Kleiner Reisebericht aus Amsterdam

  • Nein – ich war nicht wegen der Tram dort, aber der Familienurlaub – mit in der Tiefgarage des Hotels geparktem Auto – brachte es mit sich, dass wir einige Tage intensiv mit dem ÖV unterwegs waren. Und so gibt es doch einiges zu erzählen, was teilweise sehr anders ist als in Deutschland.


    Vom Hotel aus brachte uns der 22er Bus regelmäßig zur Centraal Station. Dieses Gefährt war regelmäßig gut bis mehr als das gefüllt. Angesichts der ziemlich sportlichen Fahrweise war dann das Stehen kein Vergnügen; ob es eine harte Federung oder schlecht geteerte Straßen waren oder beides – jedenfalls war diese Fahrt ziemlich rumpelig.



    Die Linie 24 fährt nur mit diesen Wagen. Näheres über diesen Wagentyp weiß ich nicht.


    Schön und sehr bequem, dass wir die Fahrkarten im Hotel kaufen konnten (27 Euro für 5 Tage finde ich sehr akzeptabel). Glücklicherweise hatte ich mich bereits im Vorfeld informiert, denn das war doch recht ungewohnt: Man steigt unter den strengen Augen des Fahrers ein und „checkt ein“, indem man die Karte vor ein Lesegerät hält, welches sie – sofern gültig – mit einem grünen Licht und einem Piepston quittiert. Entsprechend muss man beim Aussteigen auch wieder „aus-checken“, ansonsten wird die Karte ungültig. Jede Haltestellenansage beinhaltet auch stets den Hinweis in zwei Sprachen, dass man das Aus-Checken nicht vergessen möge; das Aus-Checken wird mit einem doppelten Piepston quittiert. Wie das Ganze angesichts einer Pappkarte funktioniert, ist mir schleierhaft. Und generell auch das ganze Verfahren: Warum muss ich aus-checken, wenn die Karte noch 4 Tage gültig ist…???


    Der Innenraum der Stadt und die meisten Sehenswürdigkeiten sind dann ab Centraal Station mit zahlreichen Tramlinien in dichtem Takt sehr gut zu erreichen. Mittels des Stadtplans, den wir vom Hotel erhalten haben, war es für ÖV-Erfahrene sehr einfach, sich zurecht zu finden. Insgesamt verkehren zur Zeit 14 Tramlinien.
    Die Hauptlast des Verkehrs tragen Combinos in ER-Ausführung. Da auch sie teilweise einem sehr sportlichen Fahrstil unterzogen werden, sondern sie nach innen Geräusche ab, die man eigentlich nicht hören möchte. Besonderheit: Im hinteren Teil der Züge gibt es einen Schaffnerplatz, bei dem man ebenfalls einchecken und auch Fahrkarten kaufen kann.



    Links am Ausstieg in Rot der Sensor zum Ein- und Aus-checken.


    Für den Einsatz auf der Linie 5, die an ihrem südlichen Ende keine Wendeschleife besitzt, sind einige ZR-Combinos im Bestand. Abweichend haben diese Wagen keinen Schaffnerplatz, vermutlich aus Platzgründen wegen der Türen auf der linken Seite.


    Ausschließlich und exklusiv auf der Linie 24 verkehren die Einrichtungswagen mit 800er Nummern (siehe Bild oben - Näheres zu diesem Wagentyp weiß ich nicht). Auch von diesem Typ gibt es eine ZR-Ausführung (900er Nummern), welche die meisten Kurse der Linie 5 bedient. An manchen Tagen haben wir dort gar keinen ZR-Combino gesehen.



    920 auf der Linie 5 am Leidseplein


    Faszinierend sind in der engen Leidsestraat einige Einspur-Abschnitte. Es gibt hier allerdings keine Weichen, sondern die Gleise beider Richtungen sind ineinander geschlungen. Das Interessante daran: Es gibt keine erkennbaren Signale, welche die Einfahrt in diese Abschnitte regeln. Nach welchem Schema man verfährt, damit es hier nicht zu Problemen kommt, konnte ich nicht erkennen. Auf Sicht, also wer zuerst fährt, hat Vorrang? Oder haben grundsätzlich stadteinwärts fahrende Züge Vorrang? Vielleicht weiß ja hier jemand mehr – oder ist sprachkundig genug, dies anzufragen.



