So etwas sorgt leider immer wieder sowohl bei Fahrgästen und Interessenvertretungen, als auch beim Fahrpersonal für Unmut. Die bei Ausschreibungen Verantwortlichen freuen sich auch, weil sie von Lauf- und Verschleißeigenschaften her suboptimale Fahrwerkskonstruktionen bestellen müssen und die Werkstatt freut sich, weil sie ständig Radreifen abdrehen und wechseln darf. Das passiert gerne dann, wenn Infrastruktur und Betrieb nicht miteinander reden.
Die Crux ist: Ein Abstand von jeweils 50 mm sowohl in horizontaler als auch in vertikaler Richtung wird als das angesehen, was ein Rollstuhlfahrer gerade noch selbstständig packen kann (vgl. TSI PRM). Im Eisenbahnbereich käme man zumindest mit den Bahnsteighöhen auch gut hin (das ganze Chaos um 55 vs. 76 cm mal außen vor gelassen), weil die EBO zulässt, dass der Fahrzeugfußboden tiefer liegen darf als der Bahnsteig. 50 mm horizontal sind zwar sportlich, aber gerade im Straßenbahnbereich auch ohne Vorrichtungen wie Klapprampen etc. machbar.
§31 Abs. 7 der BOStrab enthält hingegen folgende Formulierung:
Zitat
Die Bahnsteigoberfläche soll nicht höher liegen als der Fahrzeugfußboden in seiner tiefsten Lage
Diese wird von so ziemlich jeder TAB als Muss-Vorschrift interpretiert. Damit wird aber in der Vertikalen der halbe theoretische Spielraum genommen. Entweder muss man also damit leben, dass bei leerem Fahrzeug sowie neuen Schienen und Radreifen der Einstieg mehr als 50 mm über Bahnsteighöhe liegt, oder man macht die Federung extrem hart, was dann aber dem Komfort der Fahrzeuge nicht gerade zugute kommt. Ausnahmegenehmigungen sind zwar grundsätzlich möglich, liegen jedoch im Ermessen der TAB, sodass man als Verkehrsbetrieb nicht darauf spekulieren kann.
Aktive Lösungen wie Schiebetritte, aktive Rampen etc. haben zwar den Charme, dass das Fahrpersonal nicht aussteigen muss, sind aber verhältnismäßig warungsintensiv. Passive Lösungen wie eine handbetätigte Klapprampe sind billiger und wenig wartungsintensiv, kosten aber immer wenn sie gebraucht werden Zeit. Es gibt genügend Verkehrsbetriebe, die keines von beiden wollen, aber denen aufgrund ihrer Stadtpolitik die Hände gebunden sind.
Eine denkbare Lösung sind Schubberleisten, die tiefer liegen als der Fußboden am Einstieg. So ein einfaches Kunststoffprofil kostet wenig und fällt kaum auf. Wenn damit noch 20-30 mm gewonnen werden können, kann das einem Rollstuhlfahrer im Zweifel auch schon einiges helfen.
Das Problem mit der Höhe haben ja auch Betriebe wie Karlsruhe, deren Niederflurbahnsteige schon auf 340 mm liegen. Man hat zwar mehr Spielraum für größere Räder und somit bessere Laufeigenschaften, aber den Höhenunterschied zwischen leerem Fahrzeug und Laststufe III muss man auch dort im Griff behalten.
Kurz: Ein Patentrezept, das für alle funktioniert, gibt es da leider nicht. In Netzen wie Mainz und Darmstadt mit ihren sehr niedrigen Bahnsteigen muss man da entweder soweit die TAB eben mitgeht tricksen und die Vorschriften ausreizen oder in den sauren Apfel beißen und mit Klapprampen leben.