Beiträge von Jojo

    Erst mal danke an Umlaufnummer dass er einen sachlichen Ton findet und ernsthaft versucht wenigstens einen Teilaspekt meiner Argumentation korrekt zusammenzufassen und zu analysieren ohne dabei Strohmänner anzuzünden. Selbiges hätte auch dem Beitrag direkt obendrüber (und vielen anderen hier) nicht geschadet.


    Ich denke dass Holger Koetting hier weder als Anhänger extremer Meinungen noch verfassungswidriger Ideen gilt. Wenn dieser sich nachdem jede einzelne seiner Bedenken gegenüber den von der GDL frei gewählten Streiktaktiken in eine vollständige Ablehnung des in Artikel 9 Absatz 3 GG verankerten Streikrechtes umgedeutet wurde aus der Diskussion zurückgezogen hat, dann glaube ich schon dass das etwas über die Diskussionskultur in diesem Thread aussagt, Ich verstehe nur zu gut warum ihm offensichtlich seine Zeit zu schade sein könnte um hier weiterzudiskutieren und bitte seht es mir nach dass ich es ihm jetzt (besser spät als nie) gleichtun werde. Mir ist meine mentale Gesundheit einfach wichtiger...

    Kurze Anmerkung zu meinen zwei letzten Beiträgen: Ich bin es gewohnt auf Foren mit unbegrenzter Editierzeit zu schreiben und viele Fehler fallen mir erst nach dem Klick auf "Antworten" auf. Hier sind mir schon mal zwei Fehler aufgefallen, welche ich leider nach Ablauf der Editierzeit nicht mehr beheben kann:


    Letzter Satz im ersten Beitrag:

    Trotzdem zeigt die Vielzahl an Gesetzen, welche die Ausübung des Streikrechtes regeln, und von Gerichtsverfahren, welche Gewerkschaften verloren haben, dass weder der Gesetzgeber als auch noch die Gerichte dem Streikrecht nicht automatisch Vorrang vor anderen Grundrechten einräumen.


    Erster Satz im zweiten Beitrag:

    Richard Lutz und Claus Weselsky verabreden sich zu einem Schaukampf um eine Einigung zu erzielen ("Gewinnst du Gewinne ich unterschreibst du mein Tarifangebot, gewinnst du unterschreibe ich deines").


    Wer ähnliche, offensichtlich unlogische Sätze findet welche sich mit nur geringfügigen Änderungen plötzlich zu einem logischen Gedanken fügen lassen, möge sie bitte entsprechend im Geiste korrigieren bevor er darauf antwortet. Ich selbst gelobe öfter Gebrauch von der "Vorschaufunktion" zu machen, um schon so viele Flüchtigkeitsfehler zu erkennen.


    Danke!

    Da sind wir der gleichen Meinung. Ich hängte mich nur an der Grundrechts-Frage auf.

    Das halte ich ebenfalls für technisch richtig, aber letztlich ist das wieder ein Framing, dass die Verantwortung einseitig auf die Gewerkschaft ablädt. Der Tarifkonflikt hat unsoziale Folgen insbesondere für arme Menschen.

    Situation 1: Richard Lutz und Claus Weselsky verabreden sich zu einem Schaukampf um eine Einigung zu erzielen ("Gewinnst du unterschreibst du mein Tarifangebot, gewinnst du unterschreibe ich deines").

    Ist dies ein Tarifkonflikt? Ja.

    Haben beide Tarifparteien Einfluss darauf wie dieser Tarifkonflikt ausgetragen wird? Ja.

    Werden durch diesem Tarifkonflikt die Grundrechte Dritter berührt? Nein.


    Situation 2: Die GDL ruft einen Streik aus. Es wird die Hälfte aller Schichten bestreikt. Die GDL verkündet ihre Streikabsicht eine Woche im Vorraus, sodass die DB drei Tage vor Streikbeginn einen Streikfahrplan herausgeben kann, in welchem auf allen Linien jede zweite Fahrt ausfällt.

    Ist dies ein Streik? Ja.

    Haben beide Tarifparteien Einfluss darauf wie dieser Streik ausgetragen wird? Nein, nur die GDL.

    Werden durch diesem Tarifkonflikt die Grundrechte Dritter berührt? Ja, aber deren Ausübung ist mit kleinen Anpassungen an die Mobilitätsgewohnheiten weiterhin uneingeschränkt möglich.


    Situation 3: Die GDL verkündet dass ab Übermorgen alle Mitglieder streiken. Kaum jemand weiß welche Züge noch fahren. Tausende Menschen stehen auf Bahnsteigen und warten auf Züge, die nicht mehr kommen.

    Ist dies ein Streik? Ja.

    Haben beide Tarifparteien Einfluss darauf wie dieser Streik ausgetragen wird? Nein, nur die GDL.

    Werden durch diesem Tarifkonflikt die Grundrechte Dritter berührt? Ja, durch den Wegfall jeglicher Planungssicherheiten ist es vielen Bürgern nicht mehr gesichert möglich, bestimmte Grundrechte auszuüben.


    Es ist folglich nicht der Tarifkonflikt, welcher Unbeteiligte bei der Ausübung ihrer Grundrechte beeinträchtigt, sondern die von der GDL gewählten Streiktaktiken. Für diese trägt einzig und allein die Arbeitnehmerseite die Verantwortung, da die Arbeitgeberseite hier nichts mitzureden hat.


    Hat, glaube ich, auch nie ernsthaft jemand behauptet, außer die jeweilige Gegenpartei. Zu einem Streit gehören immer Zwei.

