Dresden, 11.09.2024: Carolabrücke teilweise eingestürzt

  • ich merke grade, dass ich den für dieses Forum relevanten Teil nicht erwähnt habe, der Artikel beginnt dann mit:

    Zitat

    In Dresden ist am frühen Mittwochmorgen ein großer Teil der Carolabrücke in die Elbe gestürzt. Betroffen ist laut Feuerwehr der Brückenteil, über den die Straßenbahnen fahren. Ein etwa 100 Meter langer Abschnitt liegt in der Elbe

    (Hervorhebung von mir)

  • Deutschland deine Brücken.


    Beim Thema Straßenbahn und zerbröselte Brücken denke ich auch an Ludwigshafen und Brandenburg/Havel.


    Zum Glück ist in Dresden die letzte Bahn ein paar Minuten vor dem Kollaps noch heil rüber und niemand direkt in Mitleidenschaft gezogen worden.

  • Leverkusener Rheinbrücke

    Rheinbrücke Neuenkamp

    Rahmendetalbrücke

    Salzbachtalbrücke

    [S] Rosensteinbrücke marode

    https://www.darmstadt.de/nachr…en-bruecke-am-nordbahnhof

    ....

    .....

    Wir sind erst am Anfang....

    Es wird in den nächsten 20-30 Jahren so weitergehen - frühestens dann ist der Sanierungsstau so weit aufgearbeitet

    Zwischenzeitlich wird es noch weitre Brückensperrungen geben....


    Auf Autobahnen habe ich in den letzten Jahren schon so viele Stellen gesehen wo Geschwindikeitsbegrenzungen

    mit "Brückeschaden" stehen...teils mit verschwenkten Spuren/abgesperrten Standstreifen. Und auch auf anderen

    Strassen ist dem so.

    Möchte man wirklich wirksam diese maroden Brücken bis zur Reapratur/Neubau schützen so müsste man zeitgleich

    "Section Control" aufstellen, da die LKWs die Geschwindigkeitsbegrenzungen durchweg ignorieren.

    Es ist unser Steuergelder/Staatssschulden die da kaputtgefahren werden.

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  • Ja,- an LU musste ich auch denken. SPON berichtet:


    SPON:

    Zitat

    ...Nur 18 Minuten vor dem Teileinsturz fuhr eine Straßenbahn über die Brücke. Die Straßenbahn sei um 2.50 Uhr über die Brücke gefahren, die Brücke sei um 3.08 eingestürzt....


    ....»Wir haben hier zu DDR-Zeiten massiven Chlorid-Eintrag gehabt«, sagte Holger Kalbe, Abteilungsleiter Brücken- und Ingenieurbauwerke bei der Stadt Dresden.

    An der Stelle, wo das Brückenteil in der Nacht einbrach, habe ein Mast der Verkehrsbetriebe gestanden. Es sei denkbar, »dass an der Stelle massiv die Chloride eingedrungen sind und dort im Inneren der Brücke zu einer Korrosion der Bewehrung geführt haben«, sagte Kalbe.....

    Ja, ja,- die Straßenbahn ist mal wieder schuld. ;-)

    Lasst endlich die Zweiachser wieder frei !

  • Etwas denkwürdig finde ich, dass es oft auch für die Fachleute relativ überraschend kam....

    Das ist wie bei vielen anderen Sachen auch. Du kannst nur aufgrund von Vorgaben und Erfahrungswerten eine Abschätzung treffen, ob das noch gut aussieht. Es kann aber gelegentlich mal direkt danach in die Hose gehen oder meistens auch nicht. Siehe MHD bei Lebensmitteln. Da weißt Du auch, dass eine gewisse Reserve vor dem Verderben dabei ist, aber ob Deine konkrete Packung zehn, zwanzig, hundert Tage noch genießbar ist und die zweite Packung direkt am Tag nach dem MHD umkippt, hmm...

