Nachdem ich im Frühjahr bereits meine ersten Erfahrungen mit Krücken in Bus und Bahn gesammelt habe, setzte ich jetzt das Thema mit einem neuen Thread unter verschärften Bedingungen fort:
Eine Freundin von mir sitzt im Rollstuhl. Bis voriges Jahr gab es für Rollstuhlfahrer Taxi-Gutscheine bis zu 2000 € im Jahr. Nun hat die großherzige Haushaltsplanung der Stadt die Zuschüsse auf 500 € im Jahr gekürzt - Ihr könnt Euch vorstellen, dass das herzlich wenig ist. Wahrscheinlich dachten die Sparfuzzis, dass wir ja ein tolles barrierefreies ÖPNV-System haben und Rollstuhlfahrer dann kein Taxi brauchen. Alleine schafft Gabi das kaum mit dem Rollstuhl in Bus und Bahn, nur mit Hilfe. Also bin ich ab und zu mit ihr unterwegs. Unsere "Stammstrecke" ist von ihrer Wohnung in Griesheim zum Spieleabend in Bockenheim und abends zurück.
Erste Erfahrungstour war vor 14 Tagen:
Vom südlichen Griesheim zum S-Bahnhof sind es zu Fuß etwa 7 Minuten, das ist günstiger als mit dem Bus zur Straßenbahn an der Waldschulstraße. Ging auch mit dem Rollstuhl in 7 Minuten zur S-Bahn, Eingang stadteinwärts ist ja barrierefrei. Beim Einsteigen - passenderweise hatten wir den ersten Wagen ausgesucht - half der Fahrer. Aussteigen am Hauptbahnhof ging auch gut, da brauchte der Fahrer sogar gar nicht zu helfen. Mit dem Aufzug in die Halle, durch die Halle zum Vorplatz. Zur Bockenheimer Warte fährt die "16", aber die U-Bahn ist schneller, und der Ausgang mit Aufzug rollstuhlfreundlicher als das Geholpere über die Straßenbahnschienen.
Der Aufzug vom Vorplatz zur B-Ebene ist nicht so ganz leicht zu finden, aber ich kenne mich ja gut aus. Dann quer über die B-Ebene eine Bahnsteiglänge nach Norden zum Aufzug zur U 4. Das war es dann auch - der Aufzug zur Bockenheimer Warte war außer Betrieb. Auch die Idee, in Gegenrichtung zum Dom / Römer zu fahren und dort dann zur Bockenheimer Wartze umzusteigen, half nicht: Auch der andere Aufzug funktionierte nicht. Ich rief dann gleich bei der VGF an - aber gestern war nach 13 Tagen die Situation unverändert - oder die Dinger schon wieder kaputt. Komischerweise funktioniert nach meinem Eindruck Technik in Deutschland besonders schlecht, weil sie einerseits hochempfindlich ist und andererseits nur mäßig gewartet wird. Vandalismus kommt auch noch dazu. In Ländern wie Russland sind nach meinem Eindruck technische Einrichtungen einfacher, aber dafür unverwüstlich und unterliegen stärkerer sozialer Kontrolle.
Wieder zurück. Unten gibt es kaum erkennbare Hinweise zum Aufzug zur Straße - nur mit guter Ortskenntnis war ich in der Lage, wieder den Weg nach oben zu finden. Dann rein in die Straßenbahn. Die DFI zeigte die "16" nach Ginnheim an, also stiegen wir ein. Stattdessen bog die Bahn am Platz der Republik in die Mainzer Landstraße ab, was uns eine Ehrenrunde bis zur Galluswarte bescherte, da erst dort ein Aus- und Einsteigen ohne weitere Hilfe möglich ist. Natürlich wäre die S-Bahn eine gute Alternative gewesen, 2 Haltestellen bis Westbahnhof, und dann mit dem 32er oder 36er Bus weiter, die ich ja noch aus meinen Krückenzeiten kenne. VGF und TraffiQ sbemühen ich redlich, nach und nach ein möglichst flächendeckendes barrierefreies Angebot zu schaffen - trotz aller Hindernisse ein großes Lob an die beiden Gesellschaften! Aber bei der Bahn scheint zumindest im Nahverkehr Barrierefreiheit noch ein ziemliches Fremdwort zu sein.
Also zurück bis zum Platz der Republik, so ganz war auf der einen Seite noch ein kleiner Höhenunterschied zu überwinden. Aber schließlich kamen wir wohlbehalten an der Bockenheimer Warte an und schafften auch die holprigen Fußgängerüberwege dort.
Rückfahrt war dann mit dem Taxi. Heute steht die Tour wieder an, dieses Mal auch zurück, wo die S-Bahn wegen fehlender Barrierefreiheit stadtauswärts nicht in Betracht kommt.
Nachtrag: Als ich gestern mit meinem Fahrrad in die U-Bahn wollte, stellte ich fest, dass an der Leipziger Straße der Aufzug auch nicht ging.