Zugfunkstörung - kein Bahnbetrieb in großen Teilen Norddeutschlands

  • Zwei Zitate von Volker Wissing: "Wir wissen, das an zwei unterschiedlichen Standorten in Deutschland die Kabel vorsätzlich durchtrennt worden sind." Und weiter: "Klar ist, dass sich um ein gezieltes und mutwilliges Vorgehen handelt." Nach drei Std. Ausfall funktioniert das GSM-R wieder und die Bundespolizei hat die Ermittlungen aufgenommen (Q).

  • dennoch frage ich mich, gibt es denn keine Redudanz bei solch wichtigen Systemen?

    Sicherlich gibt es eine Redundanz. Diese ist aber einerseits auf technisch bedingte Ausfälle ausgelegt und nicht unbedingt auf vorsätzliche Anschläge und andererseits hat die Redundanz auch Grenzen. An zwei Stellen die Kabel zu kappen, war dann wohl mindestens eine Stelle zu viel.


    Bedenklich an der ganzen Sache ist nur, dass man mit dem GSM-R hier einen neuen "Single Point of Failure" erschaffen hat: Die Neubaustrecken mit ETCS Level 2 benötigen GSM-R für die "Movement Authorities". Ortsfeste Signale und PZB haben diese Abhängigkeit nicht.

  • Das lokale GSM-R Netz war anscheinend nicht ausgefallen, sondern die Kommunikation zwischen den Teilnetzen. Daraus lässt sich aber schon schließen, daß die Teilnetze untereinander nur in einem Ring verbunden sind. Das ist zwar in Daten / Übertragungsnetzten nicht unüblich, bietet aber eben nur Schutz für einen Fehler.

    Zumal DB ja genügend eigene Kabel verlegt hat.

  • Der Spiegel schreibt, am „frühen Samstagmorgen dann wurde bei Berlin-Karow ein weiterer Schacht geöffnet und das dortige Datenkabel durchtrennt. Dieses diente zu der Zeit als Back-up für die bei Herne durchtrennte Datenleitung.“
  • Bedenklich an der ganzen Sache ist nur, dass man mit dem GSM-R hier einen neuen "Single Point of Failure" erschaffen hat: Die Neubaustrecken mit ETCS Level 2 benötigen GSM-R für die "Movement Authorities". Ortsfeste Signale und PZB haben diese Abhängigkeit nicht.

    ganz offensichtlich hat ETCS damit exakt nichts zu tun, denn auch ohne ETCS führt ein Ausfall von GSM-R zu einem totalen Zugausfall. Und auch ETCS fällt zur sicheren Seite um: kein Netz, keine Fahrt.

  • Aus den Beiträgen würde ich das so verstehen: bei GSM-R Ausfall

    - unter ETCS sofort stehen bleiben

    - ohne ETCS Fahrt bis zum nächsten Bahnhof, sofern die Signale auf Fahrt stehen


    Ist das so korrekt?

  • ganz offensichtlich hat ETCS damit exakt nichts zu tun, denn auch ohne ETCS führt ein Ausfall von GSM-R zu einem totalen Zugausfall.

    Es gibt keine technischen Gründe, weshalb ein Ausfall von GSM-R zu einem Zugausfall mit herkömmlicher Zugsicherung führen soll.


    Bis vor wenigen Jahren gab es nur analogen Funk in größeren Bahnhöfen. Entlang der freien Strecke standen alle paar hundert Meter Fernsprecher (also Telefone, auf Nebenstrecken gerne noch OB-Geräte mit Kurbelinduktoren), insbesondere vor Punkten, an denen eine Kontaktaufnahme sehr wahrscheinlich ist, wie vor Hauptsignalen und Bahnübergängen.


    Nachdem ein Zug ein Blocksignal passiert hatte, gab es also keine Möglichkeit mehr diesen Zug zu erreichen und gegebenenfalls einen Nothaltauftrag absetzen zu können, bevor das nächste Blocksignal erreicht wurde.


    Die Deutsche Bahn erachtet dies heutzutage als einen unhaltbaren Zustand und hat daher entsprechende Dienstanweisungen erlassen, die besagen, dass der Zugverkehr nur stattfinden darf, wenn die Züge stets erreichbar sind.


