[07.05.2020] Tödliches Bahnunglück in Frankfurt-Nied

  • Blöde Frage: Gibt es irgendeine Regel, die sagt, wie viel Sichtfeld der Autofahrer auf die Strecke haben muss, um eben dieses "sich vergewissern" zuverlässig zu erlauben? Es wird nicht jeder Fahrer wissen, was ein Pfiff einer sich nähernden Bahn zu bedeuten hat, wenn er sie nicht sieht.

    In Verbindung mit einem angekündigten Bahnübergang sollte er es schon wissen.


    Das Sichtdreieck gibt es als solches jedoch nur im wesentlichen im Zusammenhang mit nichttechnisch gesicherten Bahnübergängen. Heißt: Ohne Signalanlage, ohne Schranken. Das Sichtdreieck ist dabei so zu bemessen, daß der Autofahrer mit seiner Geschwindigkeit (und derjenigen des anrückenden Züge) den Vorrang des Schienenverkehrs erkennen und rechtzeitig anhalten kann.


    Ist das nicht möglich, kommt als weitere Stufe eine Geschwindigkeitseinschränkung auf der Schiene und/oder das Geben hörbarer Signale (vulgo: Pfeifen) hinzu. D. h. spätestens hier ist der Autofahrer in der Pflicht, in der Kombination mit dem angekündigten Bahnübergang die Geräusche deuten zu müssen/können.


    Anders stellt sich die Situation bei technisch gesicherten Anlagen dar. Hier übernimmt die Technik die Aufgabe der fehlenden Sichtstrecke bzw. der Pfeifsignale. Kommt es zu einem Ausfall, ist für den Verkehrsteilnehmer in vielen Fällen nicht ersichtlich, daß ein Zug kommt.


    Daher gilt, was ich schon früher schrieb, daß die Bahn zwar Vorrang hat, diesen aber ohne ausreichende "Vorwarnung" nicht einfach so einfordern kann. Somit müssen Züge den Bahnübergang entweder langsam passieren (nicht ausreichende Sicherung) oder davor anhalten (keine Sicherung) und nach Pfeifen weiterfahren. Und wenn der Zug einen Meter vor dem Übergang steht und pfeift, sollte da auch der letzte Autofahrer sehen und mitbekommen, daß das Andreaskreuz genau jetzt in seiner Funktion und Aussage zu beachten ist.

  • Das von baeuchle gefundene Zitat von tunnelklick, dass der Verkehrsteilnehmer grundsätzlich bei geöffneter Schranke darauf vertrauen kann, dass kein Zug kommt, hilft nur theoretisch. Als Fußgänger kann ich andernfalls möglicherweise noch rechtzeitig zurückspringen und komme mit dem Schrecken davon, als Autofahrer eher nicht.


    Wie das mit der Sicherung von BÜ in der Praxis abläuft, habe ich vor ein paar Tagen am Ziegelhüttenweg erlebt: Bei geöffneter Schranke waren in einiger Entfernung die Lichter einer Lok erkennbar, die gaaanz allmählich größer wurden, während die Schranke offenblieb. Irgendwann ging die Schranke dann doch runter, und im Schneckentempo schlich ein Güterzug vorüber, während ein HLB ET der RB 53 auf dem Gegengleis in normaler Geschwindigkeit vorüberfuhr.


    Ich vermute, um die Schließzeiten der Schranke kurz zu halten, sind die Fahrpläne darauf ausgerichtet, dass möglichst zwei Züge gleichzeitig passieren. Und der früher kommende Güterzug musste erst einmal warten bzw. durfte sich in absoluter Langsamfahrt dem BÜ nähern. Bei seiner Masse konnte er natürlich aus dem Halt bzw. der Langsamfahrt später auch nicht so schnell auf seine normale Geschwindigkeit kommen. Nein, gepfiffen hat keiner der Züge, dafür ging ja die Schranke dann rechtzeitig runter.

  • Das von baeuchle gefundene Zitat von tunnelklick, dass der Verkehrsteilnehmer grundsätzlich bei geöffneter Schranke darauf vertrauen kann, dass kein Zug kommt, hilft nur theoretisch.

    Nein, sie hilft auch praktisch. Denn er darf darauf vertrauen. Nochmal zum Mitmeißeln, weil Du anscheinend die eingetretenen Ereignisse nicht unterscheiden kannst oder willst:


    Das Ereignis, daß Bahnübergänge gestört sind und "offen" bleiben ist, ist nichts besonders und tritt gelegentlich und immer wieder überall auf der Welt auf. Das ergibt sich bereits aus der Natur der Sache, da Schrankenbäume bewegliche Elemente und mit Antrieben ausgestattet sind, die aus allen möglichen Gründen verschleißen oder blockieren können (das ist keine Besonderheit der Eisenbahn, jedes bewegliche Teil hat eine Ausfallwahrscheinlichkeit) oder Lichtzeichen mit Leuchtmitteln, die einfach durchbrennen oder ihren Geist aufgeben. So what. Und für diesen Ereignisfall gibt es festgelegte Prozeduren, die je nach Land etwas anders ausfallen, aber letztlich dafür sorgen, daß der Verkehrsteilnehmer trotzdem den Bahnübergang sicher passieren bzw. rechtzeitig anhalten kann.