  • Obwohl Holger Koetting mit dem Prinzip Recht hat, sollte es bei sowas wie einer Brücke natürlich gar nicht erst zum "Ablauf" kommen. Zumal laut dem Wikipedia-Artikel der entsprechende Brückenzug bei der letzten Hauptprüfung die Bewertung „nicht ausreichend“ (3,0–3,4) erhalten habe (Link, mit Bezug auf eine Quelle hinter einer Paywall). Wenn dann noch ein Experte der TU meint "da steckt man nicht drin", hört sich das für mich schon sehr fahrlässig an :/ Ich erwarte besonders nach Genua schon, dass Probleme frühzeitig erkannt und Maßnahmen eingeleitet werden, bevor etwas gravierendes passiert. Also beispielsweise Abstützung (wie bei der Hochheimer oder Rahmedetalbrücke – letztere übrigens auch Note 3,0) oder Sperrung. Salzbachtalbrücke, Schiersteiner oder jene in Niedernhausen sind auch nicht gleich komplett eingestürzt.

  • Ich finde das gewissermaßen beängstigend.

    Das liegt an der „falschen“ Bauweise. Bei der Carolabrücke handelt es sich um eine Spannbetonbrücke der frühen Jahre. Das Problem dieser frühen Spannbetonbrücken ist, dass man die Spannseile in der Brücke nicht kontrollieren kann. Man ging früher davon aus, dass die Spannseile, wenn sie einbetoniert sind, vor Korrosion geschützt wären. Tja, in der Realität hat sich gezeigt, dass dem nicht so ist. Durch Haarrisse dringt dennoch Wasser ein. Von besagter Carolabrücke ist bekannt, dass in der Vergangenheit Salzlauge vom Winterdienst wegen Brückenschäden in das Bauwerk eingedrungen ist.


    Neuere Spannbetonbrücken werden anders gebaut, so dass die Spannseile im verbauten Zustand einer Prüfung unterzogen werden können. Dieser Einsturz zeigt nur eines, dass man Brücken, die man nicht überprüfen kann, sich gar nicht leisten kann. Da bleibt nur der vorzeitige Abriss als Option.

  • Teil der Sanierung der U6 in Berlin ist auch der Ersatz einer Spannbetonbrücke deren Zustand man

    nicht bewerten kann: U6

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  • Wie John2 schrieb wurde neben der "falschen" konstruktiven auch die Bewehrung "falsch" - also mit zu wenig Beton bedeckt, sodass das eindringendes Wasser über Mikrorisse im Beton schneller die Bewehrung korrodieren lässt. Neben Tausalz kann bspw. auch der Kohlendioxid in der Luft die hohe Alkalität des Betons soweit reduzieren, dass die Bewehrung zu korrodieren beginnt.


    Durch die Causa Carolabrücke dürfte sich in naher Zukunft die Anzahl der im kritischen Zustand befindlichen Brücken, die mittels Tachymetrie überwacht werden, erhöhen.
    Ggf. werden Brücken schneller gesperrt weil die Schwellwerte für Maßnahmen kritisch geprüft werden.

    Ggf. werden die Richtlinien den Korrosionsschutz bei Spannelementen in den Spannbetonbrücken strenger normieren.

    4 Mal editiert, zuletzt von main1a ()

  • Wie John2 schrieb wurde neben der "falschen" konstruktiven auch die Bewehrung "falsch" - also mit zu wenig Beton bedeckt, sodass das eindringendes Wasser über Mikrorisse im Beton schneller die Bewehrung korrodieren lässt. Neben Tausalz kann bspw. auch der Kohlendioxid in der Luft die hohe Alkalität des Betons soweit reduzieren, dass die Bewehrung zu korrodieren beginnt.

    Das beschränkt sich aber nicht nur auf Brücken, sondern auch andere Bauwerke, und sei es nur irgendwelche Pfeiler. Da wird sich die Fragestellung ergeben, ob Sanierung sinnvoll ist, oder ob demnächst sehr viele Bauten abgerissen werden.

