Polarisationswechel Straßenbahn Heidelberg

  • Den von Condor genannten vorgeschalteten Gleichrichter kann ich mir nicht vorstellen. (Soll nicht heißen, den gibt es nicht, aber ich halte es für unwahrscheinlich.) Gerade bei den alten Fahrzeugen wäre es schwerlich möglich gewesen, den Gleichrichter so leicht un platzsparend zu bauen, daß er im Fahrzeug unterzubringen ist, gleichzeitig aber die Belastung aushält und selbst möglichst wenig Verlustleistung hat. (Bedenke: Die damals verwendeten Quecksilberdampfgleichrichter waren alles andere als klein und leicht.) Wesentlich einfacher wäre es da, wenn es dem Fahrzeug auf die Polung ankommt, daß es einfach die Polarität der Spannung mißt und über ein ausreichend dimensioniertes Schütz die Polung passend auf den Eingang legt. Bei ordentlichen Kontakten ist die Verlustleistung da minimal. Unterbrechungsfrei wird dieses Umschalten sowieso nicht passieren, zwischen Abschnitten mit unterschiedlicher Polarität muß ja ein ausreichend langer spannungsfreier Schutzabschnitt bestehen.

    Diese Technik ist auch die Grundlage der klassischen Motoren der "großen Bahn". Und weil das theoretisch für beide Polaritäten funktioniert, aber nur unter der Annahme, dass sich die Spannung nicht ändert, macht man die Änderung möglichst langsam (so kommt der 16,7Hz-Kompromiss zustande).
    Der Sauger (und die Bohrmaschine und die Flex, da ist das interessanter) gewinnt mit einem vorgeschalteten Gleichrichter übrigens massiv an Drehmoment.


    EDIT: Die Umpolung bewirkt aber einen umgekehrten Feldaufbau im Motor, so dass theoretisch die Erregung der elektrischen Bremse gefährdet sein könnte. Ich meine, es gab im RNV-Gebiet sogar eine Intervention der TAB deswegen. Allerdings scheint die Bremse auch nach dem Umpolen weiterhin zu funktionieren.

    Ich würde das "ist auch die Grundlage" korrigieren zu "war auch die Grundlage". Die heute verwendeten Drehstrom-Asynchronmotoren sind doch ziemlich anders aufgebaut. Aber für das, was die DB an Elektroloks vor der 120 in Serie beschafft hat, ist das natürlich richtig. Die 16,7 (oder vorher 16 2/3) Hz hatten noch andere Ursachen. Aber das würde jetzt zu sehr in die E-Technik abdriften. ;-) Ob ich bei meiner Bohrmaschine mit einem Gleichrichter das Drehmoment erhöhen will, weiß ich nicht, fliegende Getriebeteile sind nicht so schön. :S


    Das mit der Bremse klingt irgendwie abenteuerlich, immerhin polt sich im Motor ja Feld und Rotor gleichermaßen um, was relativ zueinander die gleichen Verhältnisse gibt. Man müßte das mal im Detail durchrechnen, aber auf den ersten Blick bin ich zumindest skeptisch.

    Tja, jetzt machste dir extra die Arbeit, das hier unten zu lesen - und dann steht da nichts sinnvolles. Pech gehabt.

  • Hat das irgendeinen Einfluss auf den Einsatz der älteren Wagen? Ich meine da speziell den Heidelberger GT8, sofern der immer noch ab und an als Reserve zum Einsatz kommt (meist auf der 21).


    Die Heidelberger Düwag GT8 und GT6 (!) wurden vor längerem umgebaut, da man das nötige Elektrokleinteil irgendwo günstig fand, und Fahrten auf umgekehrtem Potenzial zum Verlegen in die Zentralwerkstatt nach Mannheim generell eh nötig waren (vorher wurde geschleppt). Problematisch waren zuletzt noch die Heidelberger M8C, deren Choppersteuerung die Potenzialumschaltung nicht mitmachte. Diese wurden im Rahmen ihres Umbaus (Einbau Niederflurteil) bzw. bereits zuvor die letzten Jahre aber in Tschechien mit einer neuen Steuerung ausgerüstet, die das jetzt mitmacht.


    EDIT: Die Umpolung bewirkt aber einen umgekehrten Feldaufbau im Motor, so dass theoretisch die Erregung der elektrischen Bremse gefährdet sein könnte.


    Der Motor wird überhaupt nicht umgepolt, sondern vorgeschaltet die gesamte Stromversorgung des Fahrzeugs. Der Motor bekommt so dasselbe wie vorher. Für die Potenzialumschaltung hängt schlicht irgendso ein Schütz-artiges Teil am Fahrbremswender, das diesen auf die entsprechende Versorgung umstellt. An den bisher bestehenden Netztrennstellen geht das Teil auf Nullstellung und klickt dann zu dem Pol rüber, wo bei Befahren des nicht mehr stromlosen Bereichs der Strom herkommt.


    Der Einbau dieser Teile wurde wohl nötig, als 1966 bei der OEG mit den GT8 (die damals halt auf den verschiedenen Polungen rumfuhren) erstmals generatorische Bremsen eingeführt wurden, evtl. bezieht sich das mit den Bremsen darauf. Die Umpolung des gesamten Motors ist nur solange problemlos, wie Feld- und Ankerwicklung gleichzeitig umgepolt werden.


