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Dokument erstellt am 14.08.2003 um 00:00:58 Uhr
Erscheinungsdatum 14.08.2003 | Ausgabe: S | Seite: 23
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Chaos auf der Bahnstrecke in Richtung Westen
Oberleitungsschaden bringt S-Bahn-Takt über Stunden durcheinander / Kein direkter Weg zum Flughafen
Ein Oberleitungsschaden im Gleisvorfeld des Hauptbahnhofs und die stundenlange Sperrung der Neubaustrecke Frankfurt - Köln nach einem Suizid haben am Mittwoch den S-Bahn-Betrieb in der Region und den Fernverkehr erheblich beeinträchtigt. Tausende Pendler kamen verspätet zur Arbeit. Reisende klagten wieder einmal über mangelnde Informationen.
Von Wolfgang Schubert
Gegen 8.15 Uhr hatte sich nach Angaben von Bahnsprecher Gerd Felser westlich der Camberger Brücke der Stromabnehmer eines Triebwagens der Linie S 8 im Fahrleitungsdraht verfangen und das Kabel samt mehrerer Tragseile auf einer Länge von 40 Metern abgerissen. Vorausgegangen war eine Zwangsbremsung des Zuges, deren Ursache am Mittwoch nicht zu klären war. Dabei kam der Zug vermutlich genau an einem so genannten Streckentrenner zum Stehen, der zwei Stromabschnitte trennt. Beim Wiederanfahren sei wahrscheinlich ein Lichtbogen entstanden und habe die Oberleitung zerstört.
Weil mit den Linien S 1 (Wiesbaden - Offenbach), S 2 (Niedernhausen - Südbahnhof), S 8 (Wiesbaden - Mainz - Hanau) und S 9 (Wiesbaden - Mainz-Kastel - Hanau) gleich vier wichtige Pendler-Strecken betroffen waren, waren die Folgen gravierend. Aus Richtung Hanau / Offenbach/Frankfurt-City gab es keine direkte Zugverbindung mehr zum Flughafen, da das unterirdische Gleis Richtung Airport blockiert war. Reisende mit Ziel Flughafen mussten im Hauptbahnhof umsteigen.
Von der Haupthalle aus organisierte die Bahn im Halb-Stunden-Takt einen Airport-Shuttle. Die aus Wiesbaden kommenden Züge der S 8 und S 9 endeten bereits in Frankfurt Sportfeld. Pendler mit einem Arbeitsplatz in der Innenstadt mussten erst am Bahnhof Sportfeld in den Airport-Shuttle und im Hauptbahnhof ein zweites Mal in eine Tunnel-S-Bahn umsteigen. Am anderen Ende der Stadt waren Griesheim und Nied bis nach 14 Uhr ganz vom Eisenbahnverkehr abgeschnitten. Zwischen Höchst und Hauptbahnhof wurden die S 1 und S 2 über die so genannte Rebstöcker Strecke umgeleitet. Fahrgäste in Nied und Griesheim verwies die Bahn auf die Straßenbahnlinien 11 und 21.
Rund 200 Fahrgäste in der havarierten S 8 mussten weit über eine Stunde im Zug ausharren. Aus Sicherheitsgründen blieben die Türen des Zuges bis 9.30 Uhr versperrt. Erst dann, so Bahn-Sprecher Felser, sei die "Oberleitung geerdet, der Reststrom abgefangen und die Gefahr für den Reisenden gebannt" gewesen. Um 9.33 Uhr konnten die 200 Menschen in eine am Nachbargleis haltende S 2 umsteigen. Eine S 1 auf dem Weg nach Wiesbaden wurde in den Hauptbahnhof zurückgefahren.
In der ersten Stunden nach dem Vorfall herrschte weitgehend Chaos. Insassen einer S 2, die den Lokalbahnhof mit Ziel Hofheim um 9.12 Uhr verlassen hatten, wurden vom Lokführer aufgefordert, im Hauptbahnhof den Zug zu verlassen. Als der Zug geräumt und die Türen verschlossen waren, fuhr die Bahn dann doch nach Darstellung des FR-Lesers Ulrich G. nach Hofheim weiter - allerdings menschenleer. In Sindlingen warteten Reisende vergeblich auf eine Information, dass die S 1 um 9.34 Richtung Offenbach ausfällt. Kurz nach 10 Uhr, als die nächste Bahn eintreffen sollte, kam der Hinweis: "Wegen eines Oberleitungsschaden verkehren zwischen Wiesbaden und Frankfurt bis auf weiteres keine Züge."
Kurz darauf ging die nächste Hiobsbotschaft ein. Zwischen Willroth und Siegburg hatte sich gegen 11.30 Uhr eine Frau vor einen ICE geworfen. Stundenlang ließ die Staatsanwaltschaft daraufhin die Strecke ganz sperren. Der Verkehr auf den ICE-Linien Münster - Frankfurt und Dortmund - Frankfurt fiel ganz aus, andere Linien wurden über die linke Rheinschiene umgeleitet und hatten Verspätungen von einer Stunde und mehr.