Tunnelbau im Europaviertel

  • Ich hatte am 13.11.2019 Gelegenheit, die Tunnelbaustelle im Europaviertel zu besichtigen. Nachfolgend ein paar Eindrücke und Informationen.


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    An diesem Tag war die Tunnelröhre 241 m lang und reichte bis unmittelbar vor die östliche Schlitzwand der Stationsbaugrube, hatte also die Bebauung auf der Südseite der Europaallee schon unterfahren. Auf nachstehendem Bild zeigt das rote Sternchen den Standort an:


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    Inzwischen dürfte sie die 180 m lange Stationsbaugrube fast durchquert haben. Die Schlitzwände um die Stationsbaugrube sind vollständig fertiggestellt. An den Stirnseiten sind die sie nicht mit Stahl bewehrt, sondern mit einem kohlefaserverstärkten Kunststoffgewebe, das vom Schneidrad durchschnitten werden kann. Die Stationsbaugrube wird erst ausgehoben, wenn beide Runnelröhren fertig sind, sie werden dann ausgegraben und auf der entsprechenden Länge wieder abgebeaut; dieses Verfahren ist rationeller, als den Tunnelvortrieb im Stationsbereich zu unterbrechen. Die Stationsbaugrube wird mit einer Tiefe von 25 m die tiefste im Frankfurter U-Bahnbau sein, die Startbaugrube ist 17-18 m tief.


    Die drei Grubenloks, die monatelang auf dem Lagerplatz vorgehalten wurden, sind inzwischen allesamt im Einsatz für den Abtransport des Bodenmaterials und den Antransport der Tübbinge.


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    In der 18m tiefen Startbaugrube ist dafür ein kleiner Güterbahnhof eingerichtet worden:


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    Die Tübbinge werden vom Herstellerwerk im Emsland mit der Bahn zur Cargo-City-Süd am Flughafen in ein Zwischenlager gebracht und von dort mit dem Stattelschlepper in die Europaallee; jeweils sechs Segmente bilden einen Ring von 1,20 m Länge, jedes Segment wiegt ca. 4,5 Tonnen, eine LKW-Ladung umfasst jeweils einen Ring.


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    Aufgrund der Kurven und der Längsneigung der Tunnel hat fast jedes Segement eine eigene Form und kann nur an einer bestimmten Stelle eingebaut werden, abgesehen von ein paar Standardringen. Beide Röhren sind also am Rechner vollständig modelliert und berechnet worden. Hier sehen wir Segemnt 2 von Ring 2079:


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    Die Ringe sind schon etwa ein halbes Jahr alt, damit beim Einbau die Schrumpfung durch Trocknung bereits abgeschlossen ist. Die Ringe sind aus wasserfestem Beton und bedürfen keiner weiteren isolierung. Der Zwischenraum zwischen Außenfläche und gewachsenem Boden wird mit einer Zementsuspension verfüllt, so dass das Bauwerk fest im Boden sitzt.

    Hier sehen wir das Tunnelportal mit der Antenne für den Tunnelfunk und einer Rettungskabine sowie einen Transport, der sich dem Portal nähert:


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    An diesem Tag hatte die TVM Pause, ein planmäßiger pit stop war angesagt zur Wartung des Schneidrads usw., weshalb man nach vorne zum voll digitalisierten Leitstand der TVM konnte (im Betriebsmodus ist es dort sehr laut):


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    Das Rundinstrument mit dem Fadenkreuz ist quasi der Kompass des Piloten und muss stets im Zentrum des Kreises stehen. Die Maschine fordert den jeweils zum Einbau anstehenden Tübbing an ("Ringfolgebrechnung"), der von den Grubenzüge just in time nach vorne geliefert werden muss. Abtransport des Aushubs und Einbau der Tübbing folgen deshalb einem strengen Takt sieben Tage die Woche, 24 stunden am Tag. Pro Schicht arbeiten 5-8- Mineure jeweils vorne in TVM, 12 weitere in der Logistik.


    Die TVM wird 3,00 Meter vor dem Bestandstunnel am Platz der Repubik abgeschaltet. Der Boden zwischen Schneidrad und Tunnelende ist bis dahin vollständig gefroren. Seit Monaten bereits ist die Vereisung im Gange. Von der U5-Wendeanlage aus werden Lanzen durch die Stirnwand des Tunnels in Erdreich getrieben, durch die eine Kühlflüssigkeit zirkuliert und den Boden gefriert. Im Schutze des Eismantels wird im Zwischenraum quasi händisch der 3,00 m starke Dichtblock hergestellt.


