Sicherheit: Eingleisigkeit, Überholmanöver - was ist eigentlich erlaubt?

  • Der Unfall bei Bad Aibling hat mich auf die Frage gebracht, was aus Sicherheitsgründen heute an "Gegenverkehr" erlaubt und was verboten ist:

    • Dürfen im EBO-Bereich heute noch eingleisige Strecken gebaut werden? Wenn ja, was für welche und unter welchen Voraussetzungen?
    • Sind Überholmanöver außerhalb von Bahnhöfen erlaubt? Sprich: Zweigleisige Strecke mit je einem Richtungsgleis für die beiden entgegen gesetzen Richtungen. Auf dem Richtungsgleis fährt z.B. eine langsame Regionalbahn, auf dem Gegengleis überholt ein schneller ICE. Der ICE fährt dann sozusagen entgegen der eigentlichen Richtung, die für dieses Gleis vorgesehen ist. Geht das? Wenn ja, welche Voraussetzungen bestehen hier?

    "Phantasie ist wichtiger als wie wo Wissen!"


    (Etwas frei nach Albert Einstein)

  • Der Unfall bei Bad Aibling hat mich auf die Frage gebracht, was aus Sicherheitsgründen heute an "Gegenverkehr" erlaubt und was verboten ist:

    • Dürfen im EBO-Bereich heute noch eingleisige Strecken gebaut werden? Wenn ja, was für welche und unter welchen Voraussetzungen?
    • Sind Überholmanöver außerhalb von Bahnhöfen erlaubt? Sprich: Zweigleisige Strecke mit je einem Richtungsgleis für die beiden entgegen gesetzen Richtungen. Auf dem Richtungsgleis fährt z.B. eine langsame Regionalbahn, auf dem Gegengleis überholt ein schneller ICE. Der ICE fährt dann sozusagen entgegen der eigentlichen Richtung, die für dieses Gleis vorgesehen ist. Geht das? Wenn ja, welche Voraussetzungen bestehen hier?


    Die Profis dürfen mich gern ergänzen / korrigieren, aber so weit mein Kenntnisstand:
    Zum ersten Punkt ist mir nichts bekannt, was das beschränken würde, außer dass es wegen der geringen Leistungsfähigkeit schwer wird, attraktive Nutzen-Kosten-Rechnungen zu bekommen. Sicherungsmaßnahmen nach aktuellem Stand der Technik müssen natürlich sein.
    Zum zweiten Punkt: Ja, das habe ich schon erlebt. Voraussetzung ist die entsprechende Signaltechnik (Gleiswechselbetrieb).
    Was es auf jeden Fall gibt und auch neu gebaut wird (aktuell: Hamburg - Lüneburg), sind dreigleisige Strecken. Da ist das mittlere Gleis auch quasi eine eingleisige Strecke (von dem her, dass es in beide Richtungen regulär befahren wird), und es wird auf freier Strecke überholt (Hanau - Gelnhausen regelmäßig zu beobachten).

    Glaubst Du einem Wörterbuch, in dem man Müll nicht trennen kann, wohl aber gu-te Freun-de?

    • Sind Überholmanöver außerhalb von Bahnhöfen erlaubt? Sprich: Zweigleisige Strecke mit je einem Richtungsgleis für die beiden entgegen gesetzen Richtungen. Auf dem Richtungsgleis fährt z.B. eine langsame Regionalbahn, auf dem Gegengleis überholt ein schneller ICE. Der ICE fährt dann sozusagen entgegen der eigentlichen Richtung, die für dieses Gleis vorgesehen ist. Geht das? Wenn ja, welche Voraussetzungen bestehen hier?

    Fliegende Überholungen auf einer zweigleisigen Strecke machen natürlich nur dann viel Sinn, wenn entweder kein geeignete Bahnhof mit Ausweichgleich vorhanden ist, oder es zu schwierig wäre, einen Zug von beiden anhalten zu lassen. Dies kann zum Beispiel sein, wenn ein Güterzug mit 120 km/h einen mit 100 km/h überholen soll. Wenn jetzt auf dem Streckenabschnitt kann Ausweichgleich vorhanden ist, welches lang genug ist, wird eben während der Fahrt überholt.
    Ich habe vor ein paar Jahren spät abends mal erlebt, wie zwei Güterzüge in Parallelfahrt nebeneinander herfuhren (auf einer zweigleisigen Strecke). Man kann sich ja nun mal ausrechnen, wie lange dann der Überholweg ist, ohne dass ein Zug anhält, und das dies nur bei sehr schwacher Streckenauslastung möglich ist.

