TEE-Revival: Transeuropäisches Schnellbahnnetz soll entstehen

  • Spiegel-Online berichtet davon, dass Verkehrsminister Andreas Scheuer morgen seinen europäischen Kollegen vorschlagen will, ein europäisches Schnellbahnnetz aufzubauen, also grenzüberschreitende Schnellverbindungen zu schaffen. Der Spiegel bebildert das auch hübsch mit alten TEE-Fotos, unter anderem aus Frankfurt.


    Ob die im Artikel genannten möglichen Verbindungen eher Spekulatius des Autoren sind oder aus der tatsächlichen Konzeption stammen, wird leider nicht klar. Aber zumindest zwei der Ideen haben das Zeug, dass auch Frankfurt eingebunden wird:

    • Amsterdam-Rom, wofür ja "nur" ICE Frankfurt-Amsterdam (Linie 78) und ECE Frankfurt-Mailand (ICE-Linie 85) und FR Mailand-Rom verknüpft werden müssten
    • Berlin-Barcelona, wo es ja schon die ICE-Linie 15 Berlin-Frankfurt und die AVE Barcelona-Lyon gibt, die "nur" noch zwischen Frankfurt und Lyon verknüpft werden müssten (wo ja bereits der TGV Frankfurt-Marseille verkehrt, ICE-Linie 84)

    Das wäre jeweils mit überschaubarem Aufwand sicher recht schnell umsetzbar. Gespannt bin ich, ob die Politik Geld in die Hand nimmt, um den Betreibern die Aufrüstung der Tf auf die Sicherungssysteme der Nachbarländer zu bezahlen im Gegenzug für die neue Angebote. Dann ließen sich ja zum Beispiel auch solche Durchbindungen (via Frankfurt) relativ einfach umsetzen:

    • Dresden-Paris durch Verknüpfen der ICE-Linien 50 und 82
    • Schweiz-Warschau durch Verknüpfen der ICE-Linie 12 mit dem Berlin-Warszawa-Express (dafür wären natürlich mehr ICEs für Berlin-Warschau nötig)
    • Dortmund-Budapest durch Verknüpfen der ICE-Linie 91 mit der RJ-Linie Wien-Budapest.
    • Frankfurt-London durch Verknüpfen der ICE-Linie 79 mit dem Eurostar (ja, mit aus Sicherheitsgründen notwendigen Bahnhofsumbauten, daher wohl eher als eigene, zusätzliche Linie mit nur wenigen Halten)
    • Verknüpfen von in Straßburg endenden TGV mit in Karlsruhe endenden ICEs
  • Relevant hierfür:


    Im Juni wurde durch die letzte EU-Verkehrsminister-Telefonkonferenz das Political Statement for the Coalition of the Willing for Development of International Rail Passenger Transport verabschiedet.


    Dieses sieht die Schaffung einer Einrichtung vor zur Marktanalyse von Verbindungen zwischen Hauptstädten "und anderen relevanten Städten", unter möglicher Mitnutzung der TEN-T-Korridore. Zielspektrum sind internationale Verbindungen in einer Reichweite zwischen 300 und 800 km.

    Unterschrieben wurde das durch 25 der 27 EU-Mitglieder (alle außer Malta und Zypern, wo es keine Eisenbahnen gibt) sowie zusätzlich durch Norwegen und die Schweiz.

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  • Um das zu explizieren: vor Einfahrt in den Eurotunnel muss alles Gepäck durchleuchtet werden, und vor Ausfahrt aus dem Schengenraum (= Einfahrt nach Großbritannien) müssen alle Ausweise überprüft werden (das ist natürlich in beide Richtungen ein Thema).

  • Ja, das hört sich alles toll an. Aber wir sollten mehrere Dinge nicht außer Acht lassen.


    Zunächst einmal ein Ad-Hominem-Argument: Da steht auf deutscher Seite nun mal ein Verkehrsminister, der sich für den Deutschlandtakt feiern lässt und dann schon im ersten Haushalt danach keinerlei Anstrengungen unternimmt, die dafür nötigen Investitionen zu tätigen. Einer, der vollmundig aukündigt, dass Deutschland ganz viel Elektrifizieren müsse, und dann kein Geld dafür bereitstellt. Einer, der der Bahn während Corona-„Lockdown“ applaudiert, weil diese durchfährt, und davon redet, dass jetzt mehr investiert werden müsse, vor allem in Service, und dann Wochen später das schlechte Konzernergebnis dafür benutzt, der Bahn zu erzählen, dass sie doch bitte bei Personalkosten sparen solle. Ein Verkehrsminister, der sich dafür feiern lässt, eine fahrrad- und zufußgehendenfreundliche StVO-Novelle zu bringen, um dann nachher einen Formfehler dafür zu benutzen, vieles wieder zurückzudrehen. (Sorry, ich weiß, dass Fahrrad hier ein Taboo ist, bin schon ruhig.)


