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Printausgabe vom 08.05.2004
Busfahrer lässt Behinderten stehen
Von Melanie Stangl
Neu-Isenburg. Jörg Oster ist Rollstuhlfahrer. Schon in seiner frühesten Kindheit hat der 23-Jährige ein Bein verloren, zudem ist er auch noch sehbehindert und kann keinen Führerschein machen. Deshalb ist er auf Busse und Bahnen angewiesen. Regelmäßig fährt der gelernte Elektroniker, der derzeit keine Arbeit hat, nach Frankfurt – meist aufs Arbeitsamt. Das wäre eigentlich kein Problem, denn die Buslinie 962 fährt in 20 Minuten vom Dreiherrnsteinplatz in Gravenbruch direkt nach Frankfurt Süd. Doch für den Rollstuhlfahrer gibt es ein entscheidendes Hindernis: die Stufen in den Bussen.
„Normalerweise müsste der Busfahrer eine Rampe ausziehen, über die ich in den Bus rollen könnte“, erklärt Jörg Oster. Außerdem gebe es Niederflurbusse mit nur einer Stufe, die über eine Klapprampe verfügen oder auf der Türseite abgesenkt werden können. „Es fahren leider nur wenige solcher Busse und bei den älteren Modellen ist die Rampe oftmals kaputt.“ Für Jörg Oster bedeutet das, teilweise stundenlang an der Bushaltestelle auszuharren. Wenn er aber Termine hat, bleibt ihm oft nichts anderes übrig, als auch in einen Bus mit Treppen einzusteigen. Dabei muss er sich mit Krücken oder mit der Hilfe anderer Passagiere in den Bus schleppen. Jörg Oster: „Es bereitet mir Schmerzen und belastet auf Dauer die Hüften.“
Hinzu kommt, dass es mit der Hilfsbereitschaft seiner Mitmenschen nicht immer so weit her ist. „Es kommt immer wieder vor, dass die Busfahrer mir nicht helfen“, so Oster. Dann muss sich der Gravenbrucher etwa solche Kommentare wie „Sie müssen eine Begleitperson dabei haben“ anhören. Ein Mal kam es noch schlimmer: „Ein Fahrer hat mir schon einmal die Tür vor der Nase zu gemacht und ist davongebraust.“
Mittlerweile hat sich Oster mit der Verkehrsgesellschaft Untermain (VU) in Verbindung gesetzt, die für den Einsatz der Busse zuständig ist – bislang jedoch ohne Erfolg. „Seit November 2003 versuche ich, den Fahrdienstleiter davon zu überzeugen, auf der Linie 962 behindertengerechte Busse einzusetzen“, berichtet Oster. „Doch alle Faxe, E-Mails und Anrufe bringen leider nichts.“ Nach wie vor stoppen nur wenige Niederflurbusse an seiner Haltestelle, am Wochenende oder nach 20 Uhr sind nur ältere Modelle mit Treppen unterwegs. Von der VU sei ihm geraten worden, eine andere Strecke zu wählen: „Ich soll mit dem Bus 970 nach Langen und von dort aus mit der S-Bahn nach Frankfurt fahren, da bin ich aber mehr als eine Stunde unterwegs“, erklärt Oster.
Für die Sprecherin der VU, Martina Mantel, ist dieses Problem nicht neu: „Zwei Drittel unseres Fuhrparks sind Niederflurbusse, die über eine ausklappbare ‚Midi-Rampe’ oder ein ‚Kneeling-System’ zum Absenken des Fahrzeugs verfügen.“ Die übrigen Fahrzeuge seien nach wie vor Hochboden-Busse, die nur über mehrere Stufen zu betreten sind. „Wir ersetzen ausrangierte Fahrzeuge nach und nach durch Niederflurbusse“, betont Mantel, „aber momentan ist leider nicht für jede Fahrt ein solcher Bus vorhanden.“ Die Fahrer seien jedoch in jedem Fall angewiesen, die Rampe auszuklappen und Behinderten beim Einsteigen in den Bus zu helfen.
Und auf die schlechten Erfahrungen von Oster angesprochen, betont sie: „Wenn hier wirklich jemand stehen gelassen wurde, kann ich mich nur entschuldigen.“
Quelle: Onlineausgabe der Frankfurter Neune Presse unter rhein-main.net