Ich weiß nicht, ob das hier der passende Platz ist, aber ich wage mal einen Blick zurück: der PFB Nr. 1 für die A-Strecke von der Humser Str. - bis zum Volksbildungsheim am Eschenheimer Turm umfasst 2 Blatt Papier, keine Anlagen. Der Erläuterungsbericht umfasst sechs Seiten, sechs Lagepläne, 1 Plan Tunnelquerschnitt, keine Anlagen in Gestalt von Gutachten usw.. (ich habe ihn selbst gesehen und bin fast vom Glauben abgefallen...)
Zum Vergleich: der PFB Nr. 78 für die U5 (Pl.d.R - Europaviertel) umfasst 178 Seiten, wovon über 10 Seiten Inhaltsverzeichnis und Abkürzungsverzeichnis sind und stellt Pläne im Umfang von 12 Ordnern fest. Der Erläuterungsbericht umfasst über 220 Seiten. Je größer das Vorhaben, desto umfangreicher das Material, der Ausbaubeschluss für den Frankfurter Flughafen von 2006 umfasst über 4.000 Seiten und Pläne in entsprechendem Umfang fest (60? 80? 100? Leitzordner).
Zwischen PFB Nr. 1 und Nr. 78 liegen rd. 50 Jahre, in denen natürlich allerhand passiert ist. Der Hauptgrund für die Dehnung der Verfahren sind die Anforderungen, die an das Verfahren im allgmeinen gestellt werden. Mit der gesetzlichen Verankerung des Umweltschutzes ab Mitte der 1970er Jahre, mit jedem Schaden, der eingetreten ist, ging sozusagen einher die Einführung des Vorsorgeprinzips (= Vermeidung von Risiken und Gefahren). Bei großen planfestzustellenden Bauvorhaben (betr. Fernstraßen, Wasserstraßen, Eisenbahnen, Straßenbahnen, Kraftwerke aller Art, bestimmte Industrieanlagen u.v.m.) musste überlegt werden, welche Auswirkungen sie auf die gesetzlich geschützten Rechtsgüter haben (Boden, Wasser, Luft, Flora, Fauna, Mensch...) , es mussten zunehmend Risiken ermittelt und abgewogen werden (bestimmte Bauverfahren, verwendete Materialien, technisches Regelwerk zu Elektro, Brandschutz, Bau- und Betrieb der Anlagen,...); all das muss verschriftlicht werden und nachprüfbar sein. Abwägungsfehler hat die Rechtsprechung sanktioniert. Untersucht man die einzelnen gesetzlichen Regelungen, ist jede einzelne für sich grundvernünftig und nachvollziehbar, aber in der Summe erweisen sie sich als so erdrückend, dass man geneigt ist, sie abzuschütteln zu wollen.
Beispiel: der A-Tunnel wurde im Trockenen gebaut, d.h. es wurde auf voller Länge Grundwasser bis auf eine Tiefe von Unterkante Baugrube abgesenkt. In einem Korridor von bis zu ca. 200 m beiderseits der Tunnelachse und auf einer Lä#nge von über 2 km ist es zu massiven Setzungen und Trockungsschäden gekommen. Der Grundwasserspiegel hat sich im Lauf der Jahr zwar wieder normalisiert, aber die Schäden an Gebäuden und Vegetation waren groß. Das Thema hat bei Planung und Bau des A_Tunnels kein Rolle gespielt, aber auch gar keine. Heute ginge das gar nicht, wegen des stark verschärften Wasserrechts ("Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen".
Ein weiterer Grund ist die Öffentlichkeit, die sich damals nicht in dem Maße in das eingemischt hat, was die Verwaltung tat. Heute wird alles hinterfragt, alles ist transparent, jeder fühlt sich berufen "beizutragen", die Verwaltung wird angefeindet, muss sich erklären und rechtfertigen; die ausufernden Verfahren dienen in viel größerem Maße der rechtlichen Absicherung, als das früher der Fall war.
Vor diesem Hintergrund verlangen die Genehmigungsbehörden ein Übermass an Unterlagen für selbst völlig unwichtige und unproblematische Dinge. Im Moment beginnt das Pendel ein bißchen zurückzuschwingen, bestimmte Maßnahmen sind nicht mehr planfeststellungsbedürftig, Verfahren werden gestrafft, der Rechtsschutz verkürzt, der Fachkräftemangel zwingt zu neuen Überlegungen. Aber klar ist, zu den Verhältnissen in der 1960er Jahren kehren wir nicht zurück.