Die Grünen sprechen davon, dass das Fahren eines Autos ein "Privileg" sei. Ich sehe das eher umgekehrt, ich vermeide, so weit es geht, das Autofahren, bin dadurch aber eher in der privilegierten Situation mir das erlauben zu können, durch Home-Office usw. Wenn ich schaue wie viele Autos in der Nachbarschaft stehen, ist das Auto (bzw. mehrere davon pro Haushalt) doch der Normalfall in diesem Land und nicht etwa der ÖPNV.
Dass das Führen eines PKW kein Recht, sondern ein Privileg ist, sieht man am Prinzip der Steuer. Sie ist vom Betrag her eher symbolisch, richtet sich mit ihren Kriterien am Ende nach dem Wert des in Betrieb genommenen Prestigeprodukts und in der Regel nicht nach seiner Nutzung.
Die wahrgenommene Normalität ist eine Folge davon, dass man aus bestimmten Gründen (u. A. Auto- und Öllobby) den massiven Einsatz des Autos als Ergänzung der (aus den gleichen Gründen) vom Staat vernachlässigten Versorgungsaufgabe "Nahverkehr" forcierte, indem man ganze Orte so baute, dass das Leben dort nur noch mit Auto komfortabel möglich ist.
Der Exzess dessen ist in den nordamerikanischen Suburbs zu sehen, aber auch deutsche Neubaugebiete der 1980er-1990er orientierten sich stark an den dahinter liegenden Ideen.
Jetzt, wo einige Städte seit immerhin 20 Jahren erkannt haben, dass diese Entwicklung kontraproduktiv ist, weil - wie in den USA - das Verhältnis von städtischen Einnahmen und Ausgaben in EFH-Würfelhustengebieten und von großen Parkplätzen durchsetzten Einkaufsflächen auf der Grünen Wiese schlechter ist als das von dichter besiedelten innerstädtischen Gebieten, will man mit mehr ÖPNV gegensteuern.
Da ist dann aber "german suburbia" ein Hindernis, da hier die Bevölkerungsdichte grundsätzlich zu gering ist, mit heutiger Technik einen ÖPNV in attraktiver Dichte anzubieten, der noch ansatzweise im finanzierbaren Rahmen bleibt - und obendrein ein dauerhafter Wechsel erst erfolgt, wenn er Bedarf nach einem neuen Fahrzeug auf einen als akzeptabel erkannten Nahverkehr trifft. Das kann dann schon mal bis zu drei bis fünf Jahre nach Einführung der Nahverkehrsverbesserung dauern. Bis dahin wird ein Auto, das man hat, weiter genutzt - ist ja da, kostet ja nichts.
Ein neues, günstiges Folgeticket für das 9€-Ticket wird damit in den nahverkers-unterversorgten Gebieten immer die Debatteauslösen, wieso "die Anderen" jetzt bilig fahren können, man selber aber noch nicht mal ganztägig stündlich einen Bus hat - und auf die überraschend plötzlich wahrgenommenen Kosten des notwendigen Erst-, Zweit- oder gar Drittfahrzeugs verweisen.