    Gelenkiger Combino auf der Brücke über die Prinsengracht im Zuge der Leidsestraat


    Ein paar abschließende Hinweise, die für dieses Forum teilweise etwas OT sind, die mir aber wichtig erscheinen:
    Der Verkehr im Inneren der Stadt ist in jeder Hinsicht chaotisch. Es gibt keine Vorrangschaltungen für die Trams, aber auch nur wenige Ampeln. Mehr als einmal hatten wir den Eindruck, die Trams haben überhaupt keine Bremsen, es reicht, dass die Glocke funktioniert, das schafft ihnen ein gutes und offenbar überwiegend unfallfreies Durchkommen. Anders als bei uns halten die Trams aber auch an Zebrastreifen. Und irgendwie kommt jeder durch, vor allem Zweiräder, mit denen man immer und überall und bei jeder Geschwindigkeit rechnen muss. Motorroller genießen die selben Privilegien wie Fahrräder („Fietsen“). Nach und nach sind wir alle an Cyclophobie erkrankt: Man braucht wirklich gute Nerven für den Verkehr in dieser Stadt.


    Schließlich: Bereits im Hotel waren 3 Tiefgaragenplätze für E-Autos reserviert. Gleiches gilt für die engen Straßen entlang der Grachten: Auch hier konnten wir zahlreiche Ladestationen mit reservierten Parkplätzen beobachten. Und es war auffallend, wie viele Tesla-Taxis unterwegs waren. Während bei uns immer noch die Vor- und Nachteile von Dieseln diskutiert werden, ist man anderenorts offenbar schon weiter.


    Vielleicht war das interessant für den Einen oder Anderen.
    Gruß
    Jörn.

  • Die Linie 24 fährt nur mit diesen Wagen. Näheres über diesen Wagentyp weiß ich nicht.


    Die ZR-Wagen heißen 11G, die ER-Wagen heißen 12G. Gebaut wurden sie 1989/1990 vom belgischen Hersteller BN Constructions Ferroviaires et Métalliques, der später von Bombardier aufgekauft wurde.

    Viele Grüße, vöv2000

  • Jede Haltestellenansage beinhaltet auch stets den Hinweis in zwei Sprachen, dass man das Aus-Checken nicht vergessen möge; das Aus-Checken wird mit einem doppelten Piepston quittiert.


    Nein, dieser Hinweis wird nicht an jeder Haltestelle durchgesagt, sondern kommt nur vereinzelt vor. Ich würde grob sagen, alle 4-5 Haltestellen einmal.

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  • Man steigt unter den strengen Augen des Fahrers ein und „checkt ein“, indem man die Karte vor ein Lesegerät hält, welches sie – sofern gültig – mit einem grünen Licht und einem Piepston quittiert. Entsprechend muss man beim Aussteigen auch wieder „aus-checken“, ansonsten wird die Karte ungültig.

    Ich könnte mir vorstellen, das das den Fahrgastwechsel erheblich verzögert oder funktioniert die Technik relativ fix und reibungslos ?

  • Zitat von »Jörn«




    Jede Haltestellenansage beinhaltet auch stets den Hinweis in zwei Sprachen, dass man das Aus-Checken nicht vergessen möge; das Aus-Checken wird mit einem doppelten Piepston quittiert.


    Nein, dieser Hinweis wird nicht an jeder Haltestelle durchgesagt, sondern kommt nur vereinzelt vor. Ich würde grob sagen, alle 4-5 Haltestellen einmal.

    Ja, jetzt wo du's schreibst: Im Bus war das bis Haarlemmerplein wohl nicht der Fall, aber in den touristischen Quartieren, wo wir uns überwiegend bewegt haben, da kam es in den Trams ziemlich regelmäßig.

  • Ich könnte mir vorstellen, das das den Fahrgastwechsel erheblich verzögert oder funktioniert die Technik relativ fix und reibungslos ?

    Natürlich verzögert das, speziell wenn man gewohnt, zu allen Türen ein- und aussteigen zu dürfen wie meistens in Deutschland und der Schweiz.


    Trotzdem funktioniert das mit diesen Pappkärtchen wirklich flott. (Wo sind die Experten, die erklären können, wie diese Belegleser Pappkarton erkennen? Oder was ist da drin, das man nicht sieht?) Beim Aus-checken gewöhnt man sich schnell an, dies nicht erst beim Aussteigen, sondern schon nach Abfahrt an der vorigen Haltestelle zu erledigen.

  • Herzlichen Dank für den interessanten Beitrag.


    Ich war selbst in den 90er Jahren in Amsterdam und habe Strassenbahnen erlebt, die heute höchstens noch in Osteuropa unterwegs sind. Tatsächlich habe ich einige Amsterdam-Trams 2004 in Poznan, Polen wiedergesehen, zusammen mit einigen Frankfurter und Düsseldorfer Handrad-Wagen :) .


    Zitat

    gibt es einen Schaffnerplatz

    . Damals - 1992 - waren sie ganz stolz, dass sie in Amsterdam aus Gründen der sozialen Sicherheit wieder Schaffner einführten. Vielleicht finde ich ja noch ein paar alte Fotos von damals.