ZDF: Fahren ohne Fahrschein - Kostenloser Nahverkehr

  • Hallo.


    Heute nachmittag lief im ZDF unter dem Titel "Fahren ohne Fahrschein - Kostenloser Nahverkehr"ein interessanter Beitrag über Modelle in verschiedenen deutschen und euopäischen Städten, um den ÖPNV kostenfrei zu gestalten. In Tallinn, der Hauptstadt von Estland, und in Dunkerque, Frankreich, gibt es bereits erfolgreich den Nulltarif im ÖPNV.


    In Deutschland gibt bzw. gab es erfolgreiche Modelle, z.B. im brandenburgischen Templin, die aber wieder zurück gefahren werden mussten.


    Auch ein erfolgreiches Modell aus dem nordhessischen Homberg (Efze), der Bürgerbus, der zwei Mal in der Woche fährt, wird präsentiert.


    Im Rhein-Main-Gebiet ist man von diesen Modellen bzw. vom kostenlosen Nahverkehr noch Lichtjahre entfernt.


    Link zur ZDF-Mediathek


    Video in hoher Qualität


    Grüße ins Forum
    Helmut

    You'll Never Ride Alone.

  • Im Rhein-Main-Gebiet ist man von diesen Modellen bzw. vom kostenlosen Nahverkehr noch Lichtjahre entfernt.


    Da ich mir mangels sinnvoller Netzanbindung gerade das Video nicht ansehen kann, wäre die Frage, ob die Ausgangslage der Gemeinden beleuchtet wurde. Im Rhein-Main-Gebiet ist man zum Glück weit von diesen Modellen entfernt. Der kostenlose Nahverkehr funktioniert in den meisten Versuchsgebieten nur deswegen, weil er dort hochdefizitär ist, also de facto bei zwei Bussen am Tag eh niemand mitfährt. Daher liegt die Rechnung für die Gemeinden relativ einfach auf dem Tisch: Ob sie nun für ein Angebot 95.000 EUR oder 96.000 EUR hinlegen, ist ziemlich egal. Die 1000 EUR Fahrgeldeinnahmen sind verschwindend gering gegenüber den Gesamtaufwand. Im Gegenteil werden beim Nulltarif die Kosten noch dadurch geringer, weil ich keine Kassensysteme beschaffen und der Fahrer auch keine Abrechnung vornehmen muß. Habe ich aber ausreichend Fahrgeldeinnahmen, macht der Unterschied dann auf einmal 95.000 EUR zu 145.000 EUR aus.


    Ein ähnliches Prinzip findet sich inzwischen fast im gesamten Überlandverkehr in Frankreich. Dieser ist, von wenigen rühmlichen Ausnahmen abgesehen, weitgehend nicht vorhanden. Außer irgendwelchen Fahrten zur Schule und Alibifahrten, die teilweise nur einmal die Woche verkehren ("Mittwochs am Markttag"), ist man im ländlichen Frankreich völlig aufgeschmissen. Außer den berühmten Captive Riders (AAA) und ein paar wenigen Deppen, wie ich z. B., sitzt da selten jemand im Bus (verständlich, bei dem Angebot). Daraufhin haben die meisten Departements in den letzten Jahren quasi einen Einheitstarif für ihren jeweiligen Landkreis eingeführt, der je nach Ort irgendwo bei 1 bis 3 EUR liegt und damit nur verhindern soll, daß Leute den ganzen Tag den Bus als warme Aufenthaltsstube mißbrauchen.

  • Ich habe mir das angeschaut - ins Rhein-Main-Gebiet kann man da kaum was übertragen
    (einzig vielleicht "door2door" in Berlin auf Frankfurt übertragen, aber die Präsentation
    ist mir an Infos zu vage, um das besser beurteilen zu können)


