Ausschreibungen: OB Feldmann will "Blödsinn" beenden

  • Was fällt bei einem kommunalen Betrieb weg? Das er Gewinne machen muss? Er muss zumindest eine "schwarze Null" erwirtschaften, also kostendeckend wirtschaften.


    Das ist richtig, wenn man in einer neoliberalen Gedankenwelt gefangen ist. Nehmen wir doch mal an, dass sich die Gesellschaft darauf einige, dass ein ÖV zur Daseinsvorsorge gehöre. Dann wäre nicht mehr die Betriebswirtschaftlichkeit des ÖV ausschlaggebend, sondern die Volkswirtschaftlichkeit. Auf einmal ginge es nicht nur um "Eigen"kapital (was dann ja eigentlich Gemeinkapital wäre) und operativen Gewinn, sondern Maximierung des volkswirtschaftlichen Nutzen.


    Du magst der Meinung sein, dass private Unternehmen oder öffentliche, aber privatrechtlich agierende Unternehmen oder gar öffentliche, aber nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten aufgestellte Unternehmen diesen volkswirtschaftlichen Nutzen besser maximieren als solche, die direkt der Volkswirtschaft verpflichtet sind, aber damit habe ich dich bisher noch nicht argumentieren sehen. Zu volkswirtschaftlichen Gewinnen zählt für mich unter anderem, dass auch nach einem Fahrplanwechsel der Betrieb weiterläuft, weil nicht neue Busse noch nicht bereitstehen (die "öffentliche" Firma benutzt einfach die alten weiter, wenn es noch nicht mit den neuen geht), weil Fahrer den Weg nicht kennen (siehe das Desaster aus Steinbach beim letzten Betreiberwechsel und viele andere Beispiele). Es zählt auch dazu, dass Baumaßnahmen und die damit verbundenen Verbindungsausfälle gebündelt werden, oder mindestens, dass die Schäden, die durch weitere Baumaßnahmen entstehen, den Abschreibungsgewinnen gegengerechnet werden (siehe unsere Diskussion um die letzten 30 Meter Bahnsteigserhöhung in Ginnheim).


    Du fragst weiterhin, was dagegen einzuwenden sei, dass ein Unternehmen Gewinn macht. Antwort: Nichts, denn das Problem liegt weiter vorne: Es ist etwas dagegen einzuwenden, dass ein Unternehmen, dass Gewinn machen soll, diese Aufgabe übernimmt. Jeder cent Gewinn, den ein Unternehmen mit ÖV macht, steht der Angebotsverbesserung, Fahrpreisverkleinerung oder adäquaten Bezahlung von Betriebspersonal nicht mehr zur Verfügung.


    Zitat

    Gibt es irgendeinen sachlich gerechtfertigten Grund dafür, warum ich mit meiner Strom- und Heizrechnung Deine Tickets subventionieren soll?

    Guter Punkt, die Neiddebatte. Warum soll die Berufsverkehrspendlerin von Heddernheim zur Hauptwache den Bus zwischen Nieder-Erlenbach und Nieder-Eschbach finanzieren? Oder, noch direkter, warum soll sie die U-Bahn zwischen Heddernheim und Hauptwache um 13 Uhr finanzieren? Du ziehst bei dem "ich finanziere die Mobilität anderer Leute" eine sehr willkürliche Grenze, und solange du kein (komplett unsoziales!) Preissystem forderst, in dem dein Fahrpreis nach der Beförderung aus der Auslastung deiner im speziellen benutzten Züge errechnet wird, bleibt die Grenze willkürlich.

  • Hat jemand bei der Frage wie lange ein Bus im Betrieb durchhalten soll, auch mal an die ständig sich ändernden Umweltnormen gedacht? Wenn alle 6, spätestens 7 Jahre eine neue Euro Norm verbindlich wird, dann müssten ja 22 Jahre alte Busse schon von daher nicht mehr einsetzbar sein!


    Motor und Getriebestrang tauschen zu wollen wäre, wenn technisch überhaupt möglich, beim Verhältnis der Kosten zum Restfahrzeugwert ein absolut schwachsinniges Unterfangen!


    Bei Elektrobussen sähe dann der Sachverhalt anders aus. Hier könnte man in der Tat überlegen, ob die Karosserie auf eine längere Nutzungsdauer ausgelegt werden sollte. Dies nicht zuletzt in dem Kontext, dass Elektrobusse bei der Investition das zwei- bis zweieinhalbfache eines vergleichbaren Dieselbusses kosten. Außerdem sind für E-Busse Euronormen außen vor, da absolut emissionsfrei.

  • Das ist richtig, wenn man in einer neoliberalen Gedankenwelt gefangen ist.

    Ich bin nicht in einer neoliberalen Gedankenwelt gefangen, zum einen ist „neoliberal“ erst mal nichts anderes als ein politischer, inhaltlich nicht sehr tauglicher Kampfbegriff, zum zweiten bin ich in meiner Meinungsfindung völlig frei, aber davon abgesehen:


    Ich tue mich schwer mit dem Begriff der volkswirtschaftlichen Nutzens, weil er schwer greifbar ist und eigentlich nicht konkret zu belegen. Wir kennen das Problem aus den Nutzen-Kosten-Berechnungen, wie schwer es ist, die volkswirtschaftlich relevanten Faktoren wie z.B. Umweltschäden, Reisezeitgewinne und Verluste, eingesparte LKW-Fahrten, vermiedene Unfälle usw. zu materialisieren und den konkreten in Euro und Cent zu beziffernden Kosten gegenüberzustellen; viel vage Annahmen darunter, exakte Wissenschaft ist was anderes. Mit der Formel „der Volkswirtschaft verpflichtet“ kann ich ehrlich gesagt wenig anfangen, denn Volkswirtschaft ist nach landläufiger Auffassung – mal stark verkürzt - eigentlich nicht mehr als die Gesamtheit aller Wirtschaftssubjekte in einem bestimmten Wirtschaftsraum. Auch private Unternehmen sind Teil der Volkswirtschaft. Vielleicht passte der Begriff des Gemeinwohls besser auf Deine These, dem kann man verpflichtet sein, aber der Volkswirtschaft nicht, der gehört man an oder nicht. Aber auch der Begriff des Gemeinwohls ist keine absolute, klar definierte Größe, sondern wie alles interessengebunden.


