Die Erdung selbst hat einen Widerstand. Um den klein zu halten, rammt man da lange Metallspieße in die Erde, aber auch damit ist der Widerstand noch nicht Null. Wenn jetzt über die Erdung ein Strom fließt, dann hat man einen Spannungsteiler. D.h. oberhalb der Erdung hat man immer noch ein Potential von mehr als Null Volt. Berührt man jetzt zwei an unterschiedlichen Stellen geerdete Leiter, dann fließt ein Strom durch den Menschen. Durch die Verbindung aller Erdungen miteinander verhindert man diese Potentialunterschiede. Geländer und Strommast sind direkt verbunden und haben das gleiche Potential.
Schlimmer noch: Übliche Erderwiderstände sind bei längerer Trockenheit gerne mal mehrere Ohm.
Mit einer angemessenen Menge Pech (Sagen wir, Erderwiderstand 4 Ohm, Leitungswiderstand bis zur Schadensstelle 1 Ohm) würden bei 15kV "nur" 3000A fließen, was nicht zum Ansprechen einer Schutzeinrichtung führen wird.
Dann hätte ein "Erder" direkten Fahrleitungskontakt und führt damit Fahrleitungsspannung und es passiert einfach nichts, außer, dass jeder, der dem "geerdeten" Metallteil zu nahe kommt, gegrillt wird.
Auch bei geringen Erderwiderständen, bei denen eine Abschaltung zu erwarten ist, dauert es einen Moment, bis die entsprechende Schutzeinrichtung angesprochen hat. In der Zeit stehen auch dann schlecht geerdete Teile unter Spannung und können tödlich sein.
Durch die Kombination aus Erdung und Verbindung mit Schienenpotential stellt man einerseits sicher, dass ein sehr hoher Kurzschlußstrom fließt (der die Abschaltung sicherstellt), als auch, dass alles auf ungefähr gleichem Potential ist, und daher kein gefährlicher Strom durch Menschen fließen kann.
Im Prinzip würde es für den Personenschutz auch reichen, wenn man alle Metallteile untereinander verbindet und einen geschickt gebauten Erder verwendet (dieses Verfahren findet sich an Masten von Freileitungen, bei denen keine Schienen als verlässlicher Rückleiter liegen) - aber die Verbindung mit Schienenpotential ist bei Bahnanlagen neben der höheren Sicherheit auch noch materialsparender, da der Weg zum Gleis in der Regel sehr kurz ist.
Wenn man sich einen wenig frequentierten Haltepunkt mit Seitenbahnsteig sucht, kann man das Ganze ganz gut verfolgen, wie in regelmäßigen Abständen Erdungsleitungen an die bahnsteigseitige Schiene geschraubt sind, und diese auf gleicher Höhe an Geländern u.Ä. wieder auftauchen.