    Was man vielleicht zur kostenlosen Nutzung anbieten könnte sind Quartierbuslinien wie
    EB in DA-Eberstadt. Nur dann in Verbindung mit einer Nutzungsordnung, damit der Bus
    nicht zu einem Versammlungsort diverser Gruppen wird (in der Doku wird erwähnt, daß
    in Templin Jugendliche Dauerrunden bei Schlechtwetter gedreht haben). Funktion sollte
    die Anbindung des Ortskernes, sowie des höherrangigen ÖPNV sein. Nebenher Verkaufs-
    stelle von Fahrkarten zur Weiterfahrt im höherrangigen ÖPNV.
    Man könnte dies flächig in allen Orten im RMV einführen. Nebeneffekt dürfte auch die
    Belebung der Ortskerne sein, die durch die großen Märkte auf grüner Wiese in den
    letzen Jahrzenten zu leiden hatten.
    Stellenweise (zwecks bessere Wirtschaftlichkeit) dann auch Linien die abschnittsweise
    kostenlos sind - zB Buslinie WX innerhalb von DA-Wixhausen; erst die Fahrt von/nach
    Dreieichweg ist kostenpflichtig würde sich da anbieten.

    In god (an invention by mankind) we trust - on earth we don't


    Sincerly yours, NSA
    powered by US government

  • Der Gedanke ist faszinierend, der Ansatz radikal, die Umsetzung erscheint unmöglich - und dennoch: Ja, die Idee hat mich gepackt und ganz so unrealistisch ist das nun auch wieder nicht.
    8)
    Unser Hauptproblem lautet: Des Deutschen liebstes Hobby (oder Kind, je nach dem) ist nun mal: das Auto - wenn's nicht gerade der Fußball ist.
    Der Professor im Film hatte schon ganz recht: Gebt dem ÖPNV einen großen Teil der Mittel, die aktuell dem IV zufließen, macht ihn attraktiver und lenkt die Leute dorthin. Oder, im Jargon des diesjährigen Wirtschaftsnobelpreises: "Anstupsen". :D


    Zugegeben: In Deutschland wird dieser Prozess länger dauern und die Gegner ganz hart gegensteuern. Und: Wir werden investieren müssen. Fahrzeuge, Personal, Linien, Netze.
    Was können wir abschaffen? Automaten, Kontrolleure, komplexe Tarifzonen. Welcome to Frankfurt / Rhine-Main, the european region with leadng mobility solutions of the 21st century. Just get in and let us drive you to the fair / your hotel / the city / your sparetime event.
    Hoppla, ich war wohl gerade am abheben.


    Es ist richtig: Im RMV ist es komplex. Aber im Grunde liegt hier auch eine Chance: Ein attraktiver Nahverkehr, der nicht aus Notwendigkeit und Frust, sondern mit Freude genutzt wird, bringt - insgesamt! - einen Gewinn. Dieser Gewinn wird sich halt nur nicht in der RMV-Bilanz ablesen lassen, und da liegt das Problem.


    Mal ganz ehrlich: Wer von euch weiß schon, dass in Wiesbaden die Einzelfahrscheine zu entwerten sind und in Frankfurt nicht (wurde ich schon öfter gefragt)? Wer kennt das Geheimnis der Gruppentageskarte? Warum bekommen Touris in Dreitagesticket und ich nicht? Wo muss man seinen Fahrschein vorzeigen (Tipp: Darmstadt Region außer HEAG Mobilo), wo nicht? Auf diese ganze kurwa mać würde ich liebend gerne verzichten.


    Wir müssen uns darüber im klaren sein, dass die gesamte Region von Mainz / Wiesbaden bis Hanau, von Limburg nach Darmstadt und vom (Hoch-)Taunus bis in den Odenwald (okay, Fulda nicht vergessen) ein hohes Maß an Mobilität benötigt, das gestillt werden sollte. Passiert das nicht, wird es noch mehr Menschen zu Wohnzwecken in die Städte ziehen. Das Auto darf nicht länger eine Notwendigkeit, sondern ein Luxusgut sein. Wobei ich niemandem das Auto wegnehmen möchte, aber der Individualist hat den Massentransport zu subventionieren und nicht umgekehrt.