    Ist ein Unternehmen in öffentlicher Hand dem Gemeinwohl verpflichtet? Was hieße das für einen Laden wie ICB? Er ist primär dem Interesse seines Eigentümers verpflichtet (Stadtwerke > Stadt Frankfurt), von dem wir annehmen, er handele im Interesse des Gemeinwohls – ein großes Wort dafür, dass diese Firma auch nichts anderes tut, als Fahrgäste von A nach B zu transportieren.


    Dass das mit dem Gemeinwohl ein bißchen komplizierter ist, als es Deine These glauben machen will, zeigt uns doch das Drama Frankfurt – Offenbach, alle Akteure sind „öffentliche Hand“, alle Akteure dem Gemeinwohl verpflichtet (oder in Deiner Terminologie: der Volkswirtschaft) und trotzdem kommt einfach nichts Gescheites dabei heraus.


    Ich kenne natürlich die großen und kleinen Desaster, die es mit Betreiberwechseln gegeben hat, aber das ist letztlich kein tragendes Argument für die Rekommunalisierung und gegen die Ausschreibung von Transportleistungen, es ist die Folge eines Webfehlers in der Anwendung des Wettbewerbsrechts, die allein auf den günstigsten Preis als Zuschlagskriterium abstellt (sofern sich diese Desaster wirklich darauf zurückführen ließen) und nicht auf das wirtschaftlichste Angebot, was auch heißen kann das „volkswirtschaftlichste“ Angebot, was Qualitätsmerkmale einbezieht, die sich im Preis pro Fahrplankilometer allein nicht abbilden.


    Du sagst, jeder cent Gewinn, den ein Unternehmen mit ÖV macht, stehe der Angebotsverbesserung, Fahrpreisverkleinerung oder adäquaten Bezahlung von Betriebspersonal nicht mehr zur Verfügung. Dem könnte ich entgegnen, jeder Cent Verlust, den ein Unternehmen im ÖV macht, schmälert die Möglichkeiten für Angebotsverbesserung, Fahrpreisverkleinerung oder adäquate Bezahlung des Personals. Die ökonomische Basis öffentlicher Unternehmen unterscheidet sich in nichts von der privater Unternehmen, nur dass in öffentlichen Unternehmen die jeweilige Gebietskörperschaft für Verluste aufkommt und dafür politische Einflussnahme eher möglich ist. Ob das jetzt für die Qualität von Transportleistungen so entscheidend ist, wage ich zu bezweifeln.


    Es ist völlig unbestritten, dass der ÖPNV als öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge, wie es im Gesetz geregelt ist, wo es erforderlich ist, einen Zuschuss aus öffentlichen Mitteln bekommt, so wie alle anderen öffentlichen Aufgaben. Wie kann man aber denn die Finanzierung des Nahverkehrs davon abhängig machen, ob ein Aufgabenträger ein Stadtwerk hat, dass mit Strom Gewinne macht? Der Verkauf von Strom ist das eine und der Verkauf von Verkehrsdienstleistungen ist das andere. Was hat das mit Neiddebatte zu tun? Öffentliche Aufgaben sind durch Steuern, Gebühren, Beiträge und Nutzungsentgelte zu finanzieren, für deren Bemessung es Grundsätze gibt, die gefälligst auch im ÖPNV zu gelten haben und nicht durch eine völlig intransparente, inkohärente und letztlich zufällige Quersubventionierung. Das hat nichts mit Neiddebatte, sondern mit Abgaben- und Haushaltsrecht zu tun.

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  • Die Quersubventionierung ist für Gemeinden einfacher als eine
    Steuer zu erheben. Es gibt nicht viele Möglichkeiten für Gemeinden
    an stabile Steuereinnahmen zu gelanden. Die Gewerbesteuer ist von
    der Kreativität der Steuerabteilungen der Firmen abhängen - und
    von deren Willen ihren Standort im Ort zu belassen.
    Zusätzlich dann noch der kommunale Finanzausgleich.
    Hudnesteuer macht die Beistzer kreativ - der Hund wird dann bei der
    Verwandschaft ein Ort weiter gemeldet...

    In god (an invention by mankind) we trust - on earth we don't


    Sincerly yours, NSA
    powered by US government

  • Gut, lassen wir das Wort "Neoliberalismus" weg. Ich meinte diejenige politische Ideologie, die der Meinung ist, dass Privatisierungen in jedem Fall gut sind, weil private Akteure effizienter und besser arbeiten könnten als öffentliche.


    Ja, der Begriff des Volkswirtschaftlichen Nutzen ist "nur" "die Gesamtheit aller Wirtschaftssubjekte in einem bestimmten Wirtschaftsraum", da hast du recht – aber das Schlüsselwort ist eben "aller". Wenn ich dich richtig verstehe, sagst du, dass das keine Rolle spielen sollte, weil man es schwer messen kann. "Exakte Wissenschaft" ist aber eben auch nicht ein Wirtschaftssystem, dessen grundlegende Modelle auf der Annahme beruhen, dass es nur ein Produkt, zwei Akteure und auf jeder Seite perfekte Informationen gibt. In anderen Worten: "Exakte Wissenschaft" ist keine Strömung der Wirtschaftslehre (und ich will hier explizit nicht von Wirtschafts"wissenschaften" reden). Wenn du das "Gemeinwohl" nennst, stellst du es damit sprachlich aber auf eine Stufe, die deutlich weniger objektiv klingt, und deswegen möchte ich das Wort eigentlich nicht dafür gebrauchen.