    Sicherlich ist das vor gewissen Hintergründen sinnvoll: Es gab Zugunglücke in der Vergangenheit, da wusste man mehrere Minuten vorher schon, dass es passieren wird, aber man hatte keine Möglichkeit mehr einzugreifen.


    Unabhängig davon, wie gesagt, es handelt sich um keine technischen Gründe.

    Und auch ETCS fällt zur sicheren Seite um: kein Netz, keine Fahrt.

    Das ist korrekt. Nur mit dem Unterschied, dass ETCS Level 2 zwingend GSM-R braucht.


    Ein großflächiger, dauerhafter Ausfall von GSM-R, wäre bei konventioneller Zugsicherung einfach durch Änderung der Dienstanweisung handhabbar. Bei ETCS wäre das eine Katastrophe.


    Offenbar hast du meinen Einwand nicht so verstanden, wie es gemeint war: Früher waren die einzelnen Teile des Bahnnetzes weitgehend autark: Mechanische Stellwerke in benachbarten Bahnhöfen hatten keine gegenseitigen Abhängigkeiten. Außer Blocksicherung und Fernsprecher gab es da keine Leitungen dazwischen - und das war simple Technik. Und selbst diese Fernsprecher funktionierten mit einer Batterie, die brauchten nicht einmal ein Stromnetz. Die Blocksicherung hat ihre Betriebsenergie sogar der Muskelkraft der Bediener entnommen. Die Zugsicherung (PZB) funktioniert ebenfalls ohne lokale Stromversorgung, früher hatten Formsignale Propangaslaternen, da lag kein Kabel.


    Heute bestehen hingegen massive Abhängigkeiten: Einerseits steuert eine Betriebszentrale viele Stellwerke, fast jedes moderne Stellwerk steuert mehrere Bahnhöfe und entlang der Strecken liegen große Kabelkanäle mit sehr vielen Leitungen über mehrere Kilometer Länge. Die Strecken führen durch Felder und Wälder und nachts ist es dunkel. Will heißen: Das kann kein Mensch beschützen.


    Ja, es gibt Redundanzen: Aber diese sind, wie gesagt, auf technische Fehler ausgelegt. Da liegt das Kabel des elektronischen Stellwerks links vom Gleis im Kabelkanal und die Backupleitung liegt rechts vom Gleis im Kabelkanal (einfach gesagt). Wenn da warum auch immer eine Verbindung ausfällt, ist die andere noch "da". Wenn man da aber mutwillig eine Sabotage herbeiführen will, ist das absolut kein Hindernis.


    Sollte es zukünftig erforderlich werden, die Redundanz auf solche mutwilligen Sabotageakte hin auslegen zu müssen, wird es viel komplexer und natürlich teurer.

  • Aus den Beiträgen würde ich das so verstehen: bei GSM-R Ausfall

    - unter ETCS sofort stehen bleiben

    - ohne ETCS Fahrt bis zum nächsten Bahnhof, sofern die Signale auf Fahrt stehen


    Ist das so korrekt?

    Nein. Die Notwendigkeit zur Komplett-Stilllegung des Verkehrs war eigentlich nicht notwendig. Eine PM erklärt das recht anschaulich:

    Quelle: https://www.lok-report.de/news…r-ausfall-ein-unding.html


    Bei reinen ETCS Strecken ohne PZB muss in der Tat sofort angehalten werden bis der Befehl vom Fahrdienstleiter für Fahren auf Sicht (Vmax 50 km/h) erfolgt.


  • Die Gedanken die zip-drive und auch in dem von Forumstroll verlinkten Artikel beschrieben werden hatte ich auch.
    Nur ist es ein Unterschied, ob zufällig zeitgleich das eine Kabel durch Blitzschlag unbrauchbar wird, das andere, redudante Kabel durch "Baggerführer Willibald" durchtrennt wird, beides erkennbare Verursacher hinter denen keine Sabotage steckt. Oder aber wie im vorliegenden Fall Sabotage, bei der nicht bekannt ist, ob dies nur eine erste Stufe weiterer Sabotage Akte ist, die sich aus dem ersten Ereignis aufbauen, wenn der Zugverkehr trotz
    ausgefallenem GSM-R aber mit öffentlichem Mobilfunknetz weiter betrieben wird.