  • Das Problem dieser frühen Spannbetonbrücken ist, dass man die Spannseile in der Brücke nicht kontrollieren kann.

    Tatsächlich gar nicht? Oder gäbe es eventuell aufwändigere Methoden, die nur sehr kostenintensiv sind?


    Wir hatten es hier ja von "Erfahrungswerten", die als Grundlage herangezogen werden. Aber genau diese Erfahrungen sagen doch inzwischen, dass mehr (unsichtbar) beschädigt ist als man bisher annahm und das Risiko für ein Großversagen der Konstruktion hoch ist. Ich hab da kein gutes Gefühl.

  • Tatsächlich gar nicht? Oder gäbe es eventuell aufwändigere Methoden, die nur sehr kostenintensiv sind?

    Es müsste jedes einzelne Seil auf kompletter Länge überprüft werden. Auswirkungen treten nicht immer genau an der Schadestelle auf.

  • Tatsächlich gar nicht? Oder gäbe es eventuell aufwändigere Methoden, die nur sehr kostenintensiv sind?

    Das grundlegende Problem liegt, wie von Condor beschrieben, in der lediglich stochastischen Natur der Überprüfung von einzelnen Stichproben bei einer hochgradig lokalen Schadenstopologie: selbst bei enormen Bauwerken reden wir an dieser Stelle dennoch von Beschädigungen im cm-Bereich, die sich obendrein nicht notwendigerweise mit dem menschlichen Auge erkennen lassen.


    Mit hinreichender Sicherheit lassen sich solche Messungen also ausschließlich dann durchführen, wenn das komplette Spannseil freigelegt ist. Aus statischen Gründen stellt sich in einem solchen Fall allerdings die Frage nach Tragfähigkeit nicht mehr unbedingt, weshalb diese Methodik ausscheidet.


    Als Alternative hat sich im Bauwesen ein Monitoring-Konzept etabliert, bei dem versucht wird, neben der klassischen Rissbildung auch weitere Änderungen am physikalischen resp. chemischen Gesamtzustand des Bauwerks zu erfassen, die auf das Vorliegen eines Schadens schließen lassen. Einige solcher Komponenten (die dennoch in Gesamtheit nicht alle möglichen Schadensbilder abdecken) können sein:

    • Dehnungsmessungen (elektrisch / faseroptisch) und Rissbreiten-Überwachung (analog / digital)
    • akustische Messungen: Schallemissionsprüfungen, Ultraschall- und Radar-basierte Untersuchungen
    • Magnetfeld-Messungen (Resonanz, Streufeld) basierend auf dem signifikant unterschiedlichen Wellenverhalten an Bruchstellen; Mikrowellen wären auch sehr praktisch, Beton dämpft diese aber zu stark
    • Dichtemessungen, bspw. Durchstrahlung mit Radionukliden
    • Potentialmessungen, wobei das Verhalten von Strom und Spannung hier u.U. Aussagen über das Durchbruchspotential ermöglichen kann, nicht unbedingt jedoch über den Korrosionszustand

    Hierbei gilt es zu beachten, dass neben einer kristallinen Schädigung des Spannseils selbst (Chlorid-Korrosion, Wasserstoff-Versprödung) beispielsweise auch ein Halogenid-induzierter Lochfraß oder eine Beton-Carbonatisierung als mögliche Risikofaktoren ins Spiel kommen. Die letztgenannten sind immerhin von außen ersichtlich -- Spaß macht das alles dennoch leider nicht wirklich.


    Wir hatten es hier ja von "Erfahrungswerten", die als Grundlage herangezogen werden.