    Trotzdem trägt jede Seite die alleinige Verantwortung für ihre Wahl der hierbei verwendeten Mittel.


    Nur ganz kurz: laß "die Politik" mit diesen Aussagen (auch mit diesen Formulierungen) Gesetze raushauen, die den Eisenbahnern das Streiken verbieten, weil wir ja so absolut unterrepräsentativ für die Bevölkerung sind und deshalb gefälligst immer und ständig einfach nur zu funktionieren haben, egal was die Arbeitgeberseite "anbietet" oder eben auch nicht.

    Es geht nicht darum irgendjemandem das Streikrecht zu verbieten. Es geht allein darum die Grundrechte und Interessen Unbeteiligter zu berücksichtigen. Und das bedeutet, die Verhältnismäßigkeit der gewählten Mittel zu beurteilen. Dass wenn 4.000.000 Menschen (ca. 5% der Bevölkerung) ihre Arbeit niederlegen der Alltag vieler Menschen gestört wird ist unvermeidlich und muss von diesen generell hingenommen werden. Ob dasselbe im selben Maße zutrifft wenn nur 40.000 Menschen streiken (diese aber normalerweise 10 Millionen Bahnfahrten pro Tag ermöglichen), ist eine ganz andere Frage. Die rechtliche Bewertung eines Eisenbahnausbauprojektes für welches 10 Menschen enteignet werden und umziehen müssen sieht ganz anders aus als für ein identisches Projekt, für welches dies auf 1.000 Menschen zutrifft. Solche Entscheidungen sind oftmals eine Art Nutzen-Kosten-Rechnung, bei der geschaut wird ob der Nutzen einer Maßnahme (also die Anzahl der Menschen welche profitieren, multipliziert mit dem durchschnittlich erzielten Nutzen dieser Menschen) dessen "Kosten" (also die Anzahl der Menschen für welche Nachteile entstehen, multipliziert mit dem durchschnittlich erlittenen Nachteil dieser Menschen) übersteigt und somit überwiegt. Nur durch diesen Interessenausgleich ist gesellschaftliches Leben und Freiheit überhaupt möglich und nichts anderes verlangt Artikel 2 unseres Grundgesetzes...


    Du ziehst Dir aber ziemliche vermeintliche Rechte heraus. Die GDL will dir keines dieser Rechte verbieten.

    Mein Recht ungehindert (d.h. mit dem allgemein vorhandenen Verkehrsangebot) Arbeit, Arzt, Religions- oder Demonstrationsstätten aufzusuchen ist genauso grundgesetzlich geschützt wie dein Recht ungehindert zu streiken. Die Frage ist was passiert, wenn deine Ausübung von Artikel 9 Abs. 3 GG mich bei der Ausübung von Artikeln 4,8,11,12 GG behindert, also die beabsichtigte Ausübung unserer Grundrechte im direkten Konflikt zueinander stehen...

    Zitat

    Es ist Dir zumutbar, dass Du: zu Fuß gehst, mit dem Fahrrad fährst, ein Taxi nimmst, einen Leihwagen besorgst, oder sogar eines der MIV-Verkehrsmittel (Moped, PKW, …) käuflich erwirbst.

    Stell dir vor du bist ein Bürgergeld-Empfänger, welcher sich vor Wochen eine Fahrkarte für 100 Euro gekauft hat, um von Frankfurt nach Berlin zu fahren, wo er einen seltenen Arzttermin für ein dringendes, seltenes und ernstes medizinisches Problem ergattert hat. Plötzlich erhältst du eine Email, dass deine Fahrt aufgrund eines Streikes ausfällt und dir die Fahrkarte erstattet wird. Woher nimmst du das Geld wenn jetzt der Flug schon 500 Euro kostet? Kannst du dir das Geld auf die Schnelle leihen (und überhaupt realistischerweise jemals zurückzahlen) oder musst du den Termin verschieben, auch wenn es Monate dauern kann bis du einen neuen Termin bekommst. Solche Fall sind natürlich selten, aber kommt bei 10 Millionen Bahnfahrten pro Tag (die DB zählt jährlich 808 Millionen Fahrgäste im Regional- und 68 Millionen im Fernverkehr) doch zwangsläufig und sicherlich in erschreckender Zahl vor.


    Auf solche Leute muss dein "Dann sollen sie halt Taxi fahren" als fast so überprivilegiert und von der Lebensrealität der breiten Bevölkerung entrückt wirken wie Marie Antonettes' berüchtigtes "Dann sollen sie halt Kuchen essen!"...

    Das ist richtig. Nun müsstest du nachweisen, dass irgendjemand ein Grundrecht auf Transport mit der Eisenbahn hat. Mal sehen:

    Oh guck kein einziger Punkt davon sagt, dass man mit der Eisenbahn reisen können muss. Jeder einzelne Punkt besteht daraus, dass es für die Ausübung mancher Grundrechte nötig sein kann, unterwegs zu sein.