    Können wir uns so was leisten? Finanziell wird es zunächst ein Kraftakt, aber aus allen anderen Aspekten heraus: Ja.
    Frankfurt ist eine internationale Stadt mit Flughafen und Messe. Es wäre sensationell für unsere Besucher, sie willkommen zu heißen und zu sagen: Alles gut, fahr doch! Alles außer Fernverkehr ist frei (der Kollege in Dünkirchen hat das mit der Wortwahl perfekt auf den Punkt gebracht)!
    Alles, was nicht Fernverkehr ist, ist in der Region frei, free of charge. Wow! 8o


    Die Menschen wollen shoppen, Kultur erleben, Freizeitaktivitäten machen, in die Natur, essen gehen, Konzerte besuchen, zur Arbeit fahren - und alles wieder zurück. Nehmt ihnen einfach den Stress- und Kostenfaktor, erhöht die Kapazitäten und schafft lebendige Städte, ja: Eine lebendige, mobile, aktive (und attraktive) Region.


    Kann man das finanzieren oder zumindest teilweise kostendecken?

    • Mitwirkung aller Einwohner der betroffenen Region im Sinne einer Mischkalkulation (der Odenwälder zahlt genau so viel wie der Mainzer). Erhebungsgrundlage: Erst- oder Zweitwohnsitz in einer der Städte bzw. Kommunen. Alle zahlen gleich (wenig?); ein Sozialtarif wie beim Frankfurt-Pass ist möglich. Das schafft Anreize. Für Schüler kann eine Sonderregelung eingerichtet werden.
      Das kann sogar so weit gehen, dass Nicht-Führerscheininhaber einen Nachlass bekommen (ist mir gerade so spontan eingefallen).
    • Arbeitgeberbeteiligung: Statt Ausgleichsabgaben für nicht bereitgestellte Parkplätze und Jobtickets: Für jeden Arbeitnehmer wird bezahlt. Werden Personalagenturen eingesetzt, die außerhalb des RMV-Gebiets sitzen und sich daher nicht beteiligen, muss auch für die von diesen Agenturen eingesetzten Arbeitnehmer gezahlt werden. Ähnliches gilt für Dienstleister / Subunternehmer.
    • Gastronomie & Hotellerie: Je Übernachtungsplatz bzw. bewirteter Platz eine Jahrespauschale bezogen auf die Öffnungstage aka Verfügbarkeit. Rechnet man das auf das Jahr um, gleichen sich Haupt- und Nebensaison aus. Gastronomen verdienen an guten Tagen je Platz mehrfach, Hotels verlangen zu Messezeiten etc. Spitzenpreise. Auch hier: Eine Mischkalkulation, die den Gast von außerhalb kostenlos fahren lässt, weil er in der Region Umsatz macht
      Dass der Frankfurter etc. hier u.U. doppelt zahlt, wirkt im ersten Moment unfair; andererseits frequentiert er die Verkehrsmittel ja auch viel häufiger.
    • Veranstalter / Event-Locations: Bezogen auf die Veranstaltungsfläche gibt es je Event einen zu erhebenden Betrag, ähnlich der GEMA / GVL.
    • Autofahrer: Parken wird richtig teuer. Als Ausgleich gibt es kostenfreie und vor allem: größere P+R Plätze vor (!) den Stadtgrenzen. Autofahren in der Stadt muss unattraktiv werden.
    • Stadt / Kommune: Mögliche Mehreinnahmen können in den Ausbau des Netzes und des Taktes gesteckt werden.


    Bin ich nun vielleicht so ein radikaler Öko-Spinner? Ich hoffe nicht!


    Vielmehr ein Visionär, der beim klassischen Henne-Ei-Problem des ÖPNV schon immer gepredigt hat: Ihr müsst das Angebot liefern und Geduld haben und nicht mangels Fahrgästen das Angebot weiter einschränken. Mit Entsetzen denke ich an die Zeit zurück, als ich im LaDaDi zu tun hatte und es attraktiver war, mich von Ober-Roden mit dem Auto abholen zu lassen als auf den nächsten Bus zu warten (weil der Anschluss ob einer verspäteten S1 weg war). Schluss damit!