    Edit: Evtl. kam auch nicht die vermutlich schon mit Thyristoren laufende Steuerung für die generatorische Bremse mit der Umpolung zurecht. Sowas wurde genau zu der Zeit eingeführt, und ist wohl auch was an der bisherigen Choppersteuerung der M8C problembehaftet ist.

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  • Die Heidelberger Düwag GT8 und GT6 (!) wurden vor längerem umgebaut, da man das nötige Elektrokleinteil irgendwo günstig fand, und Fahrten auf umgekehrtem Potenzial zum Verlegen in die Zentralwerkstatt nach Mannheim generell eh nötig waren (vorher wurde geschleppt).


    Danke. Mit dieser Nachricht machst Du mich echt happy. :):thumbup:


    Fährt der GT8 eigentlich noch ab und zu auf der 21?

    Viele Grüße, vöv2000

  • Der dreht noch fleißig seine Runden auf der 21, habe ihn auch schon nach der Polarisationssache wieder im Einsatz gesehen. Scheint ihm also keine Probleme zu machen


    Das ist die beste Nachricht heute, dass dieses Schmuckstück noch fleißig seine Runden dreht. :)

    Viele Grüße, vöv2000

  • Hallo,


    das Thema habe ich neulich entdeckt und grabe es mal aus.
    Heidelberg hat somit nun auch Minus am Fahrdraht. Ist denn überliefert, aus welchem Grund im restlichen rnv-Netz Minus am Fahrdraht war?


    Streuströme waren vor 100 Jahren häufig ein Grund für nachträgliche Umpolungen. Waren sie es hier auch?


    Ich gehe davon aus, dass Heidelberg auf Minus am Fahrdraht umgepolt wurde, weil die restlichen Städte die Mehrheit gebildet haben und somit die Umstellung einer Stadt einfacher war. Wollte man damit die Umpolungstechnik auf den Fahrzeugen abschaffen? Das sind schließlich Teile, die mal kaputt gehen könnten und Geld kosten.

  • Wollte man damit die Umpolungstechnik auf den Fahrzeugen abschaffen? Das sind schließlich Teile, die mal kaputt gehen könnten und Geld kosten.


    Das dürfte dann nur die Fahrzeuge der Linie 5 betreffen (ehemals OEG), oder?

    Vollkommen Großartiges Forum

  • Ist denn überliefert, aus welchem Grund im restlichen rnv-Netz Minus am Fahrdraht war?


    Irgendwo hatte ich mal gelesen dass es was mit den Bauzeiträumen und Vakuumgleichrichtern in der ersten Hälfte des 20ten Jahrhunderts zu tun hätte - was allerdings wenig wahrscheinlich ist, da Heidelberg auch nur ein Jahr später als Mannheim auf elektrisch umstellte.


    Ursprünglich hatten die Teilnetze und zum Teil sogar spezifische Strecken übrigens auch sehr unterschiedliche Spannungen am Fahrdraht. Überwiegend bewegte sich das zwischen 600V und 750V, die OEG fuhr allerdings bis 1973 mit 1,2 kV rum. Wurde über Jahrzehnte hinweg angeglichen.


    Hallo,Ich gehe davon aus, dass Heidelberg auf Minus am Fahrdraht umgepolt wurde, weil die restlichen Städte die Mehrheit gebildet haben und somit die Umstellung einer Stadt einfacher war. Wollte man damit die Umpolungstechnik auf den Fahrzeugen abschaffen? Das sind schließlich Teile, die mal kaputt gehen könnten und Geld kosten.


    Offiziell genanntes Ziel war die Beseitigung der Netztrennstellen als mögliche Quelle von Fahrbetriebsstörungen - die Trennstellen waren dabei nicht einfache kleine "Gaps", sondern im wesentlichen 60m geerdeter Fahrdraht von beiden Netzen getrennt, unter denen man mal besser nicht bremste - sowie eine "Erleichterung von Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten an der Bahnstromversorgung".


    Abgesehen von Heidelberg als kleinerem Teilnetz waren dort zu dem Zeitpunkt absehbar eh größere Änderungen im Betrieb - geplante Erweiterungen und Streckensanierungen mit Neubau von Unterwerken - vorgesehen, so dass der Zeitpunkt günstig war. Unter anderem war zum Zeitpunkt der Umstellung die Sanierung der Strecke nach Eppelheim explizit mit zwei neuen Unterwerken und komplett neuer Fahrdrahtanlage in Beantragung für Fördermittel.

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  • Danke für die Antwort. Sie ist mir leider eben erst aufgefallen.


    Somit ist der Grund für die umgekehrte Polung nicht überliefert? Früher wurde das oft gemacht, weil der Rückstrom häufig Leitungen und Rohre unter der Erde beschädigt hat und man damals dachte, dass eine umgekehrte Polung sowas verhindert. Heutzutage weiß man, dass das nicht hilft.
    Leider wurden die wahren Gründe für Umpolungen oft nicht dokumentiert.