Bahn frei für die Brennstoffzelle

  • Der "Ergebnisbericht Studie Wasserstoff-Infrastruktur für die Schiene" war und sollte auch gar keine Ergebnis offene Studie zum Einsatz von Emissionsfreien Alternativen für Dieseltriebfahrzeuge sein.

    Richtig, ergebnisoffen war das wo (soweit ich mich nach 6 Jahren erinnere – der Link gibt bei mir 404 Gründe, Dateien im Internet nicht nachträglich zu verschieben). Dennoch: diese Entscheidung hat mindestens nicht aus den Gründen, die vorher absehbar waren, zu den aktuellen Problemen geführt.

  • Ihr wollt wirklich keine fahrlässige Handlung des RMV feststellen können? Wenn das Taunusbahn-Disaster reines Pech seitens Alstom und Start war, dann hat der RMV doch bei der Vergabe irgendetwas falsch gemacht, oder nicht?

    Ich weiß, es ist manchmal schwierig, Worte zu verstehen und den Sinn von Sätzen zu erfassen. Es gibt einen Unterschied zwischen „der RMV hat nichts falsch gemacht“ und „der RMV hat grob(! das war Teil meiner Aussage!) fahrlässige Entscheidungen