    An einer Stelle reden wir, so scheint mir, aneinander vorbei. Du schreibst, die ICB sei nur ihrem Besitzer verpflichtet, und da hast du recht. Aber in der Diskussion um Ginnheim hast du doch grade vor ner Woche oder so explizit darauf hingewiesen, dass die VGF eben NICHT auf das Gemeinwohl, sondern auf ihre eigene Bilanz gucken muss. Ich rede aber gerade dagegen, dass das so ist; es ist für mich ein Auswuchs ebendieser Ideologie, die jede Unternehmung der öffentlichen Hand so behandelt, als müsse es einem privaten Unternehmen entsprechen. Du sagst (so lese ich das), das müsse so sein. Hier sehe ich dich in einem bestimmten Gesellschaftsmodell "gefangen".


    Ist denn deine Kritik an der Quersubventionierung nun eine Kritik an den Geldströmen oder an der Intransparenz derselben? Wäre denn eine Gebührenordnung, die von vorneherein die Einnahmen der Stadt zusammenrechnet, besser? Denn, wie ich vorher schon sagen wollte, dein Argument ist irgendwie nicht "ich will nicht, dass von meinem Geld etwas finanziert wird, das ich nicht selbst nutze", sondern "ich will nicht, dass von meinem Geld in diesem speziellen Bereich (Gas, Wasser, Strom) etwas finanziert wird, das in diesem anderen speziellen Bereich (Verkehr) liegt". Die Subventionierung auslastungsschwächerer Züge als diejenigen, die du benutzt, akzeptierst du.

  • Ich bin weit entfernt anzunehmen, der Markt würde alles regeln, wenn man die Kräfte des Marktes nur walten ließe. Wir alle wissen, es trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu.


    Aber das führt eigentlich auch am Thema vorbei. Die Stadt hat sich entschieden, die öffentliche Aufgabe des Nahverkehrs durch eigene Unternehmen in privater Rechtsform erledigen zu lassen. ICB & VGF nehmen als GmbHs am Wirtschaftsverkehr teil, weshalb für sie derselbe Rechtsrahmen und dieselben Regeln gelten wie für private Unternehmen derselben Rechtsform. Das betrifft alle Rechtsbereiche, also auch den Bereich des Handelsrechts, die Vorschriften über Buchführung und Bilanzierung und natürlich auch das Wettbewerbsrecht.


    Das bedeutet – um das Beispiel Ginnheim aufzugreifen – für die VGF, dass sie die pekuniären Folgen von Investitionsentscheidungen nicht nur unter verkehrlichem Aspekt oder durch die Brille des Gemeinwohls betrachten darf, sondern auch die Folgen für Eigenkapital, Vermögen und Steuern im Auge haben muss; eine Geschäftsführung, die das nicht täte, wäre fehl am Platz und müsste ersetzt werden. Es kann durchaus sein, dass Entscheidungen nicht in beiderlei Hinsicht (kaufmännisch vs. verkehrlich) gleich gut beurteilt werden.


    Das ist aber nicht – wie Du meinst – Auswuchs einer Ideologie, sondern entspricht der Sorgfalt des ordentlichen Kaufmanns. Und als Unternehmen in privater Rechtsform sind ICB und VGF Kaufleute kraft Rechtsform. Wenn ich das in Erinnerung bringe, bin ich doch nicht in einem bestimmten Gesellschaftsmodell gefangen, ich argumentiere lediglich kaufmännisch und von mir aus rechtlich, aber doch nur deshalb, weil die Stadt für ihre wirtschaftlichen Betätigungen dieses Geschäftsmodell gewählt hat.


    Die Stadt könnte durchaus entscheiden, den Nahverkehr wieder durch die Verwaltung ausführen zu lassen, wie Sie es bis kurz nach dem Krieg auch getan hat. Die Straßenbahn war Teil der Stadtverwaltung, die Bediensteten waren städtische Bedienstete, die Amtsleitung unterstand unmittelbar dem Magistrat und der Betrieb wurde nach den Grundsätzen des öffentlichen Haushaltsrechts geführt, also nicht kaufmännisch. Das ging so lange gut, wie die Städtische Straßenbahn ein Transportmonopol hatte.


    Unter den geänderten Rahmenbedingungen der Nachkriegszeit, im Wettbewerb mit dem motorisierten Individualverkehr, erwies sich dieses Modell als untauglich, man hat den Verkehrsbetrieb in einen Eigenbetrieb umgewandelt, also in ein nicht rechtsfähiges, aber im Wesentlichen kaufmännisch geführtes Sondervermögen der Stadt, um es von den Restriktionen des Haushaltsrechts zu entbinden. Auch diese Mischform hat sich nicht bewährt, weil die Schulden des Eigenbetriebs unmittelbar die Schulden der Stadt in die Höhe trieben. Deshalb man in den neunziger Jahren alle wirtschaftlichen Betätigungen der Stadt, die nicht hoheitliche Pflichtaufgaben sind, in Unternehmen in privater Rechtsform ausgelagert: die Wohnungsunternehmen, die Schwimmbäder, die Parkhäuser und was noch alles – und eben auch den Nahverkehr - Flucht ins private Recht wurde das mal genannt. Ich will nicht beurteilen, ob das der Weisheit letzter Schluss ist, nur ist natürlich die Frage erlaubt, warum sich eine Gemeinde überhaupt wirtschaftlich betätigen soll, eigentlich ist es nicht ihre Aufgabe, Verwaltung ist ihre Aufgabe.


    Eigentlich ist doch das Modell, dass die Qualitätskriterien für den ÖPNV in öffentlicher Verantwortung definiert werden (hier: traffiq) und die Leistungen von wem auch immer erbracht werden, im Ansatz nach wie vor richtig. Dass es in der Praxis nicht durchwegs gut funktioniert hat, steht ausser Frage, aber es lohnte sich, über diese Frage noch mal nachzudenken. Die Leistungserbringung in ausschließlich städtischer Hand, siehe VGF, ist auch nicht in jeder Hinsicht das Gelbe vom Ei.

