40 Lokführer fehlen: Bahnbetreiber Abellio gesteht große Lücke ein

  • Mitteldeutsche Zeitung / Sachsen-Anhalt, Artikel von Hagen Eichler vom 04.01.2019, 20 Uhr 52:


    Zitat

    Das Desaster beim Bahnbetreiber Abellio setzt sich fort: Das Unternehmen hat am Freitag eingeräumt, dass die Probleme größer sind als bislang dargestellt. Abellio hatte Anfang Dezember das sogenannte Dieselnetz Sachsen-Anhalt - und damit 904 Kilometer zusätzlicher Strecke - übernommen.
    (...)
    Für den Betrieb fehlen aber noch immer rund 40 Lokführer, räumte der Betreiber am Freitag ein - das sind zehn Prozent des Bedarfs. Diese Lücke werde „erst bis zum Jahresende 2019 geschlossen werden können“, heißt es in einer Mitteilung.
    (...)
    Die Unstrutbahn zwischen Naumburg und Wangen (Burgenlandkreis) fährt weitere Wochen nicht. Stattdessen wird die Strecke mit Bussen bedient.

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    Ach ja, und von wegen "Konventionalstrafe":


    Zitat

    Die Nasa werde weiter für ausgefallene Züge nicht zahlen. Weitere Konsequenzen gibt es jedoch nicht, auch keine Kündigung des Vertrags.

    Autsch.


    Mein Lieblingsabsatz aber steht, wie es sich gehört, am Schluss des Textes:


    Zitat

    Ausgerechnet beim Verlierer der Ausschreibung, der von Abellio abgelösten DB Regio, hat die Nasa angefragt, ob diese nicht auf einzelnen Strecken aushelfen könne. Malter kassierte aber eine Abfuhr. „Das Personal und die Wagen, die bis Dezember auf den Strecken unterwegs waren, sind gar nicht mehr da“, sagte Malter der Mitteldeutschen Zeitung.

    Es wäre eine geile Realsatire, wenn es nicht so traurig wäre.


    Der gesamte Artikel ist hier zu finden:
    https://www.mz-web.de/sachsen-…rosse-luecke-ein-31828982

  • Ich würde sagen der deutschlandweite Lokführermangel schlägt zum ersten Mal richtig durch......

    In god (an invention by mankind) we trust - on earth we don't


    Sincerly yours, NSA
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  • ... und die Folgen von Ausschreiberei, “Wettbewerb“ und “Betreiberwechsel“. Aber die Politik will es ja offenbar so.

    Hinweis: Sofern nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet, spiegeln meine Beiträge nur meine persönliche Meinung. Diese muß nicht zwangsläufig der meines Arbeitgebers, irgendwelcher Institutionen oder von sonstwem entsprechen, sie muß auch nicht unbedingt jedem gefallen, ich lasse sie mir aber auch nicht verbieten oder madig machen und werde mich im Normalfall auch nicht dafür, daß ich eben eine eigene Sicht der Dinge habe, entschuldigen.

  • Nein. Das sind nicht die Folgen von Ausschreibungen. Auch die "Staatsbahn" hat zu wenige Lokführer.


    Vorsicht: Jetzt wird es politisch.
    Es ist eine Folge verfehlter Politik über Jahrzehnte. "Deutschland hat zu wenige Akademiker" - das war lange die Devise, die auch von außen (z.B. OECD) verbreitet wurde. Entsprechend wurde das Studium immer beliebter. Duale Studiengänge erschlossen dies auch breiteren Kreisen. Hinzu kommt das auch heute oft noch geringe Ansehen von Berufen, die etwas mehr körperlichen Einsatz erfordern, und deren meist schlechtere Bezahlung.


    Der gesamte Mittelstand (ich habe mit Handwerkern gesprochen) sucht Hände ringend Menschen, die anpacken können und wollen. Der Nachwuchs in Deutschland strebt aber mehrheitlich lieber Arbeitsplätze an, die besser bezahlt sind und wo man in geheizten Räumen einen Drehstuhl warm hält.


    Das wird sich nicht so schnell ändern lassen. Aber vielleicht hilft mal ein Blick 60 Jahre zurück: Wir hatten damals ähnliche Probleme im Land und haben dann einfach Menschen zu uns eingeladen: Gastarbeiter. Das ging mehrheitlich gut und viele dieser "Gastarbeiter" sind Dauergäste geworden. Probleme? Kaum.