    Das andere Ereignis, daß ein Bahnübergang offen bleibt, geöffnet wird, nicht freigemeldet wird und damit ein Bediener ein Fehler gemacht hat oder der Lokführer, der die oben genannte Prozedur nicht beachtet (hieße in Deutschland: den Befehl zum Anhalten vor dem Bü ignoriert), ist nicht vermeidbar und wird im Grunde auch nicht betrachtet (und nebenbei: genauso wie der Fall "Geisterfahrer auf der Autobahn" auch nicht betrachtet wird, Du darfst und mußt als Autofahrer darauf vertrauen, daß Dir auf der A5 niemand entgegenkommt). Einfach aus dem Grund, weil die Eintrittswahrscheinlichkeit gegen Null geht.


    Wenn Du die leicht zu googelnden Statistikdaten von 2016 nimmst, werden dort 140 Bü-Unfälle vermeldet, wovon 135 externe Ursachen haben und nur 5 mit "Prozeßfehler bei der Bahnübergangssicherung" betitelt sind, also bahnverursacht sind. Und selbst dort müßte man noch differenzieren, welche davon ein Ereignis auslösen, das dem Verkehrsteilnehmer keine Chance zum Reagieren gibt und durch eine "bewußte" Fehlhandlung entstanden. Beispielsweise kann ja auch irgendwo eine abgestellte Wagengruppe losrollen, weil vergessen wurde, die Bremsen anzuziehen oder Radvorleger anzubringen. Wenn die über den Bahnübergang rollen, ist das für den Verkehrsteilnehmer zwar genauo blöd, aber in diesem Fall hätte z. B. nicht der Bahnübergangsbediener geschlampt.


    Wie das mit der Sicherung von BÜ in der Praxis abläuft, habe ich vor ein paar Tagen am Ziegelhüttenweg erlebt: Bei geöffneter Schranke waren in einiger Entfernung die Lichter einer Lok erkennbar, die gaaanz allmählich größer wurden, während die Schranke offenblieb. Irgendwann ging die Schranke dann doch runter, und im Schneckentempo schlich ein Güterzug vorüber, während ein HLB ET der RB 53 auf dem Gegengleis in normaler Geschwindigkeit vorüberfuhr.


    Ich vermute, um die Schließzeiten der Schranke kurz zu halten, sind die Fahrpläne darauf ausgerichtet, dass möglichst zwei Züge gleichzeitig passieren. Und der früher kommende Güterzug musste erst einmal warten bzw. durfte sich in absoluter Langsamfahrt dem BÜ nähern. Bei seiner Masse konnte er natürlich aus dem Halt bzw. der Langsamfahrt später auch nicht so schnell auf seine normale Geschwindigkeit kommen. Nein, gepfiffen hat keiner der Züge, dafür ging ja die Schranke dann rechtzeitig runter.


    Du vermutest schlichtweg falsch und reimst Dir da irgenwas zusammen. Die Abfolge war schlichtweg folgende: Der Güterzug war im Anrücken, konnte aber nicht einfahren, weil sein Fahrweg noch durch die (irgendwann) gestellte Fahrstraße der Regionalbahn blockiert war. Also blieb sein Signal auf Halt (und der Bahnübergang offen) und er rollte ganz gemächlich auf sein Signal zu. Dann wurde die Fahrstraße für die Regionalbahn gestellt, damit geht auch der Bahnübergang zu und die Regionalbahn konnte (hat ja eh eine bessere Beschleunigung) mit für Dich normaler Geschwindigkeit fahren. Zwischenzeitlich hat sie (vor Erreichen des Bü) die Weichen soweit freigefahren, daß die Fahrt für den Güterzug möglich wurde. Also ging sein Signal ebenfalls auf Fahrt. Bis er allerdings in die Gänge kommt, dauert es etwas. Also befuhr er den Bahnübergang seinerseits mit gefühltem Schneckentempo.

    Das alles hat nichts mit Zauberei, gestörten Überwegen oder sonstigen Restriktionen zu tun.

  • Nee....der Güterzug hatte einfach nen rotes Signal weil kein Platz in F Süd für den war.

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  • Süd wurde ja schon erklärt. Ziegelhüttenweg ist Signalgesichert, aber Richtung Süd steht das Esig 50 Meter vor dem Bü. Ein Zug kann also schon "gefühlt auf" dem Bü stehen ohne ihn gefährdet zu haben (Der D-Weg darf in Deutschland lustigerweise auch über geöffnete Bahnübergänge führen, da wenn er gebraucht wird, da ja vorher schon was mächtig schief gegangen sein muß.