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  • Ist denn deine Kritik an der Quersubventionierung nun eine Kritik an den Geldströmen oder an der Intransparenz derselben? Wäre denn eine Gebührenordnung, die von vorneherein die Einnahmen der Stadt zusammenrechnet, besser? Denn, wie ich vorher schon sagen wollte, dein Argument ist irgendwie nicht "ich will nicht, dass von meinem Geld etwas finanziert wird, das ich nicht selbst nutze", sondern "ich will nicht, dass von meinem Geld in diesem speziellen Bereich (Gas, Wasser, Strom) etwas finanziert wird, das in diesem anderen speziellen Bereich (Verkehr) liegt". Die Subventionierung auslastungsschwächerer Züge als diejenigen, die du benutzt, akzeptierst du.

    Die Frage, ob ertragsstarke Teileistungen defizitäre Teilleistungen ausgleichen, ist eine Frage der Kalkulation, am Ende der Kalkulation steht der Preis, mit dem das Unternehmen mir seine Leistungen anbietet. Die kann ich akzeptieren oder ich gehe zu Fuß, fahre Fahrrad oder nehme das Auto. Wie der Verkehrsbetrieb zu seinem Preis kommt, ist mir wurscht, solange ich entscheide, ob ich die Leistung für diesen Preis in Anspruch nehmen will oder nicht. Wenn die Kosten infolge der Zunahme defizitärer Teilleistungen steigen, aber der Preis aus Gründen politischer Opportunität nicht soll steigen dürfen, z.B. weil ihn dann keiner zahlen möchte, muss ich mir Gedanken über die defizitären Leistungsteile machen, anstatt verdeckt den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen, von dem sie glauben, sie würden es für ihre Heizung oder ihren Strom bezahlen. Mir ist schon klar, dass aus Steuermitteln ordentlich drauf gelegt wird, aber das ist transparent, weil es in den Haushaltsplänen steht und öffentlich diskutiert wird, Jahr für Jahr in den Haushaltsberatungen. Wenn aber in den Fernwärmekosten sachfremde und externe Kosten versteckt werden, ist das intransparent und unredlich.


    Wenn die Mainova im Stromgeschäft Gewinne macht, soll mir das recht sein, weil ich evtl. die Möglichkeit habe, ihre Leistungen günstiger zu erwerben. Anders sähe es bei der Fernwärme oder der Gasversorgung aus. Deren Nutzer können nicht ausweichen. Egal wie herum, wenn in die dortige Preiskalkulation unternehmensübergreifend sachfremde Elemente einflössen, verstieße das gegen das Prinzip der Verursachungsgerechtigkeit, oder Kostenwahrheit. Als Fernwärmekonsument sollte ich nur diejenigen Kosten zu tragen haben, die meine Leistungsabnahme verursacht und nicht irgendwelche politisch opportunen externen Kosten.

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  • Danke für deine ausführlichen Antworten. Ich glaube, ein Teil unserer Uneinigkeit besteht darin, dass du juristisch auf Grundlage der momentanen, tatsächlichen Rechtsformen der beteiligten Akteure argumentierst, und ich andererseits die aktuelle Situation politisch kritisiere. Dass die Rechtsform bedingt, dass ICB und VGF nicht auf "Gemeinwohl" achten müssen, stimmt natürlich, dass ICB und VGF in dieser Rechtsform organisiert sind und das auch weiter sein müssen, ist aber in einer bestimmten Ideologie begründet. Wo "hoheitliche" Aufgaben anfangen oder enden, ist ebenso meines Wissens nichts, was grundgesetzgegeben wäre, hängt demnach also von der zugrundeliegenden politischen Philosophie ab (und "politische Philosophie" ist für mich ein Synonym zu "Ideologie", und ich meine "Ideologie" auch nie abwertend, sondern halte sie für die Grundlage jeden politischen Handelns).


    Einer Ideologie entspringt eben auch diese Aussage:


    Eigentlich ist doch das Modell, dass die Qualitätskriterien für den ÖPNV in öffentlicher Verantwortung definiert werden (hier: traffiq) und die Leistungen von wem auch immer erbracht werden, im Ansatz nach wie vor richtig. Dass es in der Praxis nicht durchwegs gut funktioniert hat, steht ausser Frage, aber es lohnte sich, über diese Frage noch mal nachzudenken. Die Leistungserbringung in ausschließlich städtischer Hand, siehe VGF, ist auch nicht in jeder Hinsicht das Gelbe vom Ei.

    , und mit "du bist gefangen" meinte ich, dass du hier als die Alternative zum aktuellen Modell nur eine Aufteilung, bei der immer noch kaufmännische Entscheidungen die Grundlage bilden (siehe VGF), anführst: Behördlich bestellter, aber kaufmännisch erbrachter Verkehr gegen kaufmännisch bestellten und erbrachten Verkehr. (Aber, ja, vorher beschreibst du die wirkliche Alternative des Behördenbusses (wenn ich das mal so nennen darf) und bewertest dieses Modell auch, halt negativ. *Diese* Alternative ist es gerade, um die es mir geht.)


    Meine These also: Ja, Behördenbus hatte seine Probleme, das aktuelle Modell hat andere Probleme. Wenn wir also über die Frage der Probleme nachdenken und dabei den Behördenbus außer Acht lassen; das eine Modell als komplett gescheitert und nur das andere als reparabel ansehen, dann tun wir das aus einer ideologischen Sichtverengung heraus.

  • Wo "hoheitliche" Aufgaben anfangen oder enden, ist ebenso meines Wissens nichts, was grundgesetzgegeben wäre, hängt demnach also von der zugrundeliegenden politischen Philosophie ab (und "politische Philosophie" ist für mich ein Synonym zu "Ideologie", und ich meine "Ideologie" auch nie abwertend, sondern halte sie für die Grundlage jeden politischen Handelns).


