Ausschreibungen: OB Feldmann will "Blödsinn" beenden

  • Die FNP berichtet, der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann hat bei der Präsentation der neuen Elektrobusse verkündet, er würde, wenn er wieder gewählt würde, „(...) den Blödsinn der Ausschreibungen beenden“. Sein Ziel ist es, den kompletten Linienverkehr wieder in die Hand einer städtischen Gesellschaft zu legen.


    Mein Kommentar: Interessanter Ansatz, mal schauen, ob sich das umsetzen läßt.

    Tja, jetzt machste dir extra die Arbeit, das hier unten zu lesen - und dann steht da nichts sinnvolles. Pech gehabt.

  • Ansatz? Dass kommunal betrieben wird, ist ja eigentlich die Regel. Und in allen mir bekannten kommunalen Verkehrsbetrieben – vorzugsweise im Osten Deutschlands – ist der Busverkehr qualitativ wesentlich höherwertiger als im Rhein-Main-Gebiet.

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  • Ansatz, den geballten politischen Willen der letzten Jahre zurück zu drehen. So war es von mir gemeint.


    Was die betriebliche Seite angeht, kenne ich das aus meiner zweiten Heimat und kann da nur zustimmen. ;-)

    Tja, jetzt machste dir extra die Arbeit, das hier unten zu lesen - und dann steht da nichts sinnvolles. Pech gehabt.

  • Nur so lange das Konstrukt mir ICB und LHO Tarif besteht, wird die Problematik insgesamt bestehen bleiben. Da ist es relativ egal, ob die Firma ICB, BVH, ... die Busse bewegt. 50 oder 100% Ausschreibung machen keinen wirklichen Unterschied.
    Solange ein Arbeitgeber überhaupt froh sein kann, einen Arbeitnehmer für den Job zu bekommen, ist eben jeder "geeignet". Die Qualität hängt eben bei Dienstleistungen zum hohen Teil vom Personal und dessen Einsatzbereitschaft ab.

  • Das Schlimme sind ja eigentlich die unnötigen Verwaltungkosten, die durch die Ausschreibungen entstehen.
    Also Kosten für die Ausschreibung selbst, dann mehrere Verwaltungen der Einzelunternehmen, immer wieder Ausbildung neues Personals anstatt durchgehend zu beschäftigen (was natürlich für die Angestellten auch viel besser wäre-> höhere Motivation). Im Endeffekt sind auch die erhofften Einsparungen durch Wettbewerb marginal, weil eh alle nach dem selben Tarif zahlen (müssen) und einen festen Anforderungskatalog haben. Dann gibt es noch bei Wechseln die Einarbeitungszeit, wo meist nicht alles rund läuft, es ist komplizierter Ersatz-Fahrer und Busse zu bekommen wenn was ausfällt...


    Eigentlich hat es nur Nachteile. ?(

  • Das Schlimme sind ja eigentlich die unnötigen Verwaltungkosten, die durch die Ausschreibungen entstehen.

    Ein kommunalisierter Busbetrieb erspart sich keine Ausschreibung, er schreibt weiterhin aus, nur nicht den Verkehrsvertrag, sondern die Fahrzeugbeschaffung. Transdev, Sippel u.a. müssen ihre Fahrzeuganschaffungen nicht öffentlich ausschreiben, ICB muss das weiterhin tun, weil es ein öffentliches Unternehmen ist.

  • Immerhin gibt es doch Unterschiede: Die Fahrzeuge können bis zu 8 - 10 Jahre halten, also sind die Ausschreibungen seltener fällig.


    Und beim Wechsel des Verkehrsbetriebes muss das Fahrpersonal u.U. jedes Mal neu eingearbeitet werden. Und wenn sie wegen des Verlustes der Ausschreibung auch ihren Job verlieren; dann verlieren sie mitunter auch an den letzten Betriebstagen die Motivation zur Arbeit. Habe das schon mal in einer Mittelstadt in den Neuen Ländern erlebt, als genau deswegen zu Sylvester die Busse abends nicht mehr entsprechend dem vorgesehenen Plan fuhren. Und andere betroffene Fahrgäste erzählten mir, dass das dort regelmäßig beim Wechsel der Betriebe geschähe... ?(


    Die Busse müssen so oder so eingefahren werden, und es gibt ja nur eine sehr überschaubare Anzahl infrage kommender Lieferanten.


    Und was die Verkehrsverträge angeht, so können ohne Ausschreibung die Betriebe wesentlich besser Betrieb und Personal kalkulieren. Noch besser wäre, wenn benachbarte kommunale Betriebe zusammenlegen könnten, z.B. Frankfurt und Offenbach. :)

  • Immerhin gibt es doch Unterschiede: Die Fahrzeuge können bis zu 8 - 10 Jahre halten, also sind die Ausschreibungen seltener fällig.

    Nein umgekehrt: bei einer Flotte von irgendwas um die 300 Bussen, muss man praktisch jedes Jahr Ersatzbeschaffungen vornehmen, während fünf Linienbündel tatsächlich nur alle 6-8 Jahre vergeben werden. Bei der Rekommunalisierung spart man nichts ein, denn es geht dabei ja genau darum, eben nichts mehr sparen zu müssen, jedenfalls nicht beim Personal.