    Ein Taktfahrplan für alle, alle für einen Taktfahrplan.

  • Fliegende Überholungen sind immer sinnvoller als einen Zug in der Überholung zu parken. Problem an fliegenden Überholungen ist halt nur, dass sie wesentlich mehr Platz brauchen und man das daher nur bei einer geringen Streckenauslastung machen kann. Wer sich sowas mal anschauen möchte, der hat zur Zeit gute Chancen auf der Main-Neckar-Bahn zwischen DA-Eberstadt und DA-Hbf, da fahren wir zur Zeit gefühlt jede dritte RB gen Frankfurt ins Gegengleis damit der IC cremig überholen kann und die RB keine Verspätung macht.


    Zur anderen Frage, natürlich dürfen noch eingleisige Strecken gebaut werden, warum auch nicht? Eingleisige Strecken sind nicht unsicherer als zweigleisige!


    LG
    Yannick

  • Scheinbar wird davon ausgegangen, dass eine Zugfahrt sicherer ist wenn sie auf einer zweigleisigen Strecke im Regelgleis stattfindet.


    Das ist so nicht richtig. So oder so wird im Blockabstand gefahren. Erst wenn ein Block frei ist (vereinfacht gesagt) darf dort der nächste Zug einfahren. Egal ob eingleisige Strecke, Regelgleis oder Gegengleis.


    Fatale menschliche oder technische Fehler passieren unanhängig vom benutzen Gleis.

  • Was es auf jeden Fall gibt und auch neu gebaut wird (aktuell: Hamburg - Lüneburg), sind dreigleisige Strecken. Da ist das mittlere Gleis auch quasi eine eingleisige Strecke (von dem her, dass es in beide Richtungen regulär befahren wird), und es wird auf freier Strecke überholt (Hanau - Gelnhausen regelmäßig zu beobachten).

    Von der Leit- und Sicherungstechnik her gibt es überhaupt keine dreigleisigen Eisenbahnstrecken in Deutschland, wohl aber parallele Strecken, die von außen her so aussehen mögen, als wären sie dreigleisig.

  • Von der Leit- und Sicherungstechnik her gibt es überhaupt keine dreigleisigen Eisenbahnstrecken in Deutschland, wohl aber parallele Strecken, die von außen her so aussehen mögen, als wären sie dreigleisig.


    Das ist jetzt aber wirklich nur von der technischen Brille. Hanau - Gelnhausen und Hamburg - Lüneburg sehen nicht nur dreigleisig aus, sondern werden auch so genutzt. Anders ist es z.B. bei Langen - Darmstadt oder Offenbach - Hanau. Diese Strecken sehen "von außen her" ebenfalls dreigleisig aus, sind aber betrieblich völlig getrennt eine eingleisige und eine zweigleisige Strecke.

    Glaubst Du einem Wörterbuch, in dem man Müll nicht trennen kann, wohl aber gu-te Freun-de?

  • Scheinbar wird davon ausgegangen, dass eine Zugfahrt sicherer ist wenn sie auf einer zweigleisigen Strecke im Regelgleis stattfindet.


    Das ist so nicht richtig. So oder so wird im Blockabstand gefahren. Erst wenn ein Block frei ist (vereinfacht gesagt) darf dort der nächste Zug einfahren. Egal ob eingleisige Strecke, Regelgleis oder Gegengleis.


    Fatale menschliche oder technische Fehler passieren unanhängig vom benutzen Gleis.