    Die Rolle des Staates im engeren Sinne, die Rolle der öffentlichen Hand im weiteren Sinne (die öffentliche Hand ist mehr als Staat, Gemeinden z.B. sind nicht Staat) - ja das ist es, was man politisch/ideologisch diskutieren muss und was sich im Ergebnis auf das hier diskutierte Thema auswirkt.


    Verfassungegemäß ist dem Staat der Schutz der Bürger anvertraut, traditionell umfasst das die Landesverteidigung, Gefahrenabwehr im Innern, Strafrecht, Justizgewährung. Das Recht der Gefahrenabwehr gewährt dem Staat (in Sonderheit den Polizei- und Ordnungsbehörden) die Möglichkeit, Anordnungen zu treffen, um Gefahren für Leib, Leben und Eigentum der Bürger, aber auch für Natur und Umwelt (im Interesse der Bürger) abzuwehren. Regelungsmaterien sind das Polizei- und Ordnungsrecht und vor allem das Emmissions- und Immissionsrecht. In diesen Bereichen handelt der Staat hoheitlich, im Verkehrsbereich stehen wir ihm aber nicht als Bürger im Über-Unterordnungsverhältnis gegenüber, sondern als Verbraucher, der Staat ist hier nur Wirtschaftsteilnehmer. Insofern ist klar und eindeutig festgelegt, wo hoheitliches Handeln anfängt und endet - die Erbringung von Verkehrsdienstleistungen ist jedenfalls kein hoheitliches Handeln.


    Jede Gesellschaft muss eine Grundentscheidung über das System der Güterversorgung treffen. Diese Entscheidung betrifft das Wirtschaftssystem und kann in der Verfassung selbst oder aber in Einzelgesetzen unterhalb der Verfassungsebene getroffen werden. Diese Grundentscheidung wird irgendwo zwischen den Polen der Zentralverwaltungswirtschaft und der reinen Marktwirtschaft getroffen. Unser derzeitiges Modell der sog. Sozialen Marktwirtschaft liegt irgendwo dazwischen.


    Insbesondere nimmt die öffentliche Hand (oder von mir aus: der Staat) Aufgaben dort wahr, wo der Markt die Versorgung nicht sicherstellen kann oder nicht sicherstellen darf. Der Markt funktioniert u.a. dort nicht, wo Güter und Dienstleistungen zu Preisen zur Verfügung gestellt werden müssen, die unterhalb der Produktionskosten liegen oder wenn sie wegen ihrer Einmaligkeit eine Gesamtplanung voraussetzen. Beispiele sind Maßnahmen der Infrastruktur, Bildungseinrichtungen, Kulturstätten und Verkehrseinrichtungen.


    Bis in die 90er Jahren gab es bei der Personenbeförderung europaweit praktisch nur (historisch gewachsene) nationale staatliche Verkehrsmonopole. Diese abzuschaffen war sicher Ausfluss einer Ideologie, wonach Monopole grundsätzlich von Übel sind, egal ob der Monopolist ein Energieversorger, eine Staatsbahn, ein Computerhersteller oder ein Softwareunternehmen ist. Da der Staat im Verkehrsbereich, außer beim Bau der Infrastruktur, nicht hoheitlich handelt, sondern sich wirtschaftlich betätigt, war es folgerichtig, die staatlichen Verkehrsmonopole zu knacken und den Verkehrsmarkt europaweit zu öffnen und marktwirtschaftliche Elemente zuzulassen; diesen Ansatz finde ich grundsätzlich richtig (ist das Monopol eines Staatsunternehmens besser als das von Microsoft?). In einer Wirtschaftsordnung, deren zentrales Elemente die persönliche Handlungsfreiheit, das Eigentum und die wirtschaftliche Privatautonomie sind, gibt es kein überzeugendes Argument, Private von der Erbringung von Verkehrsdienstleistungen generell auszuschließen (das letzte Monopol dieser Art – Personenbeförderung auf der Langestrecke nur mit der Bahn - ist mit Zulassung von Fernbuslinien gefallen).


    Wegen seiner besonderen Bedeutung als Teil der Daseinsvorsorge überlässt der Staat den ÖPNV indessen nicht den Kräften des Marktes, sondern reguliert ihn, und zwar so weitgehend, dass er in bestimmtem Umfang Verkehrsmonopole doch wieder zulässt, sozusagen eine Rolle rückwärts. An der Stelle steht der Magistrat hier und jetzt bei der Frage, ob er eigenwirtschaftliche Erbringung von Verkehrdienstleistungen künftig (wieder) völlig ausschließen will; das entspricht eigentlich nicht der Gesetzeslage und ist aus meiner Sicht auch zu weitgehend.


    Um noch mal auf den Titel des Threads zu verweisen: für Herrn Feldmann ist es Blödsinn, privaten Unternehmen die Erbringung von Verkehrdienstleistungen zu ermöglichen. Das ist doch mal eine klare Ansage und spricht für eine gefestigte ideologische Grundhaltung.

  • Hat jemand bei der Frage wie lange ein Bus im Betrieb durchhalten soll, auch mal an die ständig sich ändernden Umweltnormen gedacht? Wenn alle 6, spätestens 7 Jahre eine neue Euro Norm verbindlich wird, dann müssten ja 22 Jahre alte Busse schon von daher nicht mehr einsetzbar sein!


    Die Euro-Normen beziehen sich auf Neuzulassungen, die Umweltzonen tatsächlich auf die Abgasnorm des Fahrzeugs. Allerdings kommt es auch noch darauf an, ob z.B. neue Technologien gefördert werden und ob neue Prioritäten gesetzt werden und ggf, auch ein Generationswechsel bei den Entscheidungsträgern stattfindet. Kann ja sein, dass Elektrobusse in ein paar Jahren total praxistauglich sind, vom Freistaat besonders gefördert werden und die Stadt Aschaffenburg keine Lust mehr auf die Dieselabgase hat.