    Und dann brauchen wir auch keine Fahrpreiserstattungen mehr und elendige Diskussionen mit Kontrolleuren und Anschlusstickets und Ausnahmen, sondern können in die Sicherheit investieren - womit ich jetzt nicht die Hannebambels von der ... ähm, Name gerade zufällig vergessen, also diese dummlabernden Fettwanste in ihren gelben Westen meine. :whistling:


    Natürlich will ich den IV nicht vollkommen abschaffen; als Mitarbeiter im Dienstleistungsgewerbe weiß ich das nur allzu gut. Aber ich werde demnächst mal flinc ausprobieren und das als Ergänzung zum ÖPNV nutzen. Da muss doch was gehen - wenn man nur will.


    Genau das ist doch der Punkt: Der politische Wille.
    Ich meine, mal so unter uns älteren: Hättet ihr je gedacht, dass der Atomausstieg, eine uralte Forderung der Grünen (ja,noch vor Bündnis 90), von der CDU angestoßen würde? Really? Also ich: Niemals. Von daher soll mir keiner sagen, dass nicht doch plötzlich das Unmögliche möglich wird.


    Ich habe fertig. :P

  • Interessante Zahlen. So eine Auswertung würde mich für Frankfurt auch mal interessieren.
    Nur für das Tarifgebiet Frankfurt (inkl. Flughafen) kostet eine Jahreskarte nach der Kalkulation "10 Monate zahlen, 12 fahren" (1 Jahreskarte = 10 Monatskarten abzgl. Skonto bei Einmalzahlung):


    856,50 € (normal)
    685,00 € (Senioren)
    601,50 € (Sozialkarte, mit Frankfurt-Pass, für Geringverdiener, Arbeitslose etc.)


    Unsere verschiedenen Tarifzonen machen einen Einheitstarif nahezu unmöglich. Dann lieber eine Kopfpauschale.

  • Hexemer:


    Zitat

    Die Sammelkarte
    (...)

    • Bitte den Fahrschein gleich nach dem Einsteigen im Entwertergerät abstempeln!


    Das Veranstaltungsticket
    (...)

    • Bitte den Fahrschein gleich nach dem Einsteigen (Hin- und Rückfahrt) im Entwertergerät abstempeln!


    Quelle: https://www.eswe-verkehr.de/ti…ages-und-zeittickets.html


    Das ist mir jetzt schon zu kompliziert. Soll also heißen, dass Kurzstrecke und Einzelfahrschein nicht gestempelt werden müssen?
    Und jetzt komm mal aus einer anderen Stadt Deutschlands, geschweige denn aus dem Ausland. Da kannste auch gleich 60 Euronen in den Bus werfen.

  • Ich dachte jetzt an 365,-- € für das TG 50. Was Wien übrigens auch kennt, ist die Kernzonengrenze. Wer eine Jahreskarte für die Kernzone hat, löst am Fahrkartenautomat einfach ab/bis Kernzonengrenze.

  • Sorry, bin mit Wien nicht vertraut. Okay - gibt es nur Wien und das Umland oder eben noch andere Städte, die ihrerseits ein eigenes Pendlereinzugsgebiet darstellen?
    Bei uns: Mainz / Wiesbaden, Darmstadt, Hanau, Fulda, Gießen. Wir haben nicht wirklich einen echten Kern (nur diesen blöden Sammeltunnel unter Frankfurt City).


    Mich würde wirklich mal interessieren, wie viele 5000er JaKas wir in Bezug auf die Frankfurter Einwohnerzahl aktiv haben, vielleicht sogar im jahresvergleich.


    Ach ja, und die 10%ige Steigerung in der ÖPNV-Nutzung in Wien finde ich ... bemerkenswert, ohne die Gründe dafür zu kennen. Könnten ja auch Pendler sein. ;)

  • Ach ja, und die 10%ige Steigerung in der ÖPNV-Nutzung in Wien finde ich ... bemerkenswert, ohne die Gründe dafür zu kennen. Könnten ja auch Pendler sein. ;)

    Dazu habe ich auch noch einen Presseartikel: http://diepresse.com/home/pano…ahreskarte-von-allein</a>
    Demnach stieg die Zahl der Jahreskartenbesitzer seit der Verbilligung von 449 auf 365 Euro von 373.000 auf 648.227!
    Im restlichen Gebiet des Verkehrsverbundes Ost-Region (außerhalb der Kernzone Wien) gilt allerdings ein Streckentarif mit teilweise vergünstigten Ortstarifen. Dann wirds auch komplizierter. U.a.kann man ein persönliches Netz wählen. https://www.vor.at/tickets/vor-tarifsystem/


    Letztlich drängt aber dort alles Richtung Wien. Gut, St. Pölten mit seinen rund 54.000 Einwohnern gibt es noch.