    Interessierte finden konkret zum Thema der Umsetzung dieser Erfahrungswerte bezogen auf Spannungsriss-Korrosion weiterführende Details unter dem Suchbegriff "Riss-vor-Bruch-Kriterium" bzw. beispielsweise bei der Bundesanstalt für Straßenwesen eine recht detaillierte Zusammenfassung der Problematik: BASt: Handlungsanweisung Spannungsrisskorrosion (2011)

    2 Mal editiert, zuletzt von Kerbowl ()

  • Tatsächlich gar nicht? Oder gäbe es eventuell aufwändigere Methoden, die nur sehr kostenintensiv sind?

    Die Prüfingenieure sagen es geht nicht. Praktisch sehe ich auch keine Möglichkeit.


    Der Naturwissenschaftler in mir denkt sich, dass man sicherlich Geräte konstruieren kann, mit denen man die Brücken prüfen könnte. Damit man eine Bildgebung bekommt, muss man zum Teil meterdicke Stahlbetonschichten und den zu untersuchenden Stahl selbst durchdringen. Das erfordert entsprechend hochenergetische Strahlung, die dann selbst zum Problem wird. Das Beispiel Berliner BVG U-Bahnbrücke zeigt dann sehr eindrücklich wo die Probleme lägen. Man müsste ähnlich wie bei einer Bombenentschärfung weiträumig das Gebiet absperren, so dass niemand verstrahlt wird. Aktuelle Brückenprüfungen erfolgen im laufenden Betrieb. Die verwendeten Geräte gefährden weder Bediener noch Umgebung. Bei so einem theoretischen Brückenscanner wäre das nicht mehr der Fall.


    Es gibt (nennen wir es der Einfachheit) „PKW-CTs“ mit denen man komplette PKWs inklusive der Motorblöcke in 3D röntgen kann. Da kann man sogar Haarrisse im Motorblock erkennen. Mercedes-Benz betreibt eine Anlage, die während des Crashtests die PKWs mit Röntgenstrahlung (9 MeV) durchleuchtet. Die Strahlungsquelle ist ein Linearbeschleuniger. Schon bei diesen Geräten ist es notwendig, diese wegen der sehr hohen Strahlungsenergie entsprechend abgeschirmt zu betreiben. Alternativ käme wohl auch die Neutronentomographie in Betracht. Das Problem bei dieser ist, dass sie üblicherweise stationär an einem Forschungsreaktor mit hohem Neutronenfluss erfolgt. Die notwendigen hohen Neutronenflüsse erzwingen bei kompakter Bauweise ein Betrieb mit hoch angereichertem Uran (235U), was häßlicherweise waffenfähig ist. Allein die Überlegungen zum Thema Terrorismus sollten einem davon abbringen einen Neutronen-Brückenscanner konstruieren zu wollen, das Missbrauchspotential wäre unermesslich.


    Wenn ich hier von Röntgenstrahlung schreibe, solltest Du Dir im Hinterkopf behalten, dass Physiker Röntgenstrahlung und Gammastrahlung nach ihrer Entstehung unterscheiden. Röntgenstrahlung entsteht bei der Beschleunigung bewegter Ladungen und Gammastrahlung entsteht direkt im Atomkern bei einem Zerfall oder dem Wechsel eines Kernisomers in seinen Grundzustand. Die Energiebereiche überlappen sich. Früher hat man eher nach der Energie unterschieden, nach dieser Definition beginnt bei 200keV die Gammastrahlung. Von Röntgenstrahlung spricht man üblicherweise jenseits der 100eV bzw. unterhalb 10nm Wellenlänge. (Das sichtbare Spektrum liegt zwischen 780nm (rot) bis 380nm (violett)). Typische medizinische Röntgengeräte arbeiten im Bereich oberhalb von 50keV und unterhalb von 200keV.


    Bei Zerfall des häufigsten natürlichen Uran Isotops 238U entsteht ein fast immer ein Alphateilchen mit 4,27MeV. Das nur als Vergleich um die 9MeV des Mercedes Geräts einordnen zu können. Will man so etwas im Freien betreiben ohne ausreichende Abschirmung? Ich habe da meine Zweifel.