    Wenn die Wiesbadener ihr ehrgeiziges Projekt durchziehen, dürften die jüngsten Busse bei Inbetriebnahme der Elektrobusflotte noch nicht einmal abgeschrieben sein.

    Vollkommen Großartiges Forum

  • Verfassungegemäß ist dem Staat der Schutz der Bürger anvertraut[…]. Regelungsmaterien sind das Polizei- und Ordnungsrecht und vor allem das Emmissions- und Immissionsrecht. In diesen Bereichen handelt der Staat hoheitlich, im Verkehrsbereich stehen wir ihm aber nicht als Bürger im Über-Unterordnungsverhältnis gegenüber, sondern als Verbraucher, der Staat ist hier nur Wirtschaftsteilnehmer. Insofern ist klar und eindeutig festgelegt, wo hoheitliches Handeln anfängt und endet - die Erbringung von Verkehrsdienstleistungen ist jedenfalls kein hoheitliches Handeln.

    Ok, das war mir so nicht bewusst. Wie ordnet sich denn das Bildungssystem hier ein, das ja ebenfalls der Staat im Regelfall bereitstellt und be"wirtschaftet", bis auf Ausnahmefälle, die es ja aber in Zeiten der "Behördenbahn" auch gab (siehe FKE)? Vielleicht geht die Frage aber auch zu weit für diesen Thread.


    Zitat

    (ist das Monopol eines Staatsunternehmens besser als das von Microsoft?)

    Ganz klares Ja! Das eine Monopol ist ausschließlich seinen Shareholdern verpflichtet, das andere politisch, und damit in einer Demokratie letztlich durch Volkswillen, steuerbar und an "Gemeinwohl"-Zielen ausrichtbar. Das klappt dann zwar nicht immer so, wie ich mir das vorstelle (siehe: S21, Baustopp von VDE 8 in den frühen 00ern), aber gut. Und ich sage damit keinesfalls, dass das spezielle Staatsmonopol gut sein muss, sondern nur, dass ein Staatsmonopol besser ist als ein Privatmonopol.


    Zitat

    Um noch mal auf den Titel des Threads zu verweisen: für Herrn Feldmann ist es Blödsinn, privaten Unternehmen die Erbringung von Verkehrdienstleistungen zu ermöglichen. Das ist doch mal eine klare Ansage und spricht für eine gefestigte ideologische Grundhaltung.

    Da sind wir uns einig, und der OB will ja auch eben keine so weitreichende Diskussion anstoßen, wie ich das hier getan habe, sondern innerhalb des aktuellen Systems mit einer kaufmännisch ausgerichteten Stadtwerketochter die Bedingungen verschieben. Dieser Betrieb "muss", nach aktuellem Recht, eine schwarze Null erwirtschaften, und alles, was du an Argumenten für offene Ausschreibungen angebracht hast, ist dann absolut richtig.

  • Für die genannten Infrastrukturprojekte braucht man kein Bahnmonopol, sondern nur eine öffentlich-rechtliche, von mir aus hoheitlich handelnde Instanz, die den Bedarf definiert, wir bezeichnen sie in der Regel als Aufgabenträger: für den SPFV und SGV der Bund, für die Regionalnetze die Länder und Verkehrsverbünde, für den örtlichen Nahverkehr die Lokalen Nahverkehrsorganisationen im Auftrag der Gemeinden und Kreise, im Energiebereich der Bund (Bundesnetzagentur). D.h. der Verkehrswegebedarf wird öffentlich-rechtlich und sogar hoheitlich bestimmt.


    Welchen ÖPNV wir uns leisten wollen, definieren die Stadtverordneten auf Vorschlag der Aufgabenträgerorganisation jedes Jahr aufs Neue, d.h. die geforderte öffentliche und demokratische Kontrolle ist längst installiert. Braucht man zur Umsetzung dessen wirklich einen Monopolisten? Bezogen auf den Busverkehr heißt das nichts anderes, als dass die ICB gegenüber anderen Wirtschaftsteilnehmern der Branche bevorzugt wird. Privilegien, zumal wirtschaftliche, sind eine Grundform der Ungleichbehandlung, die muss man schon gut rechtfertigen. Ist sie gerechtfertigt?

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  • Privilegien, zumal wirtschaftliche, sind eine Grundform der Ungleichbehandlung, die muss man schon gut rechtfertigen. Ist sie gerechtfertigt?


    Ja, Privileg bedeutet privates Gesetz, hat mir mein Lieblingsautor mal verraten.


    Wir haben keine gesellschaftliche Kontrolle darüber, was mit den Gewinnen passiert, wenn die Gewinne bei Privaten anfallen, aber schon, wenn die Gewinne bei Öffentlichen anfallen. Diese Kontrolle hat einen gewissen Wert, die in meinen Augen Privilegien für die öffentliche Hand rechtfertigen.


    Ab Minute 12:13 der aktuellen Anstalt gibt es einen schönen Wortwechsel, der verdeutlicht, was passieren kann, wenn Gewinne in einem Bereich der Daseinsvorsorge nicht unter politischer Kontrolle, sondern nur unter der Kontrolle der Shareholder liegen. Das ist im Verkehr mit Sicherheit sehr viel anders, aber in beiden Fällen ist es die Daseinsvorsorge, deren Erbringung privat(isiert) ist.

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  • Es geht nicht um die Verwendung von Gewinnen, daran partizipiert der Staat über Steuern, sondern darum, dass Wirtschaftsteilnehmer vom Zugang zu den Verkehrsverträgen einfach ausgeschlossen werden. Was die Stadt als Aufgabenträger über traffiq an Ausgleich für gemeinwirtschaftliche Leistungen aufwendet, steckt sie sich auf diesem Weg in die eigene Tasche, wenn ich das mal so platt formulieren darf. Unter diesen Voraussetzungen muss ICB so knapp gehalten werden, dass gar keine Gewinne entstehen, sonst wäre die Direktvergabe glatt unzulässig. Eine Art Selbstbedienungsladen. Der Preis für die Privilegierung muss deshalb sein, dass keine nennenswerten Gewinne gemacht werden, sonst wären die Leistungen der Stadt an ihre Bustochter eine unzulässige Subvention. Nicht vergessen: die ICB agiert als Wirtschaftsunternehmen, dass sich dem Wettbewerb nicht stellen muss und aus öffentlichen Geldern finanziert wird.