    Und noch ein Tarifbeispiel: Wer jetzt eine Jahreskarte von St. Pölten nach Wien braucht, kann dann entscheiden, ob er die Kernzone dazu bucht - oder nur Wien-Regionalverkehr. (Bei letzterem würde er 1.296,40 € bezahlen, sonst 1.588,--) Entfernung Wien - St. Pölten ungefähr 60 Kilometer direkt.


    Aber wir schweifen etwas ab... ;)

  • Der verlinkte Artikel ist sehr interessant - die Kommentare darunter allerdings auch. Klar, so etwas ist immer ein Politikum, aber diese verzweifelte Aufrechnung offenbart nur ein Verharren in verkrusteten Strukturen. Um hier eine echte Bilanz aufzustellen, müsste man die Zahl der hinzugewonnenen Jahreskarten-Käufer monetär bewerten - speziell unter dem Aspekt, wie häufig sie den ÖPNV nutzen und ob und wie oft statt dessen das Auto stehen gelassen wird.
    Eine klassische Opportunitätskostenrechnung.


    Natürlich kostet eine stärkere Inanspruchnahme der Verkehrsmittel auf allen Ebenen mehr Geld. Doch jeder weitere Fahrgast, der unsere Städte mit Bus, Bahn und Tram ansteuert, ist ein nur schwer zu beziffernder Gewinn. Doch diese Denke ist nur schwer in den Köpfen zu verankern - ich fürchte, fast so schwer, wie wir die Zonengrenze in den Köpfen auch 28 Jahre nach dem Mauerfall noch immer nicht beseitigen können.


    Die Wiener Lösung war ein bemerkenswerter Schritt, aber nicht so wirklich ein radikaler Ansatz wie im Film gefordert.
    Mit zaghaften Schritten, die als großer Wurf gefeiert werden, bin ich ohnehin sehr vorsichtig. Fakt ist, dass der RMV Smart Tarif als gerechter gefeiert wurde und sich in vielen Fällen als Verteuerung herausstellte. Das muss doch nicht sein.
    Das Schülerticket Hessen hingegen geht vom Grundgedanken her den richtigen Weg. Man muss ihn nur konsequent weite beschreiten (wollen).


    Stellt euch einfach mal vor, es gäbe im gesamten RMV einfach keine Tarife mehr, sondern nur noch Verkehrsmittel und Fahrgäste. Zu einem Stichtag, ab dem die Finanzierung umgestellt wird.
    Visionär, aber nicht unmöglich.


    Nochmals: Warum sollen nur die Nutzer zahlen? Warum machen wir den ÖPNV nicht zum Angebot für alle - auf Kosten aller -, ebenso wie die Straßenbeleuchtung (Zitat aus dem Film), auch wenn manche Hausbesitzer zusätzlich eine Eingangsbeleuchtung mit Bewegungsmelder installieren?

    Einmal editiert, zuletzt von Uli Nobbe ()

  • Nochmals: Warum sollen nur die Nutzer zahlen?

    Mal umgekehrt gefragt: warum sollen auch die Nicht-Nutzer zahlen? Denn die Steuergelder, die anstelle der Fahrgeldeinnahmen zusätzlich aufgewendet werden müssen, fehlen an anderer Stelle. Grundsätzlich ist doch gegen das Prinzip "wer nutzt, der zahlt" nichts einzuwenden, oder?