    Dieser Mensch lässt sich nun also für ein Konzept, dessen Umsetzung wirklich teuer würde und dessen exakter Nutzen bezweifelt werden darf, feiern. Ich ahne schon, was passiert, wenn es ans Eingemachte geht.


    Warum bezweifle ich den Nutzen? Ich folge hier der Einfachkeit halber mal grob einem Gedankengang, den ich dazu bei @koelschlenny auf Twitter gefunden habe (tl;dr: Das ist eine teure Nebelkerze, die schlecht durchdacht ist und Details beinhaltet, die auf Unverständnis im Ministerium hinweisen):

    • Ein lang laufender Tagzug wäre sehr anfällig gegenüber Störungen im Netz, und wenn nicht sehr viele Zeitpuffer eingeplant werden, würden vorzeitige Fahrtenden zum Alltag gehören
    • Die Technik. Neben verschiedenen Sicherungssystemen gibt es auch alle möglichen anderen Hürden, so gibt es unterschiedliche Anforderungen zwischen den Unterseetunneln in Dänemark und den Unterbergtunneln in der Schweiz. Es gibt unterschiedliche Stromsysteme. Es gibt eventuell Neigetechnik. All diese Einrichtungen müssen bei langen Läufen einen Großteil der Strecke ungenutzt mitgeschleppt werden, erzeugen aber dennoch Kosten (sowohl Kapitalkosten: die Fahrzeuge sind teurer, als auch Opportunitätskosten: da, wo der Schaltschrank für die ATC in Dänemark, der Schrank für die Knallkapseln in Frankreich und der für die Elchflinte in Norwegen sind, kann niemand sitzen). Der Betrieb dieser Züge wird also immens teuer.
    • Damit verbunden steigt auch die Ausfallwahrscheinlichkeit. Kann man in Paris testen, ob die Polen-Ausrüstung funktionieren wird? (Wenn ja: was macht man? Bis Frankfurt (Oder) fahren? Jede beteiligte Bahn muss an den Grenzen Ersatzzüge bereithalten, damit der inländische Zuglauf nicht ausfällt, was die Kosten nochmal erhöht.
    • Das Problem, das gelöst wird, ist vielleicht das falsche. Wenn in Fulda am ZZA „Barcelona Sants“ steht, ist das vielleicht toll, aber für die wenigstens Menschen hilfreich. Viel wichtiger wäre es, verlässliche und bequeme Umstiege zu schaffen, und Verbindungen komplett durchbuchbar zu machen, inklusive Fahrgastrechte auf dem ganzen Weg. (Bei bequemen Umstiegen sollte meiner Meinung nach auch ein sorgenfreier Gepäckumstieg mitgedacht werden.) Verlässliche Verknüpfung zwischen Taktsystemen hätte den weiteren Vorteil, dass Verspätungen nicht sehr schlimm sind: Wenn ich von Warschau nach Berlin, von Berlin nach Lyon und von dort nach Barcelona jeweils einen Stundentakt hätte, meine Fahrkarte im Verspätungsfall von der polnischen Grenze dann auch noch in Frankreich für den Zug drei Stunden später gölte, und auch mein Gepäck immer noch verlässlich weitertransportiert würde, würden sowohl meine Reiseplanung flexibler werden als auch mein Fahrerlebnis entspannter werden, weil ich mir mit zwei Stunden Verspätung in Mannheim nicht Gedanken machen müsste, ob die Franzosen den Zug überhaupt noch annehmen, und ob er heute noch weiter als Montpellier kommt. (Die Fahrgastrechtecharta so anzupassen, dass ab 1000 km die Rückzahlungen erst bei den doppelten Verspätungszeiten anfallen, wäre möglich und m.E. vertretbar.)
    • Insgesamt machen TEEs die nationalen Takte kaputt – entweder, weil sie zusätzlich fahren, oder weil sie sich nur unzuverlässig in den vorhandenen Takt einfügen; sie machen außerdem nationale Linienkonzepte und Umlaufpläne mindestens komplizierter. Es gäbe auch nur wenige Züge auf jeder Relation, vielleicht einen.
    • Der Knaller im BMVI-Paper ist der tolle Anschluss vom Nachtzug Toulouse-Paris an Paris-Warschau. Hier wird also in einem tollen großen Paneuropäischen Konzept eine Metrofahrt im Berufsverkehr durch Paris als Teil einer entspannten Reisekette angepriesen. Das sieht vielleicht auf irgendeinem Papier toll aus, aber es ist fragwürdig, dass das auf viele zusätzliche Personen attraktiv wirkt.
  • Und als Kritik darauf eingehend:

    • Wie zu erwarten war, ist die Konzeption fast ausschließlich Deutschland-zentralistisch. Ein bischen Feigenblatt-ähnlich gibt es eine Route Amsterdam - Paris - Lyon - Barcelona, aber das wars auch schon.
    • Mit zwei täglichen Zugpaaren pro Route - TEE und TEEN, teils mit unterschiedlichen Läufen - ist das Gesamtkonzept sehr, gelinde gesagt, sparsam. Durch Überlappung kommen auf ein paar Streckenabschnitten - natürlich in Deutschland - vier bis fünf Zugpaare zusammen.
    • Die Darstellung scheint sehr darauf fokussiert, gewisse Infrastrukturprojekte zu verkaufen. Inklusive Deutschlandtakt-Investitionen.
    • Peripheriehalte in Kopenhagen, Hamburg, Frankfurt, Strasbourg und Mailand, teilweise Umfahrung von Paris... aber Hauptsache der Anschluss zur Fährverbindung nach Mallorca (... mit fünf Stunden Übergangszeit) wird erwähnt.
    • "Vorschlag: Gründung einer Gesellschaft durch SNCF und DB" als eigenständiges EVU, das sämtliche Leistungen bei den Muttergesellschaften einkauft. Als Fahrzeuge "geeignet" sind natürlich nur Velaro und TGV. Wenn der TGV für Polen zugelassen wird.
  • Peripheriehalte in Kopenhagen, Hamburg, Frankfurt, Strasbourg und Mailand, teilweise Umfahrung von Paris... aber Hauptsache der Anschluss zur Fährverbindung nach Mallorca (... mit fünf Stunden Übergangszeit) wird erwähnt.

    Vor allem aufgefallen ist mir Basel, wo der SBB ausgelassen wird. Und dann wird erzählt, wie gut das in die nationalen Taktfahrpläne passen würde. (On se bobbes se robbers, würde ich da mal sagen.) Die Schweizer werden ein solches Konzept sicherlich mit offenen Armen empfangen (und in den Papierkorb schmeißen).

  • Vor allem aufgefallen ist mir Basel, wo der SBB ausgelassen wird.

    Ich fand vor allem Krimmeri-Meinau anstelle Strasbourg belustigend.


    Das hier ist Krimmeri-Meinau. Ein S-Bahn-Halt - mit 230m-Bahnsteigen - der Ortenau-S-Bahn an der Strecke Strasbourg - Offenburg mit Verknüpfung zur Straßenbahn. Das ist ein bischen wie wenn man in Frankfurt in Niederrad halten würde um unter Umgehung des Hauptbahnhofs über die Gütergleise Richtung Höchst abzubiegen.


    Bei Mailand schafft man es den früher mal als Expresshalt gedachten Bahnhof Lambrate aus der Tasche zu zaubern. Die "lowcost Eurostar" der Trenitalia hielten dort bis 2004. Bei den Nachtzügen, die man hier flügelt und teils nach Osten Richtung Verona abbiegen läßt, würde das ja noch Sinn machen, aber alle anderen Züge der Verbindung über Mailand fahren dann anschließend durch den einzigen "richtigen" Mailänder Fernverkehrsbahnhof Rogoredo durch...

  • Wenn in Fulda am ZZA „Barcelona Sants“ steht, ist das vielleicht toll, aber für die wenigstens Menschen hilfreich.

    Ich verstehe deine Hintergrundgedanken. Rein aus Fahrgastsicht ist es aber ein Komfortmerkmal nicht umsteigen und das Gepäck durch die Gegend wuchten zu müssen. Würde man bspw. Frankfurt - Marseille wieder brechen, würde man damit den ein oder anderen Kunden vergrätzen, der womöglich zum ohnehin schnelleren Flieger greift.

  • Rein aus Fahrgastsicht ist es aber ein Komfortmerkmal nicht umsteigen und das Gepäck durch die Gegend wuchten zu müssen.

    Nun, das Problem mit dem Gepäck sehe ich durchaus auch, siehe oben. (War ein zu langer Post, sorry.) Umsteigen ist beim Fliegen kein Problem, eben weil man sich dabei um das Gepäck keine Gedanken machen muss. Man könnte also Wagen einführen, die nur für Gepäck da sind. Als Gattungsbuchstaben würde ich D vorschlagen… *SchütteltSichAusSeinemTagtraumRaus*


    Ich glaube, eine sichergestellte Durchbindung und Durchbuchbarkeit mit sichergestellten Fahrgastrechten würde die Gepäckproblematik für viele potentielle Nutzer*innen überwiegen. Meine Aussagen sollen auch kein Plädoyer gegen alle langen Internationalen Verbindungen sein! Es muss aber eine Abwägung zwischen den Nutzen und den Risiken (wieder: siehe oben) stattfinden, und Alternativen sollten betrachtet werden.

