Der Corona-bedingte "Sonntags-Fahrplan Plus" ist sicher eine sinnvolle kurzfristige Reaktion, um auf massiven Fahrgast-Rückgang und Personalknappheit zu reagieren. Aber in der Diskussion zeigte sich ja schon, dass vor allem Berufstätige mit festen Arbeitszeiten oder gar Schichtdienst einige Probleme haben können. Deshalb erst einmal einige Randbedingungen, wie ich sie sehe:
- Die Corona-Krise wird uns noch mindestens 1 Jahr zu schaffen machen. Auch wenn es gelingen sollte, mit den in den letzten Wochen erfolgten Einschränkungen die weitere Ausbreitung zu begrenzen oder sogar zu stoppen, werden die Basisregeln der Hygiene und des physischen Abstands von 2 m bis in die nächste Fahrplanperiode erforderlich bleiben. Eine von einigen diskutierte "Herden-Immunität" kann nur noch längerfristig greifen, ohne massive Schäden bei menschen und Wirtschaft anzurichten, als die mit Vorsicht mögliche Entwicklung von Therapien oder Impstoffen innerhalb dieses Zeitraumes.
Als Denkmodell eine kontrollierte Ansteckung von jeweils 1 Mio. Menschen gleichzeitig, die natürlich für 2 Wochen in Quarantäne müssten, versorgt werden müssten und als Erwerbstätige oder auch nur ehrenamtlich Tätige in dieser Zeit ausfallen würden. Die Folgen - z.B. für Betrieb und Instandhaltung des ÖPNV - wären immens. Und bis etwa 60 Millionen unter 65-Jährige "Herden-Immunität" erreicht hätten, würden etwa 120 Wochen, mehr als 2 Jahre vergehen.
Also erscheint eine vorsichtige Rückkehr in Teilbereiche des früheren Alltags realistischer, bei denen das Abstandsgebot für 1 - 2 Jahre Maxime bliebe, aber dann nicht nur im Supermarkt, sondern auch im Biergarten oder in derzeit geschlossenen Läden umgesetzt würde.
Was bedeutet das nach meiner Einschätzung für den ÖPNV:
Der ÖPNV wird - nach verschiedenen Posts hier im Forum - derzeit nur noch zu etwa 10 - 20 % des früheren Niveaus genutzt und dürfte auch unter den künftigen Lockerungen eine weiterhin geringe Nachfrage erfahren, die nur langsam zunimmt. Nutzer sind allergrößtenteils "captive riders" - auf den ÖPNV angewiesene Fahrgäste, die zu einem wesentlich größeren Anteil als in früheren Zeiten im Berufsverkehr unterwegs sind.
Auch wenn etwa der Einzelhandel wieder in vollem Umfang öffnet, werden wohl tendenziell eher lokale Geschäfte ohne Gedränge (Abstandsgebot !) oder der Bestellservice genutzt werden, und bei längeren Wegen in Anbetracht weniger voller Straßen und Parkhäuser eher das Auto als der ÖPNV.
Für den ÖPNV-Betrieb wird weiterhin das Abstandsgebot sowie das verfügbare Personal die massgeblichen Einflussgrößen bilden. Damit erscheint es sinnvoll, möglichst viele Fahrzeug-Kapazitäten einzusetzen und das Fahrplanangebot auf die Bedürfnisse des (essentiellen) Berufsverkehr auszurichten.
Für eine Grundversorgung halte ich ein Basis-Angebot über den Tag für sinnvoll.
Linienführungen sollten auf die Anforderungen möglichst direkter Verbindungen für den Berufsverkehr ausgerichtet werden, um unnötige Wartezeiten infolge erschwerter Anschlüsse bei verlängerten Taktfolgen zu vermeiden.
Fahrschein-Kontrollen erscheinen unter den jetzigen Randbedingungen als schwierig und auch wenig sinnvoll, da ich schätze, dass die allermeisten der jetzigen Fahrgäste Jahres-Abos oder Job-Tickets etc. nutzen.
Ein Gutes gibt es auch: Die Anzahl der Störungen durch den Straßenverkehr oder durch uneinsichtige Fahrgäste dürfte deutlich zurückgehen.