  • Was die Stadt als Aufgabenträger über traffiq an Ausgleich für gemeinwirtschaftliche Leistungen aufwendet, steckt sie sich auf diesem Weg in die eigene Tasche, wenn ich das mal so platt formulieren darf. Unter diesen Voraussetzungen muss ICB so knapp gehalten werden, dass gar keine Gewinne entstehen, sonst wäre die Direktvergabe glatt unzulässig. Eine Art Selbstbedienungsladen. Der Preis für die Privilegierung muss deshalb sein, dass keine nennenswerten Gewinne gemacht werden, sonst wären die Leistungen der Stadt an ihre Bustochter eine unzulässige Subvention.

    Ketzerische Frage: Wieso könnten durch Gewinne "unzulässige Subventionen" entstehen? Wenn Gewinne gemacht werden, entfiele doch generell die Notwendigkeit überhaupt etwas zu subventionieren, Subventionenen entstehen doch nur durch Unterdeckung, oder? Ferner: sind nicht zulässige Subventionen vielmehr solche, bei denen Leistungen durch staatliche Institutionen gefördert werden, welche im Grunde gar nicht (oder nur ungenügend) gewinnbringend erbracht werden könnten? Anders gesagt: Warum subventionieren staatliche Institutionen derzeit Gewinne von Privatunternehmen? Ist das etwa nicht unzulässig? Wo genau liegt die Grenze zwischen zulässigen und unzulässigen Subventionen?


    Und was wäre, wenn die ICB abgwickelt würde, die VGF aber den Busverkehr wieder komplett selbst übernähme, jedoch so kalkulierte, dass keine Gewinne entstünden, ebenso wenig aber Verluste? Damit entfiele doch die Notwendigkeit der Subventionierung sowohl als der Vorwurf, der "Staat" könne sich durch ein von ihm betriebenes Wirtschaftsunternehmen bereichern?

  • Nein, umgekehrt: durch unzulässige Subventionen entstehen Gewinne, die es bei Leistungserbringung durch die Gemeinde nicht geben dürfte. Richtig ist, dass die gemeinwirtschaftlichen Ausgleichszahlungen zulässige Beihilfen sind, die gezahlt werden, weil der ÖPNV vom Leistungserbringer nicht kostendeckend kalkuliert werden kann. Ihre Höhe orientiert sich an den Kosten, zu denen die Leistungen "eingekauft" werden können (= Ergebnis der Ausschreibungen).


    Im Normalfall kalkuliert ein Unternehmen seine Kosten und schlägt einen kalkulatorischen Unternehmergewinn drauf, daraus ergibt sich ein Preis, den es hofft, am Markt durchzusetzen. Das gibts im ÖPNV nicht, der Unternehmer kalkuliert nur seine Kosten, aber daraus folgt kein Preis, den er bestimmen könnte. Im ÖPNV gibt es einen regulierten Preis, hier unseren RMV-Tarif, der feststeht und von vornherein nicht ausreicht, die ermittelten Kosten zu decken. Die Deckungslücke wird durch die gemeinwirtschaftlichen Ausgleichszahlungen, die der Aufgabenträger zuschießt, geschlossen. D.h. die Kosten werden marktmäßig durch Ausschreibung auf der Erbringerebene von den Verkehrsunternehmen ermittelt, der Zuschuss auf der Bestellerebene gesteuert durch den Leistungsumfang, also das Verkehrsangebot, das der Aufgabenträger für erforderlich hält (politische Entscheidung).


    Die Direktvergabe löst die Trennung zwischen Aufgabenträger (Besteller) und Leistungserbringer auf, was im Kern gesetzwidrig ist (HeÖPNVG, PBefG, EU-VO). Der stadteigene Betrieb bestimmt die Kosten der Leistungserbingung ohne Ausschreibung, also nicht mehr im Wettbewerb (nach politischer Opportunität?), die sein Eigentümer als Aufgabenträger subventioniert, ein im Prinzip beihilferechtlich unzulässiges In-sich-Geschäft. Der Gesetzgeber hat deshalb ein Sperre dahin eingeführt, dass die Kosten des eigenen Betriebes nicht politisch bestimmt werden dürfen, sondern marktüblich sein müssen, d.h. sich indirekt an den Kosten der von der Leistungserbringung ausgeschlossenen Wettbewerber orientieren müssen.

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  • Ich unterbreche eure politisch-wirtschaftliche Diskussion ja nur ungern (spannend, fürwahr, aber momentan nicht mein Ding), aber es gibt noch ein paar weitere Aspekte. Dazu zählt z.B. die Motivation der Mitarbeiter. Das wirkt sich nicht zuletzt auf den Kontakt mit den Fahrgästen, die Fahrweise und damit auch auf den Umgang mit dem rollenden Material aus.