  • Die Idee vom Nulltarif ist ja uralt und wird immer wieder diskutiert. Sinnvoll ist dies allerdings nur da, wo der ÖPNV nur mäßig genutzt wird. Das zeigen ja auch die Beispiele im Film. In einer Kleinstadt wie Templin (16.000 Einwohner), in der der Bus praktisch leer durch die Gegend fährt, macht man die Mitfahrt kostenlos. Das hat dann zur Folge, dass die Busse voll werden und man bald den Takt verdichten muss. Was zusätzliche Kosten durch Fahrer und Busse verursacht, die sich aber in Grenzen hält.
    Im Rhein-Main-Gebiet haben wir doch das Problem, dass trotz der verhältmisäßig teuren Fahrscheine die Bahnen recht voll sind. Oftmals ist die Infrastruktur an ihrem Limit: Mehr S-Bahnen passen nicht durch den Frankfurter City-Tunnel und die maximale Länge von drei Wagen wird schon ausgenutzt. Die Regionalbahnen sind auch schon voll und vielerorts gibt die Infrastruktur nicht mehr her (siehe Odenwaldbahn). Beispiel Darmstadt: Hier sind die Straßenbahnen im Berufsverkehr recht voll und wesentlich mehr Bahnen verkraftet auch nicht der Luisenplatz. Der zentrale Ort, über den praktisch alle Verbindungen gehen. Ich will mir ja nicht vorstellen, was los wäre, wenn dann von heute auf morgen alle kostenlos fahren dürften. Hier würde das totale Chaos ausbrechen. Überfüllte Busse und Bahnen und an allen Haltestellen stehen dann Leute, die nicht mitgenommen werden können. Und mal schnell in die Infrastruktur investieren geht nun mal auch nicht. Das wird ja schon getan, aber das dauert viele Jahre und Jahrzehnte, bis größere Projekte umgesetzt sind. In Darmstadt müsste man sich ein komplett neues System überlegen und umsetzen, bei dem der Luisenplatz entlastet werden kann. Da sehe ich bisher noch nicht mal ein Idee. Die Odenwaldbahn müsste zumindest teilweise zweigleisig ausgebaut, elektrifiziert und neue, längere Züge angeschafft werden. Das geht alles nicht so schnell. Zumal es auch teilweise auch Widertand in der Bevölkerung gegen den Ausbau geben wird. Man schaue sich nur den Widerstand gegen den Ausbau der S6 an. Stichwort Ba(h)nane!
    Insgesamt müsste man im Rhein-Main-Gebiet da einen sanfteren Weg gehen. Wenn man beispielsweise die Fahrpreis für die nächsten Jahre auf dem aktuellen Nivau einfrieren und den ÖPNV weiter ausbauen würde, wäre schon viel gewonnen.

    Einmal editiert, zuletzt von Chris26 ()

  • Grundsätzlich ist doch gegen das Prinzip "wer nutzt, der zahlt" nichts einzuwenden, oder?


    Nein, im Grundsatz nicht. Aber wir kennen viele Abweichungen von diesem Prinzip, und das ist durchaus gut so.


    Vielleicht beginnen wir mal beim Individualverkehr: Jeder gefahrene Kilometer zählt, in Abhängigkeit von der Art der Straße. Wir unterscheiden zwischen Lieferverkehr und Personentransport. Fahrgemeinschaften werden begünstigt. Wenig genutzte Straßen werden mangels Attraktivität gesperrt bzw. eingestellt / zurückgebaut.
    Dann wäre aber mal richtig Leben in der Bude!

  • Der Vergleich ist etwas schräg. Die Widmung der Straßen für den öffentlichen Verkehr reicht weiter und ist grundlegender als der ÖPNV.


    Die Begriffe Straßennutzung und ÖPNV-Nutzung stehen nicht nebeneinander, sondern über-/untereinander, weil der ÖPNV auch „nur“ Straßennutzer ist (wo er nicht eigenständige, straßenunabhängige Fahrwege erhält), wie der Fußgänger, der Wirtschaftsverkehr oder jede Form der individuellen motorisierten oder nicht motorisierten Benutzung. Der ÖPNV zahlt also für die Benutzung der Straßen genauso wenig wie jeder andere Straßennutzer auch (von der LKW-Maut mal abgesehen).


    Die ÖPNV-Nutzung von einem individuellen Kostenbeitrag, einem Fahrgeld freizustellen, wäre also eher vergleichbar damit, den privaten Kfz-Nutzer z.B. kostenlos (beitragsfrei) tanken zu lassen. Aber auch dort gilt: wer bestellt, bezahlt.