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  • Zitat

    Bei der Rekommunalisierung spart man nichts ein, denn es geht dabei ja genau darum, eben nichts mehr sparen zu müssen, jedenfalls nicht beim Personal.


    Dass man nichts einspart, gilt aber eben nur, solange man volkswirtschaftliche Schäden außer acht lässt.

  • Danke. Genau das habe ich auch gedacht. Immerhin verursachen die nicht funktionierenden Busse riesen Probleme und treiben Leute in den MIV - die arbeitslosen Busfahrer Kosten den Staat auch Arbeitslosengeld und die Vernichtung von Wissen, dass das Personal hatte, ist eigentlich auch viel verbranntes Geld...


  • Dass man nichts einspart, gilt aber eben nur, solange man volkswirtschaftliche Schäden außer acht lässt.


    Ein Detail darf man auch nicht übersehen. Ein privater Unternehmer macht das ja nicht aus reiner Menschenfreude. Der will Profit machen. Das fällt bei einem komunalen Betrieb weg. In der Regel wird versucht, mit dem geringsten Einsatz das größte herauszuholen.


    Vor dem ganzen Liberalierungs- und Ausschreibungswahn war es üblich, das die Verkehrsunternehmen mit den Stadtwerken/Kommunalen Energieversorgern verbunden waren. Die Defizite wurden hier über die Erträge aus der Stromversorgung querfinanziert. Eins System das gut funktionierte und niemand weh tat. Seit dem Wundermittel Liberalisierung brachen hier die Gewinne weg. Da kam das Ausschreiben gerade recht, um das Fahrpersonal aus dem öffentlichen Dienst zu kegeln.
    Man hat im Prinzip nur die Möglichkeit bei Personal,Fahrzeugunterhaltung und Reserve zu sparen, aber das wirkt sich unweigerlich irgendwann negativ auf die Zuverlässigkeit und die Sicherheit aus.

    Beati pauperes spiritu, quoniam ipsorum est regnum caelorum

  • I Die Fahrzeuge können bis zu 8 - 10 Jahre halten, also sind die Ausschreibungen seltener fällig.


    Die HSB fährt ihre Fahrzeuge in der Regel 14 -15 Jahre, der letzte O 405 brachte es sogar auf 21 Jahre. Und das ist auch gut so. Ob die in letzter Zeit angeschafften Fahrzeuge das auch schaffen, steht auf einem anderen Papier.
    Durch die ganzen Ausschreibungen, ist auch im SPNV der Fahrzeugbestand extrem aufgeblasen worden, das ist alles andere aber nicht nachhaltig.

    Beati pauperes spiritu, quoniam ipsorum est regnum caelorum

  • Die STA (Aschaffenburg) fährt alle ihre Fahrzeuge etwa 22 Jahre. Die letzten O 405 N2 sind nun von 1995, 1996 und 1997. Die 1995er-Serie ging zu 2017 raus. Nächstes Jahr dürften leider die 1996er dran sein :( und dann bliebe nur noch der eine Wagen aus 1997 übrig (einer der beiden damals beschafften hat sich leider durch einen Motorbrand selber ausgemustert).
    Ich bin schon gespannt, ob sich die Nutzungsdauer mit den modernen Kisten etwas verringert und was ja so mancher hier gerne liest, der Solaris auch 22 Jahre durchhält. Für die anderen: Die kritische Frage stelle ich auch an die Citaros und MAN A21/23 ;)

    Vollkommen Großartiges Forum

    3 Mal editiert, zuletzt von SoundofN1 ()

  • Die Frage ist bei neuen Fahrzeugen ( z. B. den Solaris ;) ) aber auch, ob sie überhaupt noch für so eine lange Laufzeit konstruiert sind. Wegen der vielen Ausschreibungen und der meist geforderten Anschaffung von Neufahrzeugen müssen die Busse oft nur die Verkehrsvertragslaufzeit halten, danach dürfen sie auseinanderfallen.


    Oder mit anderen Worten: Ein Bus, der 22 Jahre hält, ist heute gar nicht mehr gewünscht. Stattdessen ein etwas günstigerer Bus, der eben nur die 8 - 10 Jahre hält. Denn wenn man dann die Ausschreibung verliert, hat man nicht noch 12 Jahre einen Bus auf dem Hof stehen, den man nirgendwo mehr einsetzen kann/darf.

    Viele Grüße, vöv2000

  • vöv2000, hast Du die "Schnellantwortfunktion" gewählt :D


    Ja, das was Du schreibst ist sicher richtig. Nur da die STA nicht diesem Prozess unterworfen ist, werden sie vermutlich die Fahrzeuge so lange wie wirtschaftlich möglich nutzen wollen.