    Im Süden Europas gibt es eine hohe Arbeitslosigkeit, gerade in der jüngeren Bevölkerung. Aber "Deutschland ist kein Einwanderungsland" - diese Parole wurde Jahrzehnte von der hauptsächlich staatstragenden Partei vor sich her getragen. Es scheint, dass man jetzt etwas gemerkt hat. Leider wird es noch etwas dauern, bis man den Menschen, die dann wirklich kommen (und sich durch gewisse politische Gruppen nicht von vorne herein abschrecken lassen), ausreichend Sprachkenntnisse vermittelt hat, damit sie uns als Schreiner, Pflegekraft oder auch Lokführer aushelfen können.


    Gelingen kann es: Lokführer oder Tramfahrer mit türkischer Herkunft sind inzwischen ebenso selbstverständlich wie Taxifahrer von ich-weiß-nicht-wo. Nur: Zeit haben wir nicht mehr. Das System ist JETZT am Zusammenbrechen - nicht nur bei den Bahnen.

  • Man darf gespannt sein, sie die EVUs diesen Spagat aus mehr Freizeit und Lokführermangel bewältigen werden:


    Aus dem Ergebnis der Tarifverhandlungen mit der GDL:

    Zitat

    Statt der zweiten Tariferhöhung zum Juli 2020 können sie auch zusätzlichen Urlaub oder eine kürzere Wochenarbeitszeit wählen. Mit der GDL wurden zusätzlich Vereinbarungen zur Jahresarbeitszeit und zu den Pausenregelungen getroffen.


    Vielleicht ist ja dies ein Anreiz den Beruf attraktiver zu gestalten, dass wieder mehr Lokführer dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen:


    Aus dem Ergebnis der Tarifverhandlungen mit der GDL:

    Zitat

    Die rund 36.000 Beschäftigten des Fahrpersonals erhalten in zwei Tarifstufen zusammen 6,1 Prozent mehr Geld .


    Nicht falsch verstehen. Ich finde das völlig OK.

  • Nein. Das sind nicht die Folgen von Ausschreibungen. Auch die "Staatsbahn" hat zu wenige Lokführer.


    Aber auch von dem System Angebot und Nachfrage, nur im ursprünglichen Sinn. Denn nach der Logig (Angebot = TF und Nachfrage = offene Arbeitsplätze) müssten die Preise=Bezahlung automatisch anziehen.
    Aber der Mangel ist ein generelles Problem im Dienstleistungsbereich.



    Aus dem Ergebnis der Tarifverhandlungen mit der GDL:


    Zitat
    Die rund 36.000 Beschäftigten des Fahrpersonals erhalten in zwei Tarifstufen zusammen 6,1 Prozent mehr Geld .


    Wenn der Magel (und der Schmerz im Management) groß genug wäre, müsste um bessere Bezahlung nicht groß gerungen werden.




    Ach ja, und von wegen "Konventionalstrafe":


    Zitat
    Die Nasa werde weiter für ausgefallene Züge nicht zahlen. Weitere Konsequenzen gibt es jedoch nicht, auch keine Kündigung des Vertrags.


    Zum ersten sollte man froh sein, das nicht noch ausgefallenene Züge fleißig weiter bezahlt werden. Zum zweiten hilft Kündigen des Vertrages nicht wirklich, den jeder Betreiber steht vor dem gleichen Problem.
    Vetragsstrafen wären aber schon sinnvoll, sonst ist da kein Lerneffekt. Weiterhin steigert es auch die Motivation des Managements, diese Umstände ändern zu wollen. (z.B. könnten Tf dann an andrerer Stelle aushelfen, wo Audfälle Strafe kostet)

  • Man muss schon in den Grundschulen den Kindern vermitteln, dass durch die Digitalisierung diese Arbeitsplätze alle mehrheitlich wegfallen werden.


    Ein Lokführer dann aber noch gebraucht wird, denn die Deutschen können es sich nicht vorstellen mehrheitlich ohne eine menschliche Person befördert zu werden. Was auch gut so ist.
    Das einzige dumme ist, dass auch die Firmen sich auf die Studenten einstellen. Dort heißt es sehr häufig, ich nehme lieber ein Student mit einer schlechten Studiumsnote als einen guten Abiturienten, der eine Ausbildung gemacht hat.
    So ist Deutschland halt geworden.
    Ein Vorteil hat das ganze: Unsere alten Busse werden nicht alle Verschrottet.

  • Personalmangel extrem gab es schon Ende der 80er bei der Bundesbahn. Dort wurde um alles
    fahren zu können gegen die Arbeitszeitvorschrift oft verstossen.
    "Gerettet" hat die Bundesbahn der Zusammenbruch der DDR, da mit dem Rückgang des Schienen-
    verkehrs dort massig Lokführer frei wurden.