  • Alwin Meschede, vielleicht einigen bin diversen Trinkspielen zu Eisenbahnunfalluntersuchungsberichten auf YouTube bekannt, hat sehr schön und wir immer fundiert dargelegt, was kaputt gegangen ist und warum dann nichts mehr ging: Hier sein Video.


    Dass die Privatbahnen sich Mal wieder darüber beschweren, dass das Pöhse Staatsunternehmen alles genau falsch gemacht hat, ist... erwartbar. Aber mit dem Informationen aus dem Video darüber, was genau passiert ist, halt auch einfach schlecht informiert.

  • Dass die Privatbahnen sich Mal wieder darüber beschweren, dass das Pöhse Staatsunternehmen alles genau falsch gemacht hat, ist... erwartbar. Aber mit dem Informationen aus dem Video darüber, was genau passiert ist, halt auch einfach schlecht informiert.

    Ich denke, dass die Privatbahnen ihre Kritik schon mit Bedacht geäußert haben. Wenn man deren Pressemitteilung gelesen hat, erfährt man, dass aus deren Sicht die Erreichbarkeit über das normale Mobilfunknetz ausreichend ist.


    Man muss anderen Unternehmen durchaus zugestehen zu anderen Bewertungen zu kommen. Offenbar haben die Güterbahnen eine andere Sicht auf die Sicherheitsaspekte von GSM-R als die DB.


    Dass die DB offenbar aktiv die anderen Unternehmen daran gehindert hat zu fahren, war deren Kritikpunkt. Wenn der DB-Konzern sagt, dass ihre eigenen Züge nicht fahren, ist das eine andere Sache, als wenn sich die DB weigert die Fahrten der anderen Unternehmen, die nichts mit der DB zu tun haben, stattfinden zu lassen.


    Im Übrigen scheint es so zu sein, dass die Privaten GSM-R vorrangig nur für die Kommunikation mit den Fahrdienstleitern nutzen. Die normale Kommunikation erfolgt über die dienstlichen Mobiltelefone der Mitarbeiter - was auch völlig sinnvoll ist, die HLB, VIAS oder wer auch immer (um Beispiele hier aus der Region zu nennen, auch wenn nicht von diesem Ausfall betroffen) will vielleicht auch dann ihre Mitarbeiter erreichen, wenn diese nicht in Reichweite des bahninternen Netzes sind. Umgekehrt nutzen die DB-Unternehmen GSM-R im stärken Umfeld. Es kann daher sein, dass für die DB GSM-R als unverzichtbar erscheint, weil die Alternative über das normale Mobilfunknetz mit den vielen Mitarbeitern offenbar für die DB schwierig zu handhaben ist.


    Außerdem sollten wir nicht vergessen, dass es auch Bahnstrecken gibt, die nicht der DB gehören und die gar keine GSM-R-Abdeckung haben und dennoch dort täglich sicherer Zugbetrieb stattfindet!

  • Wenn man deren Pressemitteilung gelesen hat, erfährt man, dass aus deren Sicht die Erreichbarkeit über das normale Mobilfunknetz ausreichend ist.

    Wer natürlich auch nach Verweis auf eine gute Erklärung dennoch von falschen Gegebenheiten ausgeht, so wie du gerade, ist nicht einfach nur schlecht, sondern mutwillig schlecht informiert. Siehe ca Zeitstempel 04:10 im Video von Alwin. 🤷🏻‍♀️


    Wenn der DB-Konzern sagt, dass ihre eigenen Züge nicht fahren, ist das eine andere Sache, als wenn sich die DB weigert die Fahrten der anderen Unternehmen, die nichts mit der DB zu tun haben, stattfinden zu lassen.

    Welche Information genau fehlt dir hier zu einem intelligenten Beitrag? Jedes Unternehmen, das am Samstag betroffen war, hat was mit der DB zu tun: es benutzt die Infrastruktur und die damit verbundenen Dienstleistungen der DB Netz. Die Einstellung des Betriebes war keine Entscheidung der EVU aus dem Konzern DB, sondern von DB Netz, die keine eigenen Züge fährt.


    Wie stellst du dir das vor? Soll das bei Unfällen demnächst auch gemacht werden: nur die DB-Züge müssen warten, Flix darf am PU vorbeifahren?