    Vollkommen Großartiges Forum

  • der Solaris auch 22 Jahre durchhält. Für die anderen: Die kritische Frage stelle ich auch die Citaros und MAN A21/23

    Ehrlich gesagt, das bezweifle ich für alle "neuzeitlichen" Busse - nicht nur eines bestimmten Herstellers. Zum einen geht die Entwicklung der Elektronik immer schneller voran, sodass Computer die heute hergestellt werden schon in 3-4 Jahren wieder veraltet sind, das gilt auch für die Elektronik an Bord der Fz. Folglich können die Hersteller kein Interesse daran haben, sich komplett Ersatzteile und Software für 5 bis 6 vergangene Fahrzeuggenerationen auf Halde zu legen. Sprich Reparaturen / Ersatzteilbeschaffung werden mit der Zeit immer teurer werden und damit wird auch für die Betriebe der Unterhalt älterer Serien schneller unrentabel als früher.


    Dazu kommt, dass die Ausschreibungspraxis ihr übriges dazu beiträgt, Fahrzeuge mit Chance nach 6 oder 8 Jahren nicht mehr einsetzen zu können und evtl. dem Gebrauchtwagenmarkt zuführen zu müssen. Um Verluste zu vermeiden führt das zu höheren Abschreibungen, die wiederum früher Neubeschaffungen zulassen. Diesen Tendenzen werden die Hersteller aufgrund der Wettbewerbslage, die sie zu günstigen Konditionen zwingt, nur alzu gern nachzukommen versuchen indem wie es mitterweile schon erkennbar wird nicht mehr auf Langlebigkeit produziert wird, sondern auf Kostenminimierung.


    SoundofN1: Weil es langfristig keine "Langsfristfahrzeuge" mehr geben dürfte, wird sich die STA diesem Prozess langfristig auch nicht entziehen können. Daran glaube ich jedenfalls nicht...

  • SoundofN1: Weil es langfristig keine "Langsfristfahrzeuge" mehr geben dürfte, wird sich die STA diesem Prozess langfristig auch nicht entziehen können. Daran glaube ich jedenfalls nicht...


    Das ist mir ja bewusst. Nur ist es nun eben spannend, was die STA aus den Kisten an Lebensdauer (wirtschaftlich) rausholen kann.

    Vollkommen Großartiges Forum

  • Das fällt bei einem komunalen Betrieb weg.
    ...
    Vor dem ganzen Liberalierungs- und Ausschreibungswahn war es üblich, das die Verkehrsunternehmen mit den Stadtwerken/Kommunalen Energieversorgern verbunden waren. Die Defizite wurden hier über die Erträge aus der Stromversorgung querfinanziert. Ein System das gut funktionierte und niemand weh tat.

    Was fällt bei einem kommunalen Betrieb weg? Das er Gewinne machen muss? Er muss zumindest eine "schwarze Null" erwirtschaften, also kostendeckend wirtschaften. Und dazu gehört, dass er eine angemessene Eigenkapitalverzinsung kalkulieren muss. Immerhin werden die Kommunalbetriebe mit Eigenkapital aus Steuergeld ausgestattet. Und was ist eigentlich dagegen einzuwenden, dass ein Unternehmen Gewinn macht?


    Die Verbindung mit den Kommunalen Versorgungsbetrieben gibt es heute auch noch; nur Deine Wahrnehmung, dass das ein gut funktionierendes System war, das niemandem weh tat, wage ich zu bezweifeln. Gibt es irgendeinen sachlich gerechtfertigten Grund dafür, warum ich mit meiner Strom- und Heizrechnung Deine Tickets subventionieren soll? Und möglichst davon nichts merken soll, damits nicht wehtut? Die interne Quersubventionierung in einem Stadtwerkeverbund gibts nach wie vor. Die Stadtwerke Frankfurt Holding deckt aus den Ausschüttungen ihrer der Mainova-Beteiligung einen Teil des VGF-Defizits, reicht natürlich nicht und hat auch früher zu Stadtwerkezeiten bei weitem nicht gereicht, weshalb bezweifelt werden darf, dass das System gut funktionierte.

  • Durch die ganzen Ausschreibungen, ist auch im SPNV der Fahrzeugbestand extrem aufgeblasen worden, das ist alles andere aber nicht nachhaltig.

    Das verstehe ich nicht und bitte um Erläuterung. Ich lese als Kritik an den Verkehrsunternehmen immer, dass sie keine Fahrzeugreserven vorhalten und so knapp kalkulieren. Das ist für mich eigentlich das Gegenteil von "Fahrzeugbestand aufblasen".

  • Soweit ich mich an die Vergangenheit in den 70er und 80er Jahre erinnere, boten die "städtischen Verkehrsgesellschaft"en durchweg einen wesentlich besseren Fahrgastservice als die "Stadtwerke Verkehrsbetriebe". Beide waren zwar kommunal, letztere aber Betriebszweige eines größeren Unternehmens.


    Mir besonders positiv in Erinnerung gebliebene "Verkehrs AG" sind die von Berlin, Bremen, Hamburg (Hochbahn), Hannover (ÜStra), Essen (EVAG). Typische Stadtwerke waren die von Dortmund (damals sehr mittelmäßig), Frankfurt (durchaus gut bis befriedigend, aber die heutige VGF erreicht für mich "gut" bis "sehr gut"). Die 5 genannten Verkehrs AGs habe ich als sehr innovativ und auch an gutem Service und dichten Fahrplantakten erlebt.