Zitat
Original von Tatrafan
Die Ermittlungen, warum genau nun der Boden weggerutscht und die Bauwerke eingestürzt sind, sind zwar noch lange nicht abgeschlossen, aber egal - die böse U-Bahn ist schuld, ...
Auch die völlig übereilten Überlegungen des Kölner OB, den U-Bahn-Bau in Frage zu stellen, sind nichts als purer und zudem sinnloser Aktionismus, wohl nicht ganz ohne den Hintergedanken, damit elegant den wohl recht ungeliebten, weil teuren U-Bahn-Bau loszuwerden. Wie er aber sonst effektiv ÖPNV betreiben will, dazu sagt er nichts, Ruhe im Salon. Wie denn ohne Schienenbahnen....? ...
... Ein Verkehrssystem kann schließlich nichts dafür, wenn es z.B. (ich behaupte nicht, daß es so war, sehe es aber durchaus als mögliche Variante) fehlerhaft geplant oder unsachgemäß gebaut wurde oder man im Untergrund auf völlig unerwartete Bodenbeschaffenheiten trifft.
Ohne Bauwerk im Untergrund wäre das Archiv nicht eingestürzt, das kann man mittlerweile als Fakt betrachten. Die genaue Ursache ist da eher nebensächlich. Beim nächsten Mal wäre es halt was anderes, denn:
Mit "Kein anderer Bereich des Bauwesens ist seit Beginn der 1990er-Jahre so massiv von Großschäden betroffen wie der Tunnelbau." beginnt "Tunnel Code of Practice". --> 17 Einstürze beim Tunnelbau in 14 Jahren weltweit, jedes 2. Jahr ca. einer in Europa.
Vor dem Hintergrund sollte man Schrammas Äußerung sehen, dass man sich überlegen solle, ob man solche Projekte nochmals anfangen sollte.
Wobei man das auf größere Tiefbauprojekte aller Art beziehen sollte, also insbesondere auch Autotunnel.
Und man sollte erhöhte Anforderungen an das Kosten-Nutzen-Verhältnis und an die Alternativenprüfung stellen.
Ich nehme mal als Beispiel den Stadtbahntunnel als Teil der Karlsruher Kombilösung:
Da soll im Bereich der (relativ breiten) Fußgängerzone aller Straßenbahnverkehr tiefer gelegt werden. Finanziert aus ÖV-Töpfen.
Nach Meinung vieler ist der verkehrliche Nutzen bezogen auf den ÖV aber zweifelhaft:
Die Verkehrsbetriebe sparen ca. 2 min auf der Strecke. Aber nicht für alle Linien: 2 müssen einen Umweg fahren, um in den Tunnel zu kommen. Und es kommen erhöhte Betriebskosten (Rolltreppen etc.) hinzu.
Die Kunden haben von der Zeitersparnis nix, da die meisten in dem Bereich aussteigen und den (halben) Zeitvorteil auf den Weg nach oben mehr als verlieren. Ob das Netz also beim Kunden ankommt, darf fraglich bleiben. In vielen Städten in Karlsruher größenordnung war die Tieferlegung eher kein Erfolg...
Erkauft wird das ganze mit einem deutlich unflexibleren Netz durch wegfallende Verknüpfungen. Von einigen Stadtteilen kann der bisher angefahrene zentrale Marktplatz nicht mehr erreicht werden. Tw. werden mit zusätzlichen Linien wegfallende Beziehungen ersetzt: mehr Kosten. Stehen dem keine Fahrgaststeigerungen entgegen, kann man das oberirdische Restnetz aber kaum vernünftig straffen. Etc.
Einen Nutzen hat das Projekt dagegen für den Autoverkehr: Störende Bahnen an großen Knoten werden reduziert, im Zuge des Teilprojekts Kriegsstr. wird ein überlasteter Knoten für Autos neu unterführt. Und das Projekt hat einen städtebaulichen Nutzen. Durch das Teilprojekt Kriegsstraße wird eine innerstädtische autobahnähnliche Schneise umgebaut und das Teilprojekt Stadtbahntunnel ermöglicht mit straßenbahnfreier Fußgängerzone das ungestörte Flanieren.
Mal ganz davon abgesehen, dass das bahnfreie Flanieren in einigen Städten auch kein bahnbrechender Erfolg war und es in vielen Städten auch wunderbar mit Bahnen funktioniert und es in KA auch ausreichen würde, die Überlastung oberirdisch zu entlasten, darf man bei solchen Projekten schon mal die Frage aufwerfen, ob man solche Risiken (und solche Kosten) wirklich eingehen MUSS. Bzw. könnte man noch ruhigen Gewissens in der Kaiserstraße flanieren, wenn sowas auch in KA passieren würde?
Die Kosten waren mal mit 496 Mio beziffert (beide Teilprojekte zusammen) bei einem Faktor von 1,19, also Nutzen 588 Mio. Mittlerweile hat man die Kosten auf 588 Mio korrigiert. Ja, nun einen Faktor von 1,000 auszurechnen, ist eine Milchmädchenrechnung, aber man kann sich durchaus fragen, warum die 588 rauskamen, ob man sich gesagt hat, es darf nicht mehr als 588 rauskommen...
Meines Erachtens wäre es bspw. sinnvoll, dass man bei solchen teuren und nicht ganz unriskanten *) Projekten einen deutlicheren Kosten-Nutzen-Faktor fordert oder solche Projekte nur dann fördert, wenn oberirdische Alternativen wirklich nicht verfügbar sind. Bzw. auf Karlsruhe bezogen: Wenn oberirdische Alternativen nur dann "unmöglich" sind, weil man ohne Tunnel keine absolut tramfreie Fuzo kriegt, sollte man auch diesen Nutzen in Frage stellen dürfen, sprich: muss tramfrei wirklich sein.
*) nicht nur beim Bau, sondern auch beim Betrieb. Bei einem Unglücksfall im Tunnel sind Rettungsmöglichkeiten sehr eingeschränkt. Für Rollstuhlfahrer besteht, obwohl technisch durchaus möglich, keinerlei Selbstrettungskonzept: man spart an 20 cm Rettungswegbreite... s.a. hier
In Köln kenne ich die Rahmenbedingungen nicht so gut. Aber ich meine, der Faktor wäre auch nur knapp über 1 gewesen. Andererseits hat der Nord-Süd-Tunnel wohl partiell tatsächlichen Neuerschließungswert für die Schiene, der anders schwierig wäre, was in Karlsruhe absolut nicht gegeben ist. Womöglich hat das Kölner Projekt durchaus einen nachvollziehbaren verkehrlichen Nutzen. Ein Baustopp jetzt wäre jedenfalls Quatsch, schon alleine weil sonst alles Leiden umsonst gewesen wäre...
Auf Frankfurt bezogen sah man ja bei der U5, dass man, wenn man mal ein wenig Gehirnschmalz investiert, wie es einige hier taten, durchaus oberirdische Lösungen finden kann, die die Probleme zweier Haltestellen ohne teuren Tunnel lösen und die die U5 nicht brechen. Dadurch hat man sich hier erstmal das teure und bauliche Abenteuer Tunnel gespart.