    Mir geht es um nichts anderes als dass es in der aktuellen GDL-Streikrunde einen Konflikt zwischen der Ausübung des Grundrechtes der Lokführer auf Streik und der Restbevölkerung auf die Ausübung anderer Grundrechten gibt. Die Frage ist wie wir diesen Konflikt lösen. Zwischen den Extremen "Streikrecht geht immer vor" (Jede Fahrt kann kurzfristig ausfallen weil sich der streikende Lokführer einfach und ohne jede Ankündigung nicht zur Arbeit erscheint) und "Freie Fahrt für freie Bürger" (Die Streikabsicht muss für jede Fahrt einzeln angemeldet werden und jeder Bürger kann durch Einspruch mit Verweis auf die Absicht diese Fahrt zwecks Ausübung seiner Grundrechte nutzen zu wollen unterbinden) gibt es eine weite Grauzone und das ist das Feld in dem der Gesetzgeber und die Gerichte den erlaubten Rahmen abstecken. Die Position der GDL scheint zu sein dass alles legitim ist was nicht explizit durch die Gerichte verboten wurde und da bin ich doch sehr froh dass solche Leute mit so wenig Sensibilität für die Auswirkungen ihrer Streiks auf die nicht-streikende Bevölkerung nicht im Gesundheitswesen arbeiten...

    Zitat

    Das kannst du: es gibt mindestens Taxen, und für den größten Teil der Bevölkerung und mindestens im Zusammenhang mit dem ersten Punkt auch andere Möglichkeiten neben der Eisenbahn. „Erschweren” vielleicht, „verhindern“ definitv nicht.

    Fällt dir der Widerspruch zwischen "für die meisten Bürger gibt es Alternativen" und "niemandem wird die Ausübung von Grundrechten verwehrt" eigentlich nicht selbst auf? Selbst wenn 99.9% der Alternativen hätten (also nicht nur solche die Vorhanden sind, aber die sie sich auch leisten können), dann kommen bei 83.2 Millionen Bundesbürger auf jedes GDL-Mitglied immernoch 2 Bundesbürger deren Ausübung ihrer Grundrechte durch den Streik direkt vereitelt würde. Zumindest die Frage danach ob dies wirklich verhältnismäßig und im Sinne des Artikel 2 im Grundgesetz ist, sollte erlaubt sein.

    Zitat

    Wenn das eine Angriff auf meine Grundrechte wäre, wäre demnach jede Tariferhöhung der Bahn über die Inflationsrate (nein, eigentlich sogar über meine persönliche Lohnentwicklung) hinaus eine Grundrechtsverletzung.

    Jede Änderung im Mobilitätsangebot, die meine Fahrten mit der Bahn zur Arbeit, Arzt, Religions- oder Demonstrationsstätte verteuert oder erschwert, behindert oder verhindert meine Ausübung der Grundrechte. Nur entsteht dies in diesen Beispielen nicht durch die Ausübung eines Grundrechtes durch Dritte, sondern durch unternehmerische oder politische Entscheidungen. Wenn dies zu Härtefällen führt, kann ich versuchen durch Ausübung des Demonstrations- und Petitionsrecht darauf Aufmerksam zu machen - ich kann jedoch nicht das betroffene Unternehmen verklagen, sofern dieses hierbei nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz in Artikel 3 im Grundgesetz verstößt.

    Zitat

    Deine Kernaussage – Streiks müssen ja Grundrechte verletzen, sonst wäre das TAG als verfassungswidrig erkannt – ist demnach unrichtig.

    Ich hatte in der Tat das falsche Beispiel rausgesucht. Trotzdem zeigt die Vielzahl an Gesetzen, welche die Ausübung des Streikrechtes regeln, und von Gerichtsverfahren, welche Gewerkschaften verloren haben, dass weder Gesetzgeber als auch Gerichte dem Streikrecht nicht automatisch Vorrang vor anderen Grundrechten einräumen.

    Nein, daran kann es nicht liegen, denn erstens geht es ja nicht nur um Ärzte, und zweitens: in welchem Jahrhundert lebst du denn? Ärzte leisten keinen Schwur.

    In der auf dem 114. Deutschen Ärztetages 2011 in Kiel beschlossenen "(Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte" findest du direkt hinter dem Inhaltsverzeichnis folgendes Gelöbnis:

    Egal ob du dieses Gelöbnis nun als Schwur, Eid oder sonst was bezeichnen möchtest, dies ist der Berufsethos und das Selbstverständnis eines Artztes (und praktisch des gesamten medizinischen Personals vom Krankenpfleger zum Chirurgen), welcher sich nicht nur der möglichen Konsequenzen seiner Berufsausübung sondern auch seiner Berufsnichtausübung stets bewusst ist. Von Lokführern (und praktisch allen anderen Berufsgruppen) wird dieses Verantwortungsbewusstsein lediglich während der Berufsausübung (also während der Arbeitszeit) erwartet.


    Zitat

    Liste bitte konkret auf, welche Grundrechte durch den Streik der GDL angegriffen werden.

    Vielleicht werfen wir erstmal gemeinsam einen Blick in das Grundgesetz und zwar in Artikel 2 (den ersten Artikel kennt ja schließlich jeder):

    (1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.


    (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

    Hieraus ergibt sich schon gleich dass die Ausübung von Rechten die Rechte anderer Menschen nicht verletzen darf und dass deshalb der Gesetzgeber per Gesetz in die Ausübung dieser Rechte eingreifen darf.


