Sollte es aber zu eine*r Verkehrsminister*in kommen, der dieses Konzept und die darin enthaltenen Grundsätze als grobe Grundlage für die Tagesgeschäfte benutzt, würde vielleicht zwar nicht alles daraus umgesetzt, aber vieles in die richtige Richtung gelenkt werden können.
Erst einmal vielen Dank für das sehr interessante Strategiekonzept. Dieses ist in vielen Teilen deutlich konkreter als die doch meist sehr im konjunktiv verfassten Stellungnahmen anderer Parteien. Insbesondere das klare Bekenntnis der Bundestagsfraktion zum Deutschlandtakt finde ich sehr erfreulich. Womit wir aber schon direkt beim Knackpunkt des Papiers wären.
Dem Deutschlandtakt liegen viele dringend notwendige Infrastrukturprojekte quer durch die Republik zugrunde, bei denen es jetzt schon (also in einem frühen Planungsstadium) teilweise erheblichen Widerstand von grünen Kreisverbänden vor Ort gibt (z.B. Kreisverband Herford bei der NBS Hannover-Bielefeld, oder die niedersächsischen Grünen beim Dialogforum-Schiene-Nord). Es ist irgendwie bezeichnend, dass das 2018 gestartete ABS/NBS Projekt Fulda-Gerstungen nach gerade einmal zwei Jahren Planungen schon weiter im Stadium der Vorplanung ist (die Grobkorridore stehen fest), als die deutlich wichtiger ABS/NBS Hannover-Hamburg, wo es noch nicht einmal Grobkorridore für etwaige Trassierungen gibt, und das nach über 8 Jahren!
Kurzum. Damit der Deutschlandtakt auch bei den Grünen wirklich "gelebt" wird, muss die Bundestagsfraktion der Grünen ihre Basis mitnehmen und auch mal an die Kandarre nehmen. Denn in zu vielen Orts- und Kreisverbänden herrscht leider die Einstellung "Verkehrswende natürlich weil das Auto ist böse, aber nicht so und schon garnicht vor unserer Haustür". So funktioniert das eben nicht. Hier müssen sich viele Ort- und Kreisverbände der Grünen sehr schnell von ihren alten Zöpfen emanzipieren, damit die Willensbekundung zur Umsetzung des Deutschlandtakts bei den Grünen auch wirklich glaubhaft rüber kommt. Ohne eine Unterstützung der Basis wirkt das Strategiepaier der Bundestagsfraktion schnell wie ein zahnloser Tiger.
Und daher wird es bei einem möglichen grünen Bundesverkehrsminister/-in sehr stark davon abhängen, wie standhaft diese(r) sein wird. Würde es auf Tarek Al-Wazir oder Winfried Hermann (VM in Ba-Wü) hinaus laufen, dann wäre ich da sehr entspannt, da beide hinlänglich bewiesen haben, dass sie auch bei Neubauprojekten mit starken Gegenwind dem Projekt bzw. den Projekten den nötigen Rückhalt geben, damit eine zügige Planung und ohne Denkverbote gewährleistet ist und möglichst schnell Baureife erlangt wird.
Gerade bei den Grünen in NRW und NI gibt es dagegen leider etliche gestandene "Nasskappen" bei den Grünen, die als Bundesverkehrsminister absolut kontraproduktiv wären. Also das genaue Gegenteil von Tarek Al-Wazir und Winfried Hermann. Aber auch diese Wahrheit will bei den Grünen nicht jeder hören...
Das "Schattenkabinett" der Grünen wird für die kommende Bundestagswahl dahingehend ein echter Lackmustest, wie ernst es die Grünen mit dem Ausbau der Schiene wirklich meinen.
Denn gerade für die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene braucht es einen wirklich massiven Kapazitätsausbau bei der Schiene. Und diese bekommt man vielerorts eben nur mit Neubaustrecken. Und damit diese NBS sich volkswirtschaftlich (NKV) rechnen, müssen diese NBS tagsüber den Fernverkehr aufnehmen und den FV deutlich beschleunigen. Der GV verbleibt tagsüber auf der Bestandsstrecke und nutzt den Kapazitätsgewinn aus der Verlagerung des FV auf die NBS. In der Nacht verkehrt dann der GV über die NBS und sorgt damit für eine aktive Lärmentlassung entlang der Bestandsstrecke.
Leider ist die Erkenntnis zur 3-fachen win-win Situation solcher Mischverkehrs-NBS nach heutigen Planungsstandards (vgl. NBS Ffm-MA, Hanau-Fulda, Fulda Gerstungen, Bielefeld-Hannover, Hannover-Hamburg) immer noch nicht ausreichend vorhanden. Gerade bei etlichen Orts- und Kreisverbänden der Grünen.
Das es auch anders geht hat z.B. der Ortsverband der Grünen in Wächtersbach sehr eindrucksvoll bewiesen, der sich für die Trassierung der Variante IV (Antragstrasse für das ROV) im Raum Wächtersbach ausgesprochen hat, und sich damit gegen (fachlich nicht begründbare Forderungen einiger örtlicher BI und des BUND) gestellt hat.
Fazit. Gibt es bei den Grünen mehr Ortsverbände a la Wächtersbach und weniger a la Herford, dann kann es was werden.