Modellstädte des Bundes

  • Das Bundesumweltministerium stellt heute die vor einiger Zeit angekündigten Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität in einer Hand voll Modellstädten (Bonn, Essen, Mannheim, Reutlingen und Herrenberg) vor. 120 Millionen € stehen hierfür bereit. Der Deutschlandfunk berichtet vorab von einigen geplanten Maßnahmen.

    • Bonn plane zum Beispiel ein Jahresticket für Neukunden zum Preis von 365€. Der Listenpreise liegt ungefähr beim Doppelten. Das ist meiner Meinung nach eine reine PR-Maßnahme und sorgt nicht für eine nachhaltige Änderung.
    • Essen möchte P&R-Parkplätze einrichten, die dann von Bussen erschlossen werden sollen. Ich kenne die Situation in Essen zu wenig, um zu beurteilen, ob eine solche Maßnahme eine hinreichende Breitenwirkung haben wird - Bedenken habe ich trotzdem ob der Sinnhaftigkeit. Man bekommt damit vielleicht ein paar Autos aus der Innenstadt raus, aber man wird sie nicht ganz los. Und Essen liegt in einem der am dichtesten besiedelten Gebiete Deutschlands - es ist nicht so, dass hier viele Leute aus kleinen Dörfern, die nur schwer mit einem guten Takt zu erschließen wären, in die Stadt pendeln. Die meisten Pendler dürften aus benachbarten Städten kommen.

    Ich bin gespannt, ob die anderen Städte etwas progressivere Ideen entwickeln konnten.

  • Die Welt berichtet auch. Über die einzelnen Maßnahmen steht leider auch dort nichts (nur die Zusammenfassung "Taktverdichtung und Preisseknungen"), aber die Verteilung der Gelder wird aufgeschlüsselt:


    Bonn: 39,34 Millionen Euro
    Mannheim: 28,37 Millionen Euro
    Essen 21,22 Millionen Euro
    Reutlingen 19,22 Millionen Euro
    Herrenberg 4,52 Millionen Euro

  • Es gibt eine Presseerklärung des Umweltministeriums. Darin gibt es eine Aufstellung der geplanten Maßnahmen.


    Zu den Maßnahmen der Modellstädte gehören unter anderem:

    • Bonn führt das "365 Euro-Ticket" ein: Damit können Bürger für nur einen Euro pro Tag auf den ÖPNV umsteigen und das Auto stehen lassen.
    • Essen baut das ÖPNV-Netz aus: Höhere Taktung von Bussen und Bahnen sorgen für kürzere Wartezeiten und bessere Anbindung.
    • Herrenberg setzt auf die Digitalisierung: Eine dynamische Steuerung verbessert den Verkehrsfluss und damit die Vernetzung der Bereiche Verkehrsinfrastruktur und Digitales.
    • Mannheim errichtet ein "Micro-Hub" (Umschlagsplatz für Logistiker): Damit werden Paketzustellungen durch E-Fahrzeuge in der Innenstadt klimaneutral.
    • Reutlingen setzt auf den ÖPNV-Ausbau: Zehn neue Buslinien und über 100 neue Haltestellen erweitern bald das Stadtbusnetz.

    Irgendwie hört sich die Mannheimer Maßnahme nicht nach "Personenverkehr" an. In Herrenberg geht es u.a. um eine Optimierung der Ampelschaltungen ("Grüne Welle" inklusive Anzeige der Richtgeschwindigkeit), um Autos das Fahren in der Stadt zu erleichtern. In der Vergangenheit haben viele Städte ihre Ampeln eher so geschaltet, dass das Autofahren in der Stadt unattraktiv wird. Eine "Grüne Welle" dieser Art habe ich zuletzt vor einigen Jahren in Göttingen gesehen, aber auch dort ist sie inzwischen Geschichte. Reutlingen finde ich beachtlich: Bei 10 neue Buslinien und 100 neue Haltestellen bin ich gespannt auf die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitstudie.

  • Ich habe quasi vor meiner Haustür eine Straße mit "Grüner Welle". Wer den MIV beschleunigt schafft automatisch Verlierer: Fußgänger und Radfahrer, also die umweltfrundlichste Fortbewgungsmöglichkeit.

  • Ich sehe in der Ausweitung des Fahrtenangebots die wichtigste Maßnahme, um Kunden vom Auto auf den ÖPNV zu bringen:
    - Taktverdichtung, vor allem in den Schwachverkehrszeiten;
    - Ausdehnung der Betriebszeiten, insbesondere abends und am Wochenende;
    - mehr umsteigefreie Verbindungen, vor allem im sog. "Tangentialverkehr";
    - (kostenlose) Fahrradmitnahme, um die Vorteile von Fahrrad und Bus / Bahn zu kombinieren.


    In Frankfurt ist das Fahrrad für mich das schnellste Verkehrsmittel. Dasselbe sagte mir ein Bewohner von Paris zu seiner Stadt. Das heißt, selbst in Metropolen mit sehr guten Schnellbahnnetzen konkurriert der ÖPNV bei der Reisezeit eher mit dem Fahrrad als ÖPNV.
    Gründe dafür sind vor allem die Zugangszeiten, Warte- und Umsteigezeiten.


    Und wenn der Bund die Menschen wirklich vom Auto wegbringen wollte, würden die Rahmenbedingungen fürs Autofahren verschärft, insbesondere die Straßenverkehrs-Ordnung:
    - Strafen fürs Falschparken mindestens in der Höhe der Strafen fürs Schwarzfahren - so, wie es in vielen EU-Ländern üblich ist;
    - empfindliche Strafen für verkehrsbehinderndes oder gefährdendes Parken - ich denke da an Tram-Gleise, Radwege, Feuerwehrausfahrten etc. Derzeit sind die Geldbußen für behinderndes oder gefährdendes Parken die gleichen wie für Hunde, die auf den Gehweg machen, nämlich 35 Euro.
    - automatische Entschädigungsansprüche von Verkehrsbetrieben und Rollstuhlfahrern gegen Falschparker und Einzug bereits durch staatliche Behörden zusammen mit dem Bußgeld.
    - Deutliche Erhöhung der Geldbußen für Geschwindigkeitsverstöße in Wohngebieten. Bisher entsprechen die Bußen nur der absoluten Differenz des "zu schnell" . Wer mit 60 durch eine Tempo-30-Zone fährt, schafft aber mehr Gefahren als jemand, der auf der Autobahn 130 statt 100 fährt.
    - einheitliche Pendler-Pauschale in Höhe der ÖPNV-Kosten (z.B. Monatskarte), egal, welches Verkehrsmittel genutzt wird.

  • - einheitliche Pendler-Pauschale in Höhe der ÖPNV-Kosten (z.B. Monatskarte), egal, welches Verkehrsmittel genutzt wird.


    Gibt es doch schon: einheitlicher Satz nach Kilometer für alle Verkehrsmittel/Arten. Für den öffentlichen Verkehr werden bei Nachweis darüber hinaus die den Kilomerteransatz übersteigenden Kosten anerkannt.


    Das heißt: Bei dem Vorschlag würden einige Auto-, Fahrrad- und Mitfahrer eine höhere Pendlerpauschale als jetzt bekommen.