    Die ersten 19 Artikel des Grundgesetzes definieren die folgenden Grundrechte (und Kompliment an HandbookGermany für die übersichtliche Aufbereitung auf deren Webseite über das Grundgesetz):

    • Menschenwürde (Artikel 1)
    • Freiheit (Artikel 2, 18 und 19)
    • Gleichheit vor dem Gesetz (Artikel 3)
    • Glaubensfreiheit (Artikel 4 und 7)
    • Meinungs- und Pressefreiheit (Artikel 5)
    • Schutz von Ehe und Familie (Artikel 6)
    • Versammlungsfreiheit (Artikel 9)
    • Vereinigungsfreiheit (Artikel 9)
    • Briefgeheimnis (Artikel 10)
    • Freizügigkeit (Artikel 11)
    • Freiheit der Berufswahl (Artikel 12)
    • Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13)
    • Eigentum (Artikel 14 und 15)
    • Staatsbürgerschaft (Artikel 16)
    • Petitionsrecht (Artikel 17)

    Ich habe mal die Grundrechte markiert bei denen mir konkrete Beispiele einfallen, bei welchen ein Bürger bei dessen Ausübung zumindest theoretisch durch den GDL-Streik behindert werden könnte:

    • Auf dem Weg zu einem wichtigen medizinischen Termin oder einer Behandlung: Recht auf körperliche Unversehrtheit (Artikel 2)
    • Auf dem Weg zu einem Gottesdienstes oder einer Wallfahrt: Glaubensfreiheit (Artikel 4)
    • Auf dem Weg zu einem Einsatzort zwecks journalistischer Tätigkeit: Meinungs- und Pressefreiheit (Artikel 5)
    • Auf dem Weg zu einer Demonstration: Versammlungsfreiheit (Artikel 8')
    • Beim Versuch frei zu reisen: Freizügigkeit (Artikel 11)

    Wenn sich der Streiks über längere Zeit hinziehen sollte könnten auch noch andere Grundrechte verletzt werden:

    • Wenn wiederholte streikbedingte Verspätungen zur Kündigung des Arbeitsverhältnis (durch den AG oder den AN selbst) führen: Freiheit der Berufswahl (Artikel 12)
    • Wenn wiederholte streikbedingte Verspätungen einen Wohnortswechsel erfordern: Freie Wohnortswahl (Artikel 11)

    Kurzum: wenn dein Streik mich in einer der eben beschriebenen Situationen behindert, dann erschwert oder verhindert dein Streik mir die Ausübung meiner Grundrechte.


    Du kannst die obigen Beispiele natürlich sämtlich als an den Haaren herbeigezogen ablehnen, aber dann frage dich warum das Bundesverfassungsgericht der Verfassungsbeschwerde der GDL gegen das Tarifseinheitsgesetz nur in einzelnen Punkten und nicht vollständig stattgegeben hat. Und wenn du dir mal eben jenes Urteil unseres obersten Verfassungshüters anschaust, dann steht dort bereits im ersten Leitsatz:

    1. Das Freiheitsrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG schützt alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen, insbesondere den Abschluss von Tarifverträgen, deren Bestand und Anwendung sowie Arbeitskampfmaßnahmen. Das Grundrecht vermittelt jedoch kein Recht auf unbeschränkte tarifpolitische Verwertbarkeit von Schlüsselpositionen und Blockademacht zum eigenen Nutzen. (Rn.131)

    Sprich: gerade weil die Mitglieder der GDL durch ihre Tätigkeit das Potential haben den Alltag von Millionen Deutschen empfindlich zu stören, hat der Gesetzgeber grundsätzlich das Recht die Ausübung des grundgesetzlich verbrieften Streikrechts zu begrenzen. Alles andere ist somit nur noch eine Frage der Verhältnismäßigkeit - und je aggressiver und rücksichtloser die GDL versucht den verbliebenen rechtlichen Rahmen zum eigenen Nutzen auszureizen, umso bessere Argumente hat der Gesetzgeber diesen weiter zu begrenzen.


    ***


    Leider fehlt mir jetzt die Zeit auf die anderen Punkte und Beiträge einzugehen (hier in Kanada ist es schon nach Mitternacht), aber ich möchte aufrichtig Tatrafan danken, dass er es zumindest in Erwägung zieht dass er mich falsch verstanden haben könnte:

    Denn dann stimmen wir (oder zumindest ein sehr großer Teil von uns) mit den Füßen ab: dann sind wir weg vom Führerstand und aus dem Zug; Arbeitsverhältnisse kann man bekanntlich kündigen, und wenn man uns dann seitens der Politik praktisch an die Führerstände fesseln und knebeln wöllte, wie du es hier effektiv vorschlägst (wenigstens verstehe ich das so), würden wir sagen "habt uns mal herzlich gerne, macht euren Kram doch alleene" und unsere Arbeitsverhältnisse in großem Stil kündigen.

    Nachjustieren ist eine Veränderung des Streikrechts genauso wie es eine Einschränkung ist oder wäre (wie auch immer). Dazu ist eine Verfassungsreform notwendig.

    Niemand (also zumindest niemand den ich Ernst nehmen kann) hat vorgeschlagen das "Streikrecht" (also Artikel 9, Absatz 3 unseres Grundgesetzes) zu ändern, wofür in der Tat eine Verfassungsänderung mäglich wäre. Es geht um eine Anpassung/Verschärfung der Gesetze, welche die Ausübung dieses Grundrechtes regeln, so wie es abertausende andere Gesetze gibt, welche die Ausübung von Grundrechten (und somit das friedliche Zusammenleben) regeln (und regelmäßig den Erfordernissen der Zeit angepasst werden).

    Zitat

    Ja, und? Hast du was gegen Verbeamtung oder warum sollte man möglichst davon absehen und stattdessen andere Maßnahmen einleiten?

    Weil "Umgehung des Streikrechtes" kein verfassungskonformer Grund sein kann um ganze Berufsgruppen zu Beamten zu ernennen?

