Nachdem die Grundsatz-Diskussion zunächst die Ginnheimer Kurve (D-Nord) geflutet hat, und jetzt die D-Süd, mache ich - nach K-Wagens Posts - einen eigenen Thread zu dem Thema auf und hoffe, dass jetzt die Fragen hier weiterdiskutiert werden. Eine Bitte an das Forenteam, die entsprechende Diskussion von der D-Süd hierher zu verlagern.
Die Diskussion ist nicht neu: Bereits um 1980 stellte mein Verkehrs-Prof an der Uni Dortmund die Systemfrage und merkte kritisch an, dass mit der Verlegung der Straßenbahn unter die Erde vorrangig für den Autoverkehr mehr Raum geschaffen würde.
Die Fakten:
U-Bahnen (einschl. unterirdischer Staftbahnen) fahren unter - oder über der der Erde als Hochbahn - auf eigenen Trassen weitgehend störungsfrei und schneller. Wegen der größeren Haltestellen-Abstände sind die Zugangswege weiter. Zudem wird auch Zeit dafür benötigt, in die unterirdischen Ebenen zu gelangen. Und wo Barrierefreiheit fehlt, sind einige Fahrgastgruppen von der Nutzung ausgeschlossen, anderen ist der Zugang deutlich erschwert.
Fahrgäste haben in unterirdischen Haltestellen den Komfort des Witterungsschutzes und halbwegs angenehmer Temperaturen, allerdings gibt es in manchen Bereichen auch Probleme sozialer (Un)sicherheit, was durch entsprechendes Sicherheitspersonal auszugleichen ist.
Die Baukosten betragen - hier weise ich auf Holgers Zahlen hin - betragen hierzulande je nach Trassenlage und Untergrund etwa 50 - 100 Mio Euro / km. Hinzu kommt der erhebliche Aufwand für die Haltestellen, bei denen inzwischen Barrierefreiheit zum Standard gehört. Mit zu berücksichtigen ist auch ein erheblicher Betriebsaufwand für unterirdische Anlagen.
Oberirdische Stadt- und Straßenbahnen kosten in der Herstellung nur etwa ein Fünftel der Tunneltrassen. Der Aufwand für Haltestellen ist baulich wie wirtschaftlich deutlich geringer, vor allem beim Einsatz von Niederflur-Bahnen. Barrierefreiheit kann mit deutlich geringerem Aufwand erreicht werden.
Da der Aufwand für Haltestellen im Vergleich zu "U-Bahnen" wesentlich niedriger ist, können im Linienlauf mehr Haltestellen eingerichtet werden. Die Zugangswege sind also kürzer. Die Reisegeschwindigkeit ist jedoch wegen der kürzeren Haltestellen-Abstände und vor allem wegen der häufigen Störungen durch den Autoverkehr (Ampeln, Blockieren von Gleisen) deutlich geringer (15 - 20 km /h gegenüber 25 - 40 km / h).
Straßenbahnen haben normalerweise eine deutlich höhere Netzdichte als "U-Bahnen", was sowohl kürzere Zugangswege als auch mehr Direktverbindungen ermöglicht als auch flexiblere Umleitungen bei Störungen erlaubt.
Da die Kapazität einer "Straßenbahn" (ca. 200 - 400 Fg.) geringer ist als die einer "U-Bahn" (ca. 500 - 1.000 Fahrgäste als Größenordnung), muss die Straßenbahn für das gleiche Fahrgast-Aufkommen öfter fahren. Der dichtere Takt verkürzt die Wartezeiten und erhöht damit die Attraktivität, erfordert aber mehr Fahrzeuge und Personal. Zudem kann der Betrieb von auf eigener Trasse fahrenden "U-Bahnen" leichter automatisiert werden.
Holger hat schon mit dem Beispiel Montpellier eine Tages-Leistungsfähigkeit einer Straßenbahn von rund 120.000 - 140.000 Fahrgästen / Tag genannt - die Systemfrage hängt also zumindest im Raum Rhein-Main nicht an der Massen-Leistungsfähigkeit. Klar ist, dass die Straßenbahn vor allem Vorteile im Entfernungsbereich bis 5 km, wo Zugangs- und Wartezeiten im Vergleich zur reinen Fahrzeit in der Bahn hoch sind. Bei größeren Entfernungen steigt der Anteil der im Fahrzeug verbrachten reinen Fahrzeit an der Gesamt-Reisezeit.
Vorschlag:
Mein Ansatz ist, die systembedingten Nachteile der Straßenbahn dadurch auszugleichen, dass man ihr mehr Raum gibt und sie von den Störungen durch den Autoverkehr befreit. Also: Vorrangschaltungen an den Ampeln, eigene Gleistrassen und strenges Ahnden von Blockierungen der Gleise. Dann könnte auch in Frankfurt in den Geschwindigkeitsbereich von etwa 25 km / h gelangen und würde in Verbindung mit einem dichteren Takt als bisher deutlich attraktiver.
Sinngemäß lässt sich das Ganze auch auf (ergänzende) Bussysteme anwenden.
In Großstädten wie Budapest, Amsterdam, Zürich und auch Freiburg hat der Nahverkehr ein sehr gutes Image. Auch wenn U- oder S-Bahnen vorhanden sind, bildet die Straßenbahn - mit dichtem Takt und von Störungen durch den Individualverkehr weitgehend freigehalten - das Rückgrat des ÖPNV.