    Auf der gleiche Strecke zwei Kilometer weiter ist allerdings ein super Beispiel für das Sichtdreieck...

    Der Fußgängerüberweg am Forsthaus liegt direkt am Ende einer Kurve. Von Richtung Sportfeld kommend kann man einen Zug so schon 3 Kilometer vorher anrücken sehen, womit auch 120 unkritisch sind (oder er darf wegen der Weichen von Niederrad kommend eh nur 60 -> auch unkritisch).

    Aus Richtung Süd kommend hat man aber wegen der Kurve und der Topografie höchstens 300 Meter "Vorwarnweg". Um die Zeit zwischen Erkennen eines Zuges und der Räumung des Büs zu erhöhen gilt daher in dieser Richtung ab 700 Meter vor dem Bü 70, verbunden mit einer von 2 (mir bekannten) Pfeifftafeln im Frankfurter Stadtgebiet....

    "Der Mensch, der so ehrbar im Einzelnen, aber so miserabel im Ganzen ist."
    Johann Wolfgang von Goethe

  • Die 70 km/h sind auch nur weil die Anwohner zwei Pfeiftafeln als zu nervig fanden und eine

    weggeklagt (*) haben. Vorher war in beide Richtungen 120 km/h.


    (*) hat mit der Norwestbahn nicht funktioniert

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  • Der D-Weg darf in Deutschland lustigerweise auch über geöffnete Bahnübergänge führen

    Das ist nur bedingt richtig. Auch für Bahnübergänge gibt es einzuhaltende Abstände. Diese betragen üblicherweise zwischen 10 und 50 Metern in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit. Da sich die Werte aber von denjenigen der Durchrutschwege unterscheiden, kann es sowohl offene als auch zwingend zu schließende Bahnübergänge im Durchrutschweg geben. Der Bahnübergang 5 Meter hinter dem Signal muß daher geschlossen sein, der 51 Meter hinter dem Signal bleibt offen.

  • Das ist nur bedingt richtig. Auch für Bahnübergänge gibt es einzuhaltende Abstände. Diese betragen üblicherweise zwischen 10 und 50 Metern in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit. Da sich die Werte aber von denjenigen der Durchrutschwege unterscheiden, kann es sowohl offene als auch zwingend zu schließende Bahnübergänge im Durchrutschweg geben. Der Bahnübergang 5 Meter hinter dem Signal muß daher geschlossen sein, der 51 Meter hinter dem Signal bleibt offen.

    So allgemein dann aber auch wieder nicht richtig... :D

    Der in Kastel bleibt bei Einfahrt nach 3 oder 4 auch offen, obwohl der 10 Meter hinter dem Signal liegt, und man darf trotzdem mit 60 reinfahren...

    Merke: Bei der deutschen Eisenbahn gibt es keine Regel ohne Ausnahme, und keine Ausnahme ohne eine weitere Ausnahme... :P

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  • Im eisenbahn magazin 12/2019 ist unter dem Artikel "Rot-Weiße Vielfalt am Bahnübergang" ein Foto des BÜs abgedruckt. Darauf zu sehen sind zusätzliche Lampen an den Schranken. Nun wurde mir etwas zugeschickt, was das offenbar erklärt:


    https://www.ebay.de/itm/264569171644

    orig. Reklame Max Ellmann Stettin Eisenbahn Schrankenbeleuchtung Reichsbahn 1935


    Hätte zwar den konkreten Unfall nicht verhindert, aber wäre vielleicht in anderen Situationen dem Erkennen der schließenden Schranken dienlich gewesen.

  • Hast du dir mal die Kreuzung auf einer Karte gesucht und in Ruhe angeschaut?

    Dann erklärt es sich wieso diese so viele Ampeln hat. (man hat jede Ampel

    einzeln gezählt...mach das mal an einer normalen Kreuzung):

    https://osm.org/go/0DvqRb7LV--?m=

    Hauptstrasse verläuft parallel zur Bahn; Seitenstrasse kommt über Übergang

    und mündet ein; direkt andere Seite Übergang weitere Kreuzung: Seitenstrasse

    in diese Seitenstrasse.


    Wenn man mal sehen möchte wieviel Zeitvorlauf so eine Kombination hat der

    kann mal nach Eppertshausen fahren:

    https://osm.org/go/0D0gxiA61-?m=


    PS: Viele Sachen bei extra3 sind gar nicht mehr so unsinnig wenn man mal die

    in aller Ruhe betrachtet und darüber nachdenkt.

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  • PS: Viele Sachen bei extra3 sind gar nicht mehr so unsinnig wenn man mal die

    in aller Ruhe betrachtet und darüber nachdenkt.

    das ist — leider — wahr. Es gibt schon „echten“ realen Irrsinn, aber immer öfter geht es in dieser Serie halt um schlechte Behördenkommunikation, schlechte Erklärungen, verhärtete Fronten, Effekthascherei. (Oder: immer öfter fällt mir das auf.) </OT>