    Zitat

    und über den wahrscheinlichen Auswirkungen (inklusive des Risikos, dass die "Verschärfung" evtl. verfassungsfeindlich ist) abwägen?

    Sollte man vielleicht nicht eher verfassungsgerechte Gesetze verabschieden und ggf. das Grundgesetz reformieren?

    Über die Wahrung des Streikrechtes wacht das Bundesverfassungsgericht und dieses hat am 11.07.2017 entschieden dass das Tarifeinheitsgesetz "weitgehend mit dem Grundgesetz vereinbar" ist, worauf es dann folglich mit ein paar Nachbesserungen in Kraft treten konnte.

    Nur so zur Info, das hat ein Pfarrer gesagt.

    Glückwunsch dass du eine dermaßen billige Ausrede gefunden hast um bloß nicht auf den Grundpfeiler des gesellschaftlichen Zusammenlebens in einer demokratischen Gesellschaft (nämlich dass die Freiheit des Einzelnen dort endet, wo die Freiheit der Anderen anfängt) eingehen zu müssen...

    Der Vergleich mit dem Gesundheitssektor ist ein wirklich guter. Das ist ein Sektor, in dem immer wieder Gesetze massiv und systematisch übertreten werden (Arbeitszeiten, Pflegeschlüssel etc.) und in dem sich seit Jahren nichts tut. Oh, ups, nein, stimmt gar nicht: wir hatten ja damals alle mal kurz von den Balkons geklatscht. Die Streiks dort kriegt niemand mit – und deswegen ändern sie auch exakt nichts. Das Personal stimmt mit den Füßen ab und wandert ab.

    Vielleicht liegt das auch daran dass Ärtzte irgendwann mal einen Eid geschworen haben Schaden von ihren Patienten abzuwenden - genauso wie Regierungsmitglieder es bei ihrer Vereidigung dem deutschen Volke geschworen haben? Lokführer sind nur sich selbst und ihren beruflichen und gesetzlichen Pflichten verpflichtet, weshalb die Politik die Aufgabe hat die Grundrechte und Interessen von 83.2 Millionen Deutschen notfalls auch gegenüber einer streit- und streiksüchtigen Gruppierung von etwa 40,000 Mitgliedern zu verteidigen, welche eben nur knapp 0.05% der Bevölkerung repräsentiert.


    Und deshalb kotzt mich das Gebahren der GDL so an, weil sie ihren Arbeitskampf auf dem Rücken derer austrägt, welche auf die Bahn angewiesen sind um zu ihrer Arbeit (oder ihrem Arzt oder sonstwo) zu kommen und sich halt eben kein Auto leisten können, weil ihre Berufsgruppe halt zufälligerweise nicht das Erpressungspotential von Lokführern hat oder sie halt das Pech haben im Gesundheitssektor zu arbeiten. Warum dabei noch so Gruppierungen wie die Linkspartei applaudieren, anstatt ihrem eigentlichen Kernklientel (nämlich den unprivilegierten Arbeitern, Niedriglöhnern und Schwachen) beizustehen, wird wohl deren Geheimnis bleiben.


    Kurz: Ich lehne die Streiktaktiken der GDL nicht ab weil ich unsolidarisch bin, sondern gerade weil ich mir meiner eignenen Privilegien bewusst bin und ich solidarisch mit jenen bin, welche eine starke Gewerkschaft am nötigsten bräuchten (und stattdessen unter dem Egoismus und der Geltungssucht einer außerordentlich priviligierten Gewerkschaft leiden müssen)!


    Zitat

    Was zählt denn als „Grundversorgung“ im Eisenbahnverkehr? Wieviel weniger als das aktuell geplante Angebot wäre das? Was passiert, wenn sowieso nicht mehr als die Grundversorgung bereitgestellt wird – müssen dann die Arbeitnehmer auf ihr Recht verzichten? Oder machen wir's so wie bei Sozialleistungen, dass wir ein Existenzminimum definieren und dann fröhlich lachend immer wieder fordern, dieses unterschreiten zu dürfen, und dafür nun tatsächlich ins Gespräch bringen, das Grundgesetz zu ändern?

    Das müsste dann der Gesetzgeber im Zusammenspiel mit dem Bundesverfassungsgericht (und idealerweise den Tarifparteien) entscheiden. Ich denke realistisch ist nur dass man einen Prozentsatz der Fahrplankilometer oder Lokfüherschichten definiert (ich werfe mal spontan und unüberlegt 25% in den Raum) und der Arbeitgeber daraus dann einen Garantiefahrplan bastelt der auch bei Streiks gefahren wird. Wenn das laut Holger Koetting selbst im nicht gerade als "turbokapitalitisch" und "arbeitnehmerfeindlich" verschrienen Italien funktioniert, dann sollte das auch in Deutschland nicht komplett unmöglich sein...

    Spannend. Seit einigen Tagen hört und liest man seitens diverser GDL Verantwortlicher und Mitglieder auf einmal immer wieder die Aussage "dann muss man eben Lokführer und FDL wieder verbeamten". Ich hoffe nicht dass dies nicht das eigentliche langfristige (versteckte) Ziel der GDL ist. Das wird nicht klappen. SPNV und SGV sind viel zu stark liberalisiert... Und Fluglotsen z.B. erledigen eine echte hoheitliche Tätigkeit und sind auch nicht verbeamtet. Womit klar ist, wieweit FDL von einer Verbeamtung entfernt sind, wenn es die Fluglotsen schon nicht sind.

