Unter der Überschrift „Vorschlag für ein europaweites Nachtzugnetz“ stellt die Grüne Bundestagsfraktion ein fünfseitiges Thesenpapier zu Nachtzügen in Europa vor, als Teil der Bahnstrategie „Einfach Bahnfahren“, über die wir ja schon um den Jahreswechsel herum diskutiert haben. Verknüpft ist ein Aufruf, sich mit Ideen einzubringen. Die fünf Kernforderungen:
Transeuropäisches Streckennetz, das europäische Metropolen und Urlaubsregionen verbindet
Deutschland als zentral gelegenes Land in der EU ist prädestiniert, eine Führungsrolle beim Aufbau eines europäischen Nachtzugnetzes zu übernehmen und auf europäischer Ebene darauf hinzuwirken, dass länderübergreifend benötigte Trassen zur Verfügung gestellt und verlässlich bedient werden. Die Europäische Eisenbahnagentur (European Rail Agency, ERA) hat - angelehnt an die Zivilluftfahrt - ein „Eurocontrol für die Schiene“ als Koordinationssystem für den internationalen Bahnverkehr vorgeschlagen. Bisher steht hierbei der Güterverkehr im Fokus, künftig sollten auch Nachtzüge einbezogen werden. Ein „Eurocontrol Schiene“ würde bei Trassenzuteilung und der Harmonisierung technischer Regeln, die oftmals Hemmschuhe für Nachtzüge bedeuten, unterstützen.
Komfortable, schnelle und leise Nachtzüge
Unsere fünf Forderungen für ein europäisches NachtzugnetzDie Beschaffung von schnellen Hochgeschwindigkeits-Nachtzügen mit 200 bis zu 250 km/h und einheitlichen Standards sollte über die EU koordiniert werden. Einige Züge nach Spanien/Portugal und Russland oder die Ukraine müssen umspurbar sein (vermutlich bieten sich aufgrund der Interoperabilität in der Mehrzahl lokbespannte Traktionen an). Die Züge brauchen eine europaweite Zulassung. Bei der Finanzierung des Rollmaterials könnte die Europäische Investitionsbank (EIB) eine wichtige Rolle übernehmen. Seit mehr als 50 Jahren ist die EIB die internationale Entwicklungsbank der Europäischen Union. Mit ihren Investitionen fördert sie Projekte für nachhaltiges Wachstum und Klimaschutz. Die Züge sollten zu reduzierten Kosten an interessierte Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) vermietet werden. Die Fahrzeuge können einheitlich beschafft und von den Herstellern gewartet werden. Es sollte einen Innovationswettbewerb für die Innenausgestaltung der Züge geben. Neben verschiedenen, angenehm gestalteten Komfortklassen muss auch die Möglichkeit der Fahrradmitnahme berücksichtigt werden.
Kundenfreundliche Buchungsplattform
Damit Züge unternehmensübergreifend gebucht werden können, müssen alle beteiligten Bahnunternehmen an einer einheitlichen Buchungsplattform und einer Datenschnittstelle teilnehmen. Alle kundenrelevanten Informationen müssen zur Verfügung gestellt werden, insbesondere Echtzeitdaten. Richtig attraktiv wird der Nachtzug erst, wenn auch Züge im Vorlauf und Nachlauf des Nachtzugs in einem Ticket als Durchgangsticket gebucht werden können, damit die Passagiere ihre EU-Fahrgastrechte zur Nutzung alternativer Züge bei Verspätung in Anspruch nehmen können. Hierfür bedarf es verbindlicher Regeln zur Aufteilung der Fahrpreiserlöse auf mehrere Eisenbahnverkehrsunternehmen oder zur Nutzung alternativer Züge bei Verspätungen (Weiterentwicklung des „Gemeinsamen Internationalen Tarifs“ - TCV). Wir wollen auch, dass Rabattkarten wie die BahnCard gültig sind, damit Nachtzugfahrten zu besonders attraktiven Preisen angeboten werden können.
Grenzkosten für die Nutzung der Schieneninfrastruktur
Auf vielen der von uns dargestellten Verbindungen besteht noch großes Potenzial für deutlich kürzere Fahrzeiten. Denn vielerorts in Europa wird an Aus- und Neubaustrecken geplant und gebaut. Mit dem Brenner-Basistunnel und einer schnellen Alpentransversale schrumpft beispielsweise die Entfernung Berlin-Rom von 14 auf 12 Stunden. Zudem wollen wir auch die Trassen- und Stationspreise für Nachtzüge auf Grenzkosten-Niveau senken, damit die Verbindungen wirtschaftlicher und die Ticketpreise günstiger werden.
Faire Wettbewerbsbedingungen zwischen Flugzeug und Schiene
Nachtzüge sollen für jedermann und jederfrau attraktiv sein. Wer klimafreundlich etwas länger unterwegs ist, soll dafür nicht auch noch draufzahlen. Derzeit wird der internationale Flugverkehr steuerlich enorm bevorzugt: Airlines bezahlen keine Mineralölsteuer auf Flugkerosin und internationale Flugtickets sind sogar von der Umsatzsteuer befreit. Diese Wettbewerbsverzerrungen müssen dringend korrigiert werden. Wir brauchen günstige Tickets, die mit Flugpreisen konkurrieren können. Durch passende Angebote für jeden Geldbeutel kann es gelingen, Nachtzüge preislich attraktiv zu machen.