Geschlossene Schalter, defekte Automaten, Unsicherheiten beim Nachlösen - solche Hindernisse halten nach Ansicht des Fahrgastverbandes Pro Bahn & Bus viele Menschen von der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ab. Gleichzeitig gehen den Verkehrsunternehmen in unbegleiteten Zügen Millionenbeträge durch Schwarzfahrer und Vandalismusschäden verloren. Ältere und Mobilitätsbehinderte fühlen sich in "schaffnerlosen" Zügen häufig allein gelassen.
Dabei könnte die Palette der unterschiedlichen Fahrkartenarten und Vertriebswege bald noch breiter werden: Der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) arbeitet am "Elektronischen Ticket". Dem Vorteil der theoretisch möglichen "kilometergenauen Abrechnung" (heute kommen Zonentarife als Einzel- oder Zeitkarte zur Anwendung) stehen auch Nachteile entgegen: Beim Ein- und Aussteigen muss die Karte vom Fahrgast an ein Lesegerät gehalten werden. Vergisst der Fahrgast dies beim Verlassen der Station, kann das System keinen genauen Preis ermitteln. Bislang ist unklar, ob dann zu Gunsten des Kunden oder des Verkehrsunternehmens abgerechnet wird. Außerdem gibt es datenschutzrechtliche Bedenken, da alle Fahrten aufgezeichnet werden. Mindestanforderung aus Sicht des Datenschutzes ist daher eine "aufladbare" Karte ähnlich der Geldkarte oder der Telefon-Guthabenkarte. Diese Guthabenkarte bezieht der RMV daher in seine Überlegungen mit ein.
Schon heute stehen auf größeren hessischen Bahnhöfen mindestens zwei Automaten: einer für den RMV-Verkehr bzw. NVV-Verkehr und ein zweiter Automat - nur mit EC- oder Kreditkarte zu bedienen - für den überregionalen Schienenverkehr der Deutschen Bahn. Das elektronische Ticket käme für lange Zeit als dritte Fahrkartenart hinzu, da der vollständige Ersatz der am Automaten erhältlichen RMV-Fahrkarten nur langfristig denkbar ist. Gleichzeitig schließen immer mehr Schalter, gibt es weniger Möglichkeiten der persönlichen Beratung.
Der Fahrgastverband Pro Bahn & Bus lehnt das elektronische Ticket wegen der Möglichkeiten der kilometergenauen Abrechnung nicht ab, setzt aber ansonsten auf den Faktor Mensch: Abgesehen von kleinen Triebwageneinheiten, etwa der Kasseler Regiotram, müssen Zugbegleiter wieder zu jedem Zug gehören.
"Statt mit erhöhtem Beförderungsentgelt zu strafen, sollten die Zugbegleiter allen Fahrgästen, die mit den Automaten Schwierigkeiten haben, problemlos mit einem kleinen, angemessenen Aufpreis Fahrkarten verkaufen dürfen", fordert die Vorsitzende von Pro Bahn & Bus, Petra Becker: Auf einigen Strecken, auf denen keine langen Züge zum Einsatz kommen, könnte ganz auf die stationären Automaten verzichtet werden, etwa an der Vogelsbergbahn oder der Lahntalbahn. An solchen Strecken dürfte dann natürlich kein Aufpreis erhoben werden.
Vorbild für die Forderung des Fahrgastverbandes Pro Bahn & Bus ist der Nahverkehr in niederländischen und britischen Städten. Ausgerechnet dort, bei den Vorreitern der Liberalisierung im Verkehrsmarkt, haben sich seit einigen Jahren wieder Schaffner etabliert: Keine Kosten für Automaten, eine Schwarzfahrerquote gegen Null (in Deutschland häufig zwischen zwei und vier Prozent), kaum Vandalismusschäden und ein deutlicher Zugewinn an Sicherheit für die Fahrgäste sprechen für das System.
Auch große britische Privatbahnen und die Staatsbahnen anderer westeuropäischer Länder setzen auf den Zugbegleiter, teilweise in Kombination mit Automaten und Schaltern auf den großen Bahnhöfen. Selbstverständlich gibt es dort auch positive Effekte für den Arbeitsmarkt. Als dienstleistungsorientierte Tätigkeit könnte die Begleitung von Zügen in Deutschland daher ebenso förderungswürdig sein wie etwa die Ausbildung sogenannter Stadthelfer (Pressemeldung Fahrgastverband Pro Bahn & Bus e.V., 18.05.04).
mfg Martin13
PM:Pro Bahn & Bus fordert "menschlichere Züge"
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Fahrgastverband will Schaffner im Nahverkehr
Lauterbach · 20. Mai · dpa · In den meisten Regionalzügen Hessens sollten nach Ansicht des Fahrgastverbandes "Pro Bahn & Bus" wieder Schaffner mitfahren. Geschlossene Schalter und defekte Fahrkartenautomaten hielten viele Menschen von der Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel ab, erklärte die Vorsitzende des Verbandes, Petra Becker, jetzt in Lauterbach im Vogelsbergkreis.
Manche Fahrgäste hätten außerdem Schwierigkeiten mit den Automaten. Statt sie mit einem Bußgeld zu bestrafen, sollten ihnen Schaffner Fahrkarten mit einem kleinen Aufpreis verkaufen, fordert der Verband.
Vorbild sei der Nahverkehr in Großbritannien und in den Niederlanden, die bei der Liberalisierung der Verkehrsmärkte Vorreiter seien. Ausgerechnet in diesen beiden Ländern hätten sich bereits seit einigen Jahren wieder Schaffner etabliert, sagte Becker. Die Fahrgäste fühlten sich dort in den Zügen sicherer. Zudem gebe es keine Kosten für Automaten und kaum Schäden ducrh mutwillige Zerstörungen, gleichzeitig gehe die Schwarzfahrerquote gegen Null. In Deutschland kosteten Schwarzfahrer und Vandalismus die Unternehmen Millionen.
Kontrolleure als Ansprechpartner
Ein Sprecher der Deutschen Bahn sagte dagegen, die Forderung des Fahrgastverbandes sei bereits größtenteils Realität. Im Rhein- Main-Verkehrsverbund (RMV) führen inzwischen 80 Prozent der Züge mit der Begleitung eines Schaffners, im Nordhessischen Verkehrsverbund (NVV) 60 Prozent. Nur in Triebwagen ohne eigene Loks gebe es keine Zugbegleiter. In vielen dieser Züge seien jedoch Fahrkartenprüfer unterwegs. "Sie sind auch Ansprecherpartner für Fahrgäste."
Quelle: Frankfurter Rundschau