    Vor allem wenn dieselben Leute die das Streikrecht zum absoluten Grundrecht überhöhen (welches anscheinend im Zweifelsfall die Rechte Dritter aussticht), plötzlich vorschlagen dieses durch Verbeamtung einfach auszuhebeln…

    Ich glaube du verstehst hier nicht wovon Holger Koetting und ich sprechen: Es geht niemandem darum das Streikrecht einzuschränken, sondern darum den gesetzlichen Rahmen in welchem dieses Grundrecht ausgeübt wird nachzujustieren.


    Ich kann in meiner Eigentumswohnung auch keine Kneipe, Disco, Sprengstoffwerkstatt oder Bordell aufmachen. Trotzdem wird mein grundgesetzlich geschütztes Eigentumsrecht durch die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen in keinster Weise eingeschränkt.


    Und weil auch du den Quatsch mit dem “Verbeamten” wiederholst: Der Gesundheitssektor ist zweifelsohne wesentlich systemrelevanter als der Bahnsektor und hat teilweise deutlich familienunfreundlichere Arbeitsbedingungen und trotzdem schafft man es dort auch ohne Verbeamtung die Grundversorgung auch während Arbeitskampfmaßnahmen sicherzustellen sodass die Allgemeinheit möglichst unbehelligt bleibt.


    Das was Gewerkschaftsgruppierungen wie die GDL durchzusetzen versuchen ist das Recht des Stärkeren, wo derjenige die Bedingungen bestimmt welcher das größte Erpressungspotential besitzt - ohne Rücksicht auf die Allgemeinheit (inklusive der Angestellten in anderen Branchen und Gewerkschaften). Es ist die ureigene Verantwortung des Gesetzgebers genau dies zu verhindern und wenn das Tarifeinheitsgesetz offensichtlich nicht den gewünschten Effekt hatte (und wer weiß: vielleicht kämpft die GDL ja zurecht so als wäre dies ihr letzter großer Arbeitskampf…?) dann muss man halt über eine Verschärfung der bestehenden Regelungen nachdenken und gegenüber den wahrscheinlichen Auswirkungen (inklusiver der Beurteilung durch das Bundesverfassungsgerichts) abwägen…


    Ich empfehle folgenden Beitrag vom deutschen Ärtztinnenbund:

    Zitat

    Die Grenzen der Freiheit

    Zur Freiheit gehört Verantwortung. Der Mensch ist per Definition ein Wesen, das Verantwortung übernimmt, sein Handeln reflektiert – und nachdenkt, bevor er etwas tut. Freiheit und Verantwortung gehören deshalb zusammen, weil die Freiheit nie grenzenlos ist. „Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt“, hat der Philosoph Immanuel Kant (1724-1804) einmal gesagt. Der Dichter Matthias Claudius (1740-1815) formuliert es so: „Die Freiheit besteht darin, dass man alles das tun kann, was einem anderen nicht schadet.“

    Die Freiheit existiert also nie absolut. Das gilt auch in der Corona-Pandemie. Dabei hat der Staat die Aufgabe, die Freiheit aller zu schützen und zugleich den Schutz aller zu gewährleisten. Um die Balance zu wahren, gilt es, folgende Maßstäbe bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen: Nicht die Freiheit muss begründet werden, sondern ihre Einschränkung. Das Wohl der Schwächsten zu sichern, ist ein Grundprinzip. Und: Konsens und Kompromiss stärken den Zusammenhalt.

    Wer schon wieder nach dem Gesetzgeber schreit: hatten wir vor paar Jahren schon mal, da plärrte vor allem die Wirtschaft auch "Mutti hilf". Merkel tat und beauftragte Andrea Nahles (SPD!!!), die daraufhin das Tarifeinheitsgesetz verbrach - richtig, genau jenes Gesetz, was seither im DB-Konzern nur für Krach und Ärger sorgte und es erst befeuerte, daß sich die GDL auch für Tätigkeitsgruppen außerhalb des Fahrpersonals öffnete. Hat ja richtig toll funktioniert, diese Einmischung der Politik, 1 Applaus bitte.


    Wenn jetzt mal wieder per Gesetz in die Tarifautonomie eingegriffen werden soll, führt das mit Sicherheit nicht dazu, daß die Tätigkeiten im Bahnbetrieb für neue Bewerber attraktiver werden. Und für die, die schon da sind: wie sollen wir zum Arbeiten gezwungen werden? Muß ich mal so provokativ fragen. Denn nötigenfalls bleibt immer noch der Besuch beim Arzt - daß Schichtarbeit nicht gesundheitsfördernd ist, ist doch bekannt...


    Wenn wir wirklich SO wichtig sind, daß unser Arbeitskampfmittel eingeschränkt werden soll, dann gäbe es nur eine konsequente Lösung: Rückverstaatlichung und Verbeamtung aller Eisenbahner im Betriebsdienst. Dann gibt es auch keine Streiks mehr. Wer das eine liebt, muss halt das andere mögen! Rosinenpickerei gibt es nicht.

    Gähn… Wie Holger Koetting bereits sagte: Wer Rechte hat, hat auch Pflichten. Die judikativen und legislativen Staatsgewalten bestimmen wie weit der Gesetzgeber gehen darf und niemand sonst.


    Streiks sollen dem Arbeitgeber wehtun, nicht rücksichtslos das Land lahmlegen (das hat man im Gesundheitssektor übrigens verstanden, ohne dass man diesen erst verbeamten musste). Für letzteres gibt es den Generalstreik und davon sind wir zum Glück noch weit entfernt…

    Ja, tat er doch. Mehr Geld und weniger Stunden. Das ist auf die Forderung "minimal" eingegangen. Die Maximalforderung war "noch mehr Geld" und "noch weniger Stunden".

