach gibt es sowohl bei den Fluggastrechten als auch bei den Ansprüchen von Fernbus-Reisenden, dass bei sogenannten "außergewöhnlichen Umständen" kein Ausgleich gezahlt werden muss. Als "außergewöhnlichen Umstände" werden als Beispiele Wetter, Naturereignisse/-katastrophen und -im Falle von Fluggesellschaften - auch Streiks des Personals genannt.

    Gruß, 420 281-8
    Jeder Mensch hat ein zweites Gesicht ...

  • Demnach gibt es sowohl bei den Fluggastrechten als auch bei den Ansprüchen von Fernbus-Reisenden, dass bei sogenannten "außergewöhnlichen Umständen" kein Ausgleich gezahlt werden muss. Als "außergewöhnlichen Umstände" werden als Beispiele Wetter, Naturereignisse/-katastrophen und -im Falle von Fluggesellschaften - auch Streiks des Personals genannt.


    Die Frankfurter Rundschau berichtet darüber, dass Verbraucherschützer das Urteil als überzogen bewerten: Verbraucherschützer finden Bahn-Urteil überzogen.


    Das sehe ich genauso. Es gab schon bei der Steuerbefreiung für Flugbenzin eine Wettbewerbsverzerrung zu Gunsten des Flugverkehrs, warum also wird da immer noch mit zweierlei Maß gemessen?

  • Das sehe ich genauso. Es gab schon bei der Steuerbefreiung für Flugbenzin eine Wettbewerbsverzerrung zu Gunsten des Flugverkehrs, warum also wird da immer noch mit zweierlei Maß gemessen?


    Die Entschädigungen im Flugverkehr sind nicht vergleichbar, weil wesentlich höher. Dort werden u.a. pauschale Entschädigungen völlig unabhängig vom Flugpreis vorgesehen, was für den Bahnverkehr so nicht gilt. Es gibt halt im Bahnverkehr keine 250€ pauschal, wenn die letzte Bahn ausfällt.


    Historisch gesehen ist es so, dass man einigen Fluggesellschaften das willkürliche Streichen von Flügen abgewöhnen wollte. Hier hatte sich eine gewisse Billigfluggesellschaft von einer grünen Insel besonders hervorgetan. Deshalb wurden dort hohe Sanktionen angesetzt, wovon man im Bahnverkehr abgesehen hat.


    Von daher ist das nicht vergleichbar, aber alles andere als eine Privilegierung des Flugverkehrs.


    Viele Grüße


    Domi

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  • In erster Linie ist es doch eine Gleichstellung der Bahn mit ihren Kunden. Der Pendler, der morgens verspätet kommt, kann sich ja auch nicht mit der Verspätung seines Zuges rausreden, dem wird vom Arbeitsrichter nach der zweiten Abmahnung üblicherweise auch gesagt, dass es seine Sache ist, pünktlich zu kommen und er wahlweise einen Zug früher oder mit einem anderen Verkehrsmittel fahren muss.


    Also muss es für die Verkehrsunternehmen weitgehend unmöglich gemacht werden, sich der Verantwortung für Verspätungen zu entledigen.


    Neben wirklich außergewöhnlichen Wetterlagen fielen in den letzten Jahren regelmäßig gewöhnlicher Sommer- und Wintereinfluss oder gar der Streckenzustand (ach, das ist eine Tochtergesellschaft, das sind nicht wir) unter die "höhere Gewalt". Und Streiks kann ein Unternehmen meist nicht billig, aber im Zweifel recht einfach beenden. :)

  • Dann müsste man auch den Staat/das Land/die Stadt haftbar für fahrzeitverlängernde Staus
    verantwortlich machen....oder die Routenplanersoftwarehersteller - die zeigen ja einem eine
    Reisezeit an :rolleyes:

    In god (an invention by mankind) we trust - on earth we don't


    Sincerly yours, NSA
    powered by US government

  • Aber nur wenn man die Straßen nur dann benutzen dürfte, wenn man von der Bundesautobahnagentur (die es dann geben müßte) eine Trasse zugeteilt bekommen und diese auch peinlichst genau eingehalten hat. Alternativ müssen alle, die keine Trasse bekommen, dann eben das Auto stehen lassen. ;)

    Tja, jetzt machste dir extra die Arbeit, das hier unten zu lesen - und dann steht da nichts sinnvolles. Pech gehabt.

  • OT ON
    colaholiker:

    Zitat

    Aber nur wenn man die Straßen nur dann benutzen dürfte, wenn man von der Bundesautobahnagentur (die es dann geben müßte) eine Trasse zugeteilt bekommen und diese auch peinlichst genau eingehalten hat.


    Das stelle ich mir spannend vor. Bevor man mit dem Kfz startet, gibt man seine Route in eine Art IBIS ein und bekommt dann seine Strecke /"Fahrplan" zugeteilt. immer schön "on demand" berechnet. 8)
    Die Zeit, die ich im Stau verbringe, könnte ich dann effizienter nutzen.
    OT OFF