  • Mal umgekehrt gefragt: warum sollen auch die Nicht-Nutzer zahlen? Denn die Steuergelder, die anstelle der Fahrgeldeinnahmen zusätzlich aufgewendet werden müssen, fehlen an anderer Stelle. Grundsätzlich ist doch gegen das Prinzip "wer nutzt, der zahlt" nichts einzuwenden, oder?


    Warum soll ich Autobahnen bezahlen, Opern, Kindergärten oder Obdachlosenheime? Ich benutze alle nicht. ;)


    Wer den ÖPNV statt Auto nutzt, nutzt der ganzen Gesellschaft: Durch Lärm und Emmissions-Vermeidung (auch CO2, Klimaziele, Welt retten und so) und weniger Flächenverbrauch zum Beispiel. Daher ist es sinnvoll, es als gesellschaftliche Aufgabe zu bezahlen, wie Fußwege, Radwege, Straßen.


    Bei einer "Kostendeckungsquote" um 50 % im RMV (oder z.B. ich meine um 30 % in Berlin) ist ein großer oder der größere Teil sowieso schon durch "die Gesellschaft" finanziert. Und den Fahrkarten-gedeckten Teil müsste man nur noch weiter nach unten drücken, bis wir bei 100 % Steuer- oder Umlagenfinanzierung sind. Das wäre keine Revolution, nur eine sinnvolle Evolution. Beispiele wie das vom RMV nach aller Kraft sabotierte städtische 1-Euro-Ticket in Karben machen auch Lust auf mehr.


    Mit den neuen Freifahrten oder günstigen Pauschalangeboten für Schüler/innen, Landesbeamte, Landesbeschäftigte wird die Differenz zwischen den Menschen die umsonst oder sehr günstig fahren und denen, die knapp 200 Euro für ihr Monatsticket zwischen Wiesbaden/Darmstadt/Hanau und Frankfurt ausgeben (oder 5 Euro für die Einzelfahrt von Frankfurt nach Bad Vilbel/Offenbach/...) immer größer. Das System kann nicht mehr lange so aufrecht erhalten werden, da muss sowieso was neues kommen.


    Ob das nun komplett steuerfinanziert ist oder über eine Umlage von Unternehmen ausgestaltet oder als "solidarisches Bürgerticket" analog zum Semesterticket von allen Bürgern oder von Grundstücksbesitzern als eine Art Erschließungskosten oder einer Mischung aus diesen und anderen Wegen getragen wird, das wäre dann der nächste Schritt, den es zu klären gälte, wenn man das Ziel angehen wollte.

  • Warum soll ich Autobahnen bezahlen, Opern, Kindergärten oder Obdachlosenheime? Ich benutze alle nicht. ;)

    Opern und Kindergärten und vieles andere auch werden ebenso heftig subventioniert wie der ÖPNV, wobei eine Gemeinde immer noch entscheiden kann, ob sie sich das leisten will oder kann; die wenigsten Städte haben eine Oper. Die Autobahnen nutzt Du persönlich vielleicht nicht, aber dein REWE-Markt und Dein Heizöl-Lieferant und alle anderen nutzen ihnen, damit Dir z.B. nicht kalt wird und Du Deinen Kühlschrank füllen kannst, will sagen, ein funktionierendes gut ausgebautes Straßennetz ist von so grundlegender bedeutung, dass seine Schaffung und Unterhaltung fraglos eine Aufgabe der Allgemeinheit sind. Aber auch da nähern wir uns ja eher einer Nutzer-(Mit-)Finanzierung, vulgo: Maut

  • Hexemer:



    Quelle: https://www.eswe-verkehr.de/ti…ages-und-zeittickets.html


    Das ist mir jetzt schon zu kompliziert. Soll also heißen, dass Kurzstrecke und Einzelfahrschein nicht gestempelt werden müssen?
    Und jetzt komm mal aus einer anderen Stadt Deutschlands, geschweige denn aus dem Ausland. Da kannste auch gleich 60 Euronen in den Bus werfen.


    Ich stimme dir zu, dass es reichlich kompliziert ist. Bei genannten Fahrkarten handelt es sich um Angebote des VMW, ergo sind sie an RMV-Automaten auch nicht erhältlich.