    Für manche Leute bedeutet “verhanden” anscheinend dass die schwächere Seite (und das ist die Arbeitgeberseite bis zu dem Moment wo sich Streikende und Gewerkschaften den Streik finanziell nicht mehr leisten können oder wollen) einfach die Forderungen der Gegenseite unterwürfigst übernehmen soll…

    Bzw. den Interessen der Arbeitgeber...

    Das Interesse der nicht Beteiligten ist schlicht, dass der Zug fährt. Das kann übrigens auch dadurch erreicht werden, dass der Arbeitgeber auf die Forderungen der Gewerkschaft auch nur minimal eingeht.

    Ja sicherlich kann man Streiks dadurch vermeiden dass man stets die Maximalforderungen der Arbeitnehmerseite bei der ersten Streikdrohung einfach zu 100% akzeptiert, aber dann sieht man sich beim nächsten Mal noch selbstbewussteren Forderungen (auch anderer Gewerkschaften und Berufsgruppen) ausgesetzt. Aber es geht hier auch gar nicht um den Arbeitgeber sondern darum dass praktisch das ganze Land erpresst und in die Knie gezwungen wird. Der Gesetzgeber ist nunmal der Allgemeinheit und nicht speziell den Lokführern verpflichtet und ich erwarte ein entsprechendes Eingreifen in die Arbeitskampfmechanik um den Flurschaden dieses fast alljährlichen Rituals endlich zu begrenzen…

    Für diesen Zweck gibt es das Beamtentum. Aber die geplante InfraGO wird wieder privatwirtschaftlich aufgestellt, ähnlich wie die AutobahnGmbH.

    Das Beamtentum gibt es m.W.n. um hoheitliche bzw. behördliche Aufgaben zuverlässig auszuführen. Das Bahnwesen gehört hierzu m.M.n. ebenso wenig wie das Gesundheitswesen, wo man es ja auch schafft trotz Streikmaßnahmen eine Grundversorgung stets sicherzustellen…

    Die Union will mal wieder Dinge verbieten. Picture me surprised.

    Ich denke über kurz oder lang wird es darauf hinauslaufen dass man Teile (!) des Bahnbetriebes zur “systemrelevanten Infrastruktur” erklärt und hier die Regeln des Streikrechtes verschärft, etwa dass bestimmte Korridore befahrbar bleiben müssen (betrifft Fahrdienstleiter) und dass eine bestimmtes Grundfahrplanangebot garantiert sein muss (etwa: Stundentakt auf S-Bahnen und allen wichtigen Bahnstrecken - Güterverkehr nehme ich mal bewusst aus). Eventuell reicht aber auch schon eine Verlängerung der Vorwarnzeit, sodass die vom Streik verschonten Resourcen optimal eingesetzt werden können.


    Im weiten Spektrum zwischen den (bewusst maßlos überspitzten) Extrempositionen “Bei der Bahn darf überhaupt nicht gestreikt werden” und “Die GDL darf unbegrenzt streiken bis deren Streikkasse leer ist” muss der Gesetzgeber (unter dem wachsamen Auge der Verfassungshüter) gegebenenfalls den gesetzlichen Spielraum nachjustieren, um den Interessen der vom Streik betroffenen Nicht-Konfliktparteien (also der bahnfahrenden Allgemeinheit) besser Rechnung zu tragen…

    Das hat dann halt nichts mehr mit deiner Gegenrede auf die Aussage von  Jojo zu tun. Und ob es nun dem Betrieb besser geht, wenn er dieses Gesetz nicht anwenden würde und damit Streiks vermeiden könnte – also dieses „Kriegsbeil“ begrübe – oder wenn er dieses scharfe Schwert gegen eine Arbeitnehmervertretung anwendet, ist diskutabel. Aber diese Diskussion kann man halt nicht mit mit dem Hinweis, die Bahn sei nicht Gesetzgeberin, wegwischen, wie du es versucht hast.

    Der Kleinkrieg herrschte schon zwischen GDL und EVG lange bevor irgendjemand an ein “Tarifeinheitsgesetz” gedacht hat. Als Kriegsursache scheidet es somit aus. Mir gibg es darum dass wenn man die Anwendung dieses Gesetzes kritisieren möchte, man besser den Gesetzgeber (als Ermöglicher) oder bestimmte profilsüchtige Gewerkschaftsfunktionäre (als Verursacher) kritisieren sollte, als das Unternehmen das versucht irgendwie einen geregelten Arbeitskampf zu ermöglichen…

    Der Arbeitgeber kann aber in diesem Fall selbst entscheiden, ob dieses Gesetz Anwendung finden soll.

    Selbstverständlich! Und es ist ein legitimes Unterfangen dass der Arbeitgeber alle ihm gesetzlich zugestandenen Mittel nutzt um den auf dem Rücken seiner Fahrgäste ausgetragenen Kleinkrieges verfeindeter Gewerkschaften einzudämmen. Das ist er sowohl seinen Kunden als auch seinem Alleinaktionär gegenüber schuldig…

    In Absatz 1 heißt es dort:
    Hat sich der Fahrgast vor Fahrtantritt keine gültige Fahrkarte beschafft und ist ein Fahrkartenverkauf im Fahrzeug nicht vorgesehen, ist eine Nutzung des Verkehrsmittels nicht gestattet.