  • Es liest sich inzwischen wie ein AMTRAK-System für Europa, mit Halten in der Peripherie der eigentlichen Zielorte? Wer braucht denn sowas?

    Noch besser: Bei AMTRAK gibt es "wenigstens" keine leidige Konkurrenz, deren Verbindungen man scheinbar abgreifen möchte.


    Beispiel: TEE 5/6.

    14:45 > Lyon St. Exupery

    16:15 > Montpellier

    19:15 > Barcelona Sants


    Es gibt momentan zwischen Lyon und Barcelona genau einen durchgehenden Zug täglich, AVE 9743 der RENFE. Der fährt:

    14:28 > Lyon Part Dieu

    16:27 > Montpellier

    19:33 > Barcelona Sants


    (die zeitliche Beschleunigung beim TEE dürfte durch Nutzung neuer Infrastruktur im Raum Nimes entstehen)


    Den im Dokument angegebenen Anschluss nach Madrid verpasst man übrigens mit einer Ankunft 19:15 Uhr. Der fährt punktgenau 19:00 Uhr. Aber vielleicht stellt man sich das ja so vor, dass wenn man der RENFE schon die Fahrgäste klaut dann kann die doch bitte auch gleich zwischen Barcelona und Madrid schön passend eine Nonstop-Verbindung ohne Milchkannenhalte hinstellen (gibt es, fährt zwei Stunden früher...).

    Einmal editiert, zuletzt von kato ()

  • Zugsicherungssystem werden kein problem sein - es wird mit ETCS Führerstandssignalisierung

    gefahren. Das ist einheitlich.

    Hauptdrehpunkt wird die Systemstabilität sein....und teilweise muss man sich Gedanken machen

    was man macht wenn baustellenbedingt eine Umleitung längere Zeit stattfindet, die die Fahrzeit

    deutlich verlängert.

    Liest man so die Bahnhöfe, könnte man meinen das hat Scheuer selbst (aus einem Autoatlas ab)ge-

    schrieben xD


    PS: Mich wundern die extremen Gepäckkontrollen für eine Eurostarfahrt....fährt man mit dem Auto-

    verlad durchn Tunnel...da kann viel Kram im Kofferraum oder sonst wo stecken der nicht durchleuchtet

    ist....

    In god (an invention by mankind) we trust - on earth we don't


    Sincerly yours, NSA
    powered by US government

  • Zugsicherungssystem werden kein problem sein - es wird mit ETCS Führerstandssignalisierung

    gefahren. Das ist einheitlich.

    Ja gut, im Jahr 2080 schon. Vorher wäre ich mir da nicht so sicher.


    Aber Scherz beiseite, ich meine mich daran zu erinnern, dass ETCS dann doch wieder nationale Erweiterungen hat / braucht, und auch wenn diese „nur“ softwareseitig sind, wird das Kosten verursachen.

  • PS: Mich wundern die extremen Gepäckkontrollen für eine Eurostarfahrt....fährt man mit dem Auto-

    verlad durchn Tunnel...da kann viel Kram im Kofferraum oder sonst wo stecken der nicht durchleuchtet

    ist....

    Autos werden bei Le Shuttle wie an Grenzübergangsstellen üblich stichprobenweise rausgezogen.

    LKWs bei Freightlink werden automatisch vollständig durchleuchtet, Güterzüge ebenso.

  • ...deswegen ja....beim Auto mal Stichprobe und beim Zugfahrgast "quasi Generalverdacht"

    Ich finde das etwas überzogen - da reichen auch Stichprobekontrollen - ohne Durchleuchtung

    (=Koffer auf)...spart Kosten

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  • ...deswegen ja....beim Auto mal Stichprobe und beim Zugfahrgast "quasi Generalverdacht"

    Ich finde das etwas überzogen - da reichen auch Stichprobekontrollen - ohne Durchleuchtung

    (=Koffer auf)...spart Kosten

    Das ist teilweise schon innerhalb des Schengenraums so, zumindest mache ich dies am Beispiel Kehl fest. Wenn du ohne Kontrolle über die Grenze möchtest, am besten diese per Auto, zu Fuß oder Rad überqueren. Per Tram, Eisenbahn oder Fernbus erhöhst du automatisch die Wahrscheinlichkeit kontrolliert zu werden, wenn natürlich auch nicht so umfangreich wie zw. Großbritannien und Frankreich.