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  • Ohne ausschreibungsbedingten Betreiberwechsel wäre der bisherige Betreiber weiter gefahren. Und der hatte für die bestellten Leistungen offenbar ausreichend Tf. Diese wollten aber anscheinend nicht zum neuen Betreiber wechseln - werden ihre ganz persönlichen Gründe haben. Also haben sie sich natürlich rechtzeitig innerhalb der DB was anderes gesucht oder sich sonstwie von diesen Strecken verabschiedet. Ohne Betreiberwechsel hätte für die Tf diese Notwendigkeit nicht bestanden, sie würden also zum Fahren der Züge dort nach wie vor zur Verfügung stehen. Deshalb meine Anmerkung, daß es die jetzige Situation ohne Betreiberwechsel, der eben durch die Ausschreibung kam, nicht gegeben hätte.


    Und natürlich hält die DB nicht massig Tf vor, um einem Konkurrenten aus der Patsche zu helfen.

    Hinweis: Sofern nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet, spiegeln meine Beiträge nur meine persönliche Meinung. Diese muß nicht zwangsläufig der meines Arbeitgebers, irgendwelcher Institutionen oder von sonstwem entsprechen, sie muß auch nicht unbedingt jedem gefallen, ich lasse sie mir aber auch nicht verbieten oder madig machen und werde mich im Normalfall auch nicht dafür, daß ich eben eine eigene Sicht der Dinge habe, entschuldigen.

  • Wie Darkside geschrieben hat, ist das Problem des wenigen Personals schon 30 Jahre alt, damals hatte das Handwerk AFAIK noch keine Probleme. Daher, Jörn, finde ich, du bringst hier unnötigerweise eine schwarz-weiß-Unterscheidung hinein.


    Natürlich liegt es nicht nur an den Ausschreibungen, aber wie Tatrafan treffend feststellt, liegt das akute Problem sehr wohl am Betreiberwechsel. Und absehbar immer wieder vorkommende Betreiberwechsel bringt für Fahrpersonal entweder eine immer wiederkehrende Neueinstellung mit sich oder immer wieder einen Umzug, falls denn der Arbeitgeber nach Verlust der Linien im direkten Arbeitsumfeld andere Linien anwerben konnte. Immer mit dem Bewusstsein, dass man dann wieder bei 0 anfängt, mit neuen Kollegen, neuen Chefs, und eben mit Einstiegsgehalt. Das alles macht einen sowieso schon reell unattraktiven Job (Schichtdienst, hohe Konzentration, unterschiedliche Anfangsorte) noch unattraktiver. Die „Staatsbahn“ hat das gleiche Problem, und zwar aus dem gleichen Grund.


    Und immer hängt das Damoklesschwert über allen: Wenn du 367 Tage ohne Job bist, musst du dein gesamtes Gespartes aufgeben und danach alles private offen legen, um überleben zu können. Und diese Angst hast du dann alle 10 Jahre.


    Auch das Handwerk bietet zwar mittlerweile tolle Konditionen für Azubis, aber selten wirklich sichere Arbeitsplätze. Hohe Löhne sind dort aber auch nur ein Traum. Akademiker fallen weicher – wenn sie es denn einmal geschafft haben, einen Job „draußen“ zu bekommen.

  • Im Sachsen-Anhalter Dieselnetz war nicht nur DB-Regio, sondern auch Veolia mit HEX (Harz-Elbe-Express) aktiv. Die hatten dann am Wochenende auch einen interessanten Fernzug mit ihren VT zwischen Goslar bzw. Thale und Berlin.


    Abellio fährt in Mitteldeutschland auch S-Bahnen und die Linie Kassel - Nordhausen - Halle. Zumindest vorc einigen Jahren waren sie auch in NRW unterwegs.


    Ich hätte erwartet, dass zumindest das Zugpersonal von Veolia / HEX zu abellio wechselt, weil Veolia zumindest in der Region Sachsen-Anhalt / Thüringen mangels gewonnener Ausschreibungen keine Arbeit mehr bieten kann. Veolia dürfte zwar in anderen Regionen genug Arbeit haben, aber das wäre dann mit Umzügen verbunden und mitunter vweitaus höheren Lebenhaltungskosten. So kann man durchaus im Harz für den Preis eines 1-Zimmer-Kaninchenstalls in Frankfurt ein komplettes Haus kaufen.


    Ich könnte mir allerdings nach Euren Ausführungen durchaus vorstellen, dass DB Regio gerne Zugpersonal von Veolia übernimmtund auch in Mitteldeutschland einsetzen kann :D


    Hier gabe ich noch ein Bild mitgebracht, wie Metronom im benachbarten Niedersachsen das Problem angeht :) :