    Wogegen genau soll die HEAG hier deiner Meinung nach verstoßen?

    Eine Heimkommgarantie hat vielleicht nur dann einen Lehreffekt, wenn der Verursacher dafür aufkommt, aber natürlich bringt sie vollkommen unabhängig von internen Zahlungsströmen den Kund*innen die Sicherheit, heim zu kommen. Und damit eben, wie Bernemer ausführt, dem Gesamtsystem mehr Teilnehmer*innen.

    Mir geht es um die Gesamtinteressen der Fahrgäste und Steuerzahler (welche sich natürlich als Gruppen überschneiden): Das Kerninteresse beider Stakeholdergruppen ist es dass der Verkehrsverbund aus den ihm zur Verfügung gestellten Finanzmitteln möglichst viele Leistungen erbringt. Leistung misst sich hier primär in Fahrplankilometern und Pünktlichkeitsstatistiken. Die 10-Minutengarantie ist angesichts der enormen Herausforderungen und einer sich abzeichnenden Finanzierungs- und Kapazitätskrise des ÖPNV einfach eine Verschwendung öffentlicher Ressourcen, welche vom RMV anderweitig viel sinnvoller eingesetzt werden könnten.


    Anstatt einfach die Fahrgäste für Unanehmlichkeiten zu entschädigen für welche dieser meist keinerlei Verantwortung trägt und Einflussmöglichkeit hat, sollte der RMV (zusammen mit den anderen Verbünden) mit der Versicherungswirtschaft zusammenarbeiten und schauen ob diese eine Versicherungspolice anbieten können, mit welcher sich die Fahrgäste freiwillig und auf eigene Kosten versichern können. Ein Verkehrsverbund ist ein öffentlicher Auftraggeber und kein privater Versicherungskonzern…

    Selbst wenn man die Garantie abschmilzt und keinen Zeitraum bei der Ankunft mehr garantiert, sollte wenigstens eine Heimkomm-Garantie übrig bleiben. Egal mit welchem Ticket ein Fahrgast unterwegs ist: Er will auch mit dem ÖPNV abends garantiert nach Hause kommen, so wie mit dem Privat-Pkw. Das hatte man beim RMV mal verstanden, und ist das halt wieder egal.

    Eine „Heimkommgarantie“ bringt nur was wenn der Verursacher dafür aufkommt. Bei der Buslinie zu meinem Heimatort Messel war das gegeben: Jedes mal wenn ich den abends und am Wochenende nur im Stundentakt verkehrenden Bus verpasst habe weil dieser in DA-Kranichstein Siemensstraße nicht auf die leicht verspätete Straßenbahn gewartet habe, rief ich die HEAG-Leitstelle an, welche darauf ein Auto schickte, welches mich direkt nach Hause fuhr. Irgendwann fragte ich mal den Fahrer wie sie das intern handhaben und die Antwort lautete: „Die Rechnung schicken wir an den (für den Busverkehr auf der Linie U beauftragten) Subunternehmer!“ Somit bestand dann auch der finanzielle Anreiz die Busfahrer zum Abwarten der Straßenbahn zu animieren…


    Zitat

    Aber auch da handelt der RMV nur völlig logisch und konsequent: Mit zunehmender Steuerfinanzierung durchs D-Ticket werden die Fahrgeldeinnahmen zunehmend unwichtiger. Sprich: Der RMV muss nicht mehr als Wichtigstes Fahrgäste zum Mitfahren (und Ticketkauf) überreden (vor allem über Qualität und Zuverlässigkeit), sondern jetzt gilt es, Bundes- und Landespolitiker das Geld für den ÖPNV zu entlocken. Und die fordern ja auf breiter Front, allen voran Minister Wissing: Weg mit allem, was Qualität bietet Kosten verursacht.

    Und was meinst du wie die Einnahmen vom Deutschlandticket bzw. die Ausgleichssubventionen aufgeteilt werden? Selbstverständlich spielt hier das Fahrgastaufkommen eine Rolle und Verkehrsverbünden mit sinkenden Fahrhastzahlen werden auch die Einnahmen wegrennen…

    Erstens: Wenn kaum noch jemand die Garantie nutzt, warum muss man sie und ihren Werbe-Effekt überhaupt abschaffen? Dann sind ja sowohl die Auszahlbeträge wie auch der Bearbeitungsaufwand nur noch sehr gering.


    Zweitens: Das Argument "Diesen Service kann ja kaum noch jemand nutzen, also schaffen wir ihn ab" zeugt von einer ausgeprägt kundenfeindlichen Einstellung. Würde der RMV seine Kunden schätzen. wäre es ein Einfaches, zum Beispiel dem Weg in NRW zu folgen und aus der 10- eine 20-Minuten-Garantie machen, die aber auch fürs Deutschlandticket gilt. Danke für den Hinweis Charles

    Zu Erstens: Bei der Beibehaltung einer „Garantie“, welche nur für einen Bruchteil der Fahrgäste überhaupt in Anspruch genommen werden kann, fühlen sich die Fahrgäste doch erst recht bverschaukelt.


    Zu Zweitens: Für die Fahrgäste denen der RMV immer zu teuer war gibt es doch jetzt schon das Deutschlandticket. Für solche Fahrgäste, welche für bessere Leistungen gerne deutlich mehr ausgeben würden, ist es der blanke Hohn dass Gelder für irgendwelche Entschädigungen ausgegeben werden anstatt für dir Verbesserung von Angebotsqualität und -zuverlässigkeit…