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    Foto: SBEV


    Die TVM wird dann zerlegt, durch die fertige Röhe zurückgeholt und in der Startbaugrube neu zusammengesetzt. Der Schild der TVM, eine Stahlröhre, die den Zwischenraum zwischen Schneidrad und den Tunnelringen schützt, bleibt im Erdreich. Sie wird mit Tübbingen ausgekleidet und kann nicht geborgen werden. Für die zweite Röhre gibts also einen neuen Schild. Auf nachstehendem Bild ist das der weiße Stahlmantel.


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    Foto: SBEV
    Im Januar 2020 wird die TVM voraussichtlich am Platz der Republik ankommen.

    Alle Fotos sind von mir, sofern nicht anders angegeben.

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  • Sehr interessant. Vielen Dank für die Einblicke.


    Was mir aufgefallen ist, daß seit ca. zwei Wochen keine Tübbinge mehr aus dem Lager in die Grube befördert wurden. Das einzige was in der Zeit (sichtbar) passierte war die Leerung der vollen Abraumhalde. Wie lange war denn der "Pit-Stop" geplant, bzw. dauert er vielleicht länger als geplant?

  • Danke für den interessanten Bericht!


    Die SBEV vermeldet am 14.11.2019 auf sbev-frankfurt.de:

    "241 Meter zurückgelegt: EVA wird planmäßig gewartet. Seit Anfang September 2019 wird die erste Tunnelröhre aufgefahren. Am 13.11.2019 ist EVA an der westlichen Baugrubenwand der Station "Güterplatz" angekommen und hier werden Maschine und Schneidrad planmäßig gewartet. Zudem wurden in der Kalenderwoche 46 die Arbeiten für die Baugrubenwandumschließung der zukünftigen Station "Güterplatz" abgeschlossen."

  • Wir hatten im ersten Beitrag erwähnt, dass es für die Tübbinge ein Zwischenlager in der Cargo-City-Süd gibt. Es befindet sich direkt neben dem westlichen Gleis des Gleisanschlusses. Von der Hauptzufahrt zur CCS ist es gut zu sehen:






    Wegen der Havarie des Schneidrades kommt grad kein Nachschub, sollte der aber benötigt werden, muss man den Gleisanschluss erst mal freiräumen, anscheinend wurde er schon länger nicht mehr benutzt, die Sturmtage liegen ja schon ein paar Tage zurück:




    Bilder von mir

  • Die FR berichtet Heute unter dem verwirrenden Titel "Millionenschaden durch Tunnelbohrer in Frankfurt" über die Untersuchungen am Schneiderad der Tunnelbohrmaschine.
    Erst nach Abschluss der Untersuchung wird feststehen, wer das zu bezahlen hat.

    Ab Sommer 2020 soll weiter gebohrt werden. Erst 2025 soll der erste Zug fahren.

  • Gestern berichtete die SBEV über den Stand der Dinge.



    Garniert ist der Eintrag im Bautagebuch mit einer interessanten Bilderstrecke

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  • Durch Probleme an der Tunnelbohrmaschine ist das Projekt teurer geworden, mithin ein volkswirtschaftlicher Schaden entstanden. Wie gesagt, doofe Formulierung, aber eben nicht in jeder Lesart falsch.

  • Boulevardisierung der Schriftmedien dürfte die Ursache für diese Formulierung sein.....

    Kommt von Fernsehen her die solch lustigen Formate vor etlichen Jahren eingeführt haben

    um ihr Programm zu füllen, was sich leider immer mehr auf die Printmedien auswirkt.

    In god (an invention by mankind) we trust - on earth we don't


    Sincerly yours, NSA
    powered by US government

  • Durch Probleme an der Tunnelbohrmaschine ist das Projekt teurer geworden,

    Trotzdem ist die TVM nicht der Verursacher des Schadens, noch ist der Schaden mit Hilfe (als Tatmittel) der selben entstanden. Die Ursache ist, wenn man den Artikel liest, noch komplett unbekannt. D.h. man kann noch gar nicht wissen, wer der Verursacher des Schadens ist. Wenn man diese Überschrift liest, denkt man bei diesem Kontext sofort an das Kölner Stadtarchiv, und daran was wohl hier in Frankfurt kaputt gemacht wurde.

  • Trotzdem ist die TVM nicht der Verursacher des Schadens, noch ist der Schaden mit Hilfe (als Tatmittel) der selben entstanden. Die Ursache ist, wenn man den Artikel liest, noch komplett unbekannt. D.h. man kann noch gar nicht wissen, wer der Verursacher des Schadens ist. Wenn man diese Überschrift liest, denkt man bei diesem Kontext sofort an das Kölner Stadtarchiv, und daran was wohl hier in Frankfurt kaputt gemacht wurde.

    Jo, an der Stelle sind wir uns auch einig.