    Zwar kann ich es statistisch nicht beweisen, aber mir fällt (ohne die Adresse zu lesen) schon auf, welche Linie von welcher Firma bedient wird und wie das Personal dort fährt und sich benimmt. Daraus lassen sich gewisse, hm, Stereotypen ableiten. Aber woran liegt das, dass der eine richtig gut fährt und der andere "scheißegal, was machst du in meinem Formel-1-Bus?" durch die Gegend heizt - und das wirklich eingrenzbar?
    - Bitte jetzt keine Vorträge über Normalverteilung und Standardabweichung einer Sichprobe! -


    Mir hat mal jemand aus einem vergleichbaren Sektor etwas über Motivation erzählt: Gehört er "dazu" oder wird er als Leiharbeiter nur von links nach rechts verschoben? Hat er einen befristeten Vertrag ohne Fortsetzungsperspektive oder kann er darauf bauen, mit seinem Arbeitsvertrag eine Familie gründen zu können bzw. auszubauen, ein Haus zu bauen, einen Kredit aufzunehmen? Fakt ist: Mit einem befristeten Vertrag hat man bei einer Bank schlechte Karten.
    Warum also soll sich jemand den Arsch aufreißen, wenn ihm seine sichere Kündigung (befristeter Vertrag ohne Verlängerungsperspektive) ohnehin klar vor Augen steht? Wie ist es da um die Loyalität zum Arbeitgeber bestellt?


    Ja, kommunale Angestellte, die nach einem - ordentlichen - Tarif bezahlt werden, sind, inklusive Altersversorgung, eine finanzielle Belastung. Aber der Mehrgewinn, der sich leider nun mal nicht bilanzieren lässt, sollte es einer Kommune wert sein. Es ist ihre Aufgabe, für ihre Bürger da zu sein.


    Ich bin so alt, dass ich - im industriellen Umfeld - die Phase vor und nach dem radikalen Outsourcing erlebt habe. Finanziell war es der richtige Schritt; unternehmerisch hingegen eher weniger.

  • Das verstehe ich nicht und bitte um Erläuterung. Ich lese als Kritik an den Verkehrsunternehmen immer, dass sie keine Fahrzeugreserven vorhalten und so knapp kalkulieren. Das ist für mich eigentlich das Gegenteil von "Fahrzeugbestand aufblasen".


    Die momentanen Betreiber besitzen diese Fahrzeuge auch nicht. Die stehen entweder in irgendeinem Stillstandsmanagement, viele Grüße von DBAG, oder wurden energieaufwendig, dem Kreislauf wieder zu geführt, obwohl sie brauchbar wären.

    Beati pauperes spiritu, quoniam ipsorum est regnum caelorum

  • Wenn die Kosten infolge der Zunahme defizitärer Teilleistungen steigen,
    aber der Preis aus Gründen politischer Opportunität nicht soll steigen
    dürfen, z.B. weil ihn dann keiner zahlen möchte, muss ich mir Gedanken
    über die defizitären Leistungsteile machen [...]

    Du scheinst kein großer Freund direkter oder indirekter Subventionierung aus öffentlicher Hand für den operativen Betrieb von Nahverkehr zu sein.
    Was würde für dich die preisliche Obergrenze für eine EInzel, Tages, Monats, Jahreskarte PS 27 aussehen? Wo ist Einsparpotential im Angobt von Nahverkehrsleistungen? Würdest du im Gegenzug Maßnahmen wie City-Maut, Einschränkungen des Parkplatz Angebots, usw akzeptieren um die Push-Faktoren für die Nutzung des ÖPNVs zu stärken?


    Da du fundiert und überlegt argumentierst würde mich deine Sichtweise auf diese Fragen interessieren.

  • Nein, das ist zu ungenau. Einen ÖPNV ohne öffentliche Subventionen kann ich mir nicht vorstellen, das wird nicht funktionieren. Du sprichst aber verschiedene Dinge an, die man getrennt sehen muss, weil eine gescheite Diskussion sonst nicht funktioniert. Im Prinzip hat man drei Stellschrauben, an denen man "drehen" kann: Kosten, Fahrgeldeinnahmen, Subventionen.


    Fahrpreise, City-Maut betreffen die Einnahmeseite, die wettbewerbliche Vergabe betrifft die Kostenseite. Natürlich hängt alles mit allem zusammen, aber man muss schon ein bißchen sortieren. Thema in diesem Thread ist die Kostenseite, denn es besteht ja die Hoffnung, durch Direktvergabe an einen stadteigenen Betrieb würde alles besser: das Personal würde besser verdienen, die Fahrzeuge würden besser, und überhaupt. Bezahlt man das Personal besser, was ja gerechtfertigt ist, erhöht man erst mal nur die Kosten und damit das Defizit, soviel ist sicher, alles andere eher ungewiss.


    Bei den Fahrgeldeinnahmen und Subventionen muss man in Strukturen denken. Auf die Fahrgeldeinnahmen hat die Stadt nur sehr mittelbaren Einfluss, vor allem kann sie die Verteilung nicht beeinflussen. Ich möchte erinnern, dass vor zwei Jahren die gemessenen Zuwächse so verteilt waren, dass die VGF überraschend wenig vom Zuwachs abbekommen hat, weil S-Bahn und Busverkehre weitaus höhere Zuwächse hatten. Auch die Subventionen werden auf den verschiedensten Ebenen verantwortet. Bei den Investitionen in die Infrastruktur sind es Bund und Länder, im operativen Geschäft sind es eher die Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen.


    Ich weiß zwar nicht genau, was push-Faktoren sind, aber wenn es das ist, was ich annehme, dann lohnt sich vielleicht ein Blick nach Wien. Dort hat man mit der Verbilligung der Jahreskarte von 449 € auf 365 € zwar enorm viele Fahrgäste hinzugewonnen, die Mindereinnahmen von 84 € wurden mehr als kompensiert, der Zuwachs an Fahrgästen war jedoch nur mit des Ausweitung des Fahrbetriebs zu organisieren, heißt mehr Fahrzeuge, mehr Personal, mehr Fahrplankilometer, ergo höhere Kosten und ein deutlich höheres Defizit. Das war so wohl nicht gedacht. Wenn Du den starken Anstiegs des Defizits gut findest, dann musst Du halt zusehen, woher die Kohle kommt, die der Kämmerer eben nur einmal ausgeben kann. Die schlichte Forderung nach mehr Subventionen hilft Dir nicht weiter, Du musst sie auch aufbringen, d.h. politisch vertreten und durchsetzen. Die nächste Haushaltssparrunde lässt grüßen.

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