    Allerdings: Wenn ein Zug aufgrund eines menschlichen oder technischen Fehlers doch in einen besetzten Blockabschnitt einfährt, sind die Risiken unterschiedlich. Auffahrt auf einen stehenden Zug kann so oder so passieren, aber wenn beide Züge sich bewegen, passiert bei strikter Rechtsfahrt auf zweigleisiger Strecke im besten Fall gar nichts, im schlimmsten Fall fährt ein schnellerer Zug einem langsameren von hinten auf - also Aufprall mit der Differenz der Geschwindigkeiten. Bei eingleisigem oder Gleiswechselbetrieb kann es auch zum frontalen Aufprall kommen, also mit der Summe der Geschwindigkeiten und entsprechend schlimmeren Folgen. Ich will damit nicht sagen, dass man eingleisige Strecken und Gegengleisfahrten abschaffen solle - jede Autofahrt ist gefährlicher. Aber dass es überhaupt keinen Einfluss auf die Sicherheit hat, stimmt eben auch nicht.

    Glaubst Du einem Wörterbuch, in dem man Müll nicht trennen kann, wohl aber gu-te Freun-de?

  • Wer sich sowas mal anschauen möchte, der hat zur Zeit gute Chancen auf der Main-Neckar-Bahn zwischen DA-Eberstadt und DA-Hbf, da fahren wir zur Zeit gefühlt jede dritte RB gen Frankfurt ins Gegengleis damit der IC cremig überholen kann und die RB keine Verspätung macht.


    Also das erklärt die auf einmal deutlich gesteigerte Pünktlichkeit auf der Strecke ;)


    Zwischen Bad Vilbel und Frankfurter Berg habe ich das auch schon ein paar mal erlebt. Kommt aber anscheinend auch auf den Fdl an, ob sowas gemacht wird. Bei Störungen und Unregelmäßigkeiten merkt man beim Beobachten des Betriebs sofort, wenn da jemand sitzt der sein Handwerk versteht.

  • Wenn ein Zug aufgrund eines menschlichen oder technischen Fehlers doch in einen besetzten Blockabschnitt einfährt, sind die Risiken unterschiedlich.

    Ich glaube, du gehst davon aus, dass bei einer Fahrt im Gegengleis vorsichtig gefahren wird. Dem ist nicht so.


    Letztendlich ist dein Argument, dass es sicherer ist, wenn jeder Zug ein eigenes Gleis hat, oder wenn auf allen Gleisen nur Züge mit gleichem Haltmuster und gleicher Höchstgeschwindigkeit fahren. Stimmt – ist aber nicht sinnhaft.


    Es gibt im Eisenbahnverkehr keine "Manöver" – wenigstens nicht so, dass ein Fahrer "mal grade" irgendwas tut; so verstehe ich das Wort – sondern Fahrstraßen. Wenn diese nicht sicher sind oder eine Fahrt ohne Fahrstraße geschieht, und das kann immer mal vorkommen, ist höchste Gefahrenstufe, und zwar immer, es muss immer mit Verlust von Menschenleben gerechnet werden, egal ob jetzt ein Leichttriebwagen gegen einen entgegenkommenden Güterzug prallt oder ein Steuerwagen gegen einen stationären Bagger, oder ein ICE einem stehenden Güterzug hintendrauffährt.

  • Ich habe heute früh eine solche Überholung auf der S6 (schon kurz nach Friedberg) erlebt - die S-Bahn fuhr langsam im Gegengleis, und ein Güterzug hat uns rechts überholt. Kurz darauf ging es zurück ins Regelgleis und die S-Bahn hat dann auch gleich beschleunigt.

  • Ich glaube, du gehst davon aus, dass bei einer Fahrt im Gegengleis vorsichtig gefahren wird. Dem ist nicht so.


    Nein, davon gehe ich nicht aus. Wie kommst Du darauf?


    Zitat


    Letztendlich ist dein Argument, dass es sicherer ist, wenn jeder Zug ein eigenes Gleis hat, oder wenn auf allen Gleisen nur Züge mit gleichem Haltmuster und gleicher Höchstgeschwindigkeit fahren. Stimmt – ist aber nicht sinnhaft.


    Genau das. Und weil das nicht sinnhaft ist, habe ich auch geschrieben: "Ich will damit nicht sagen, dass man eingleisige Strecken und Gegengleisfahrten abschaffen solle".

    Glaubst Du einem Wörterbuch, in dem man Müll nicht trennen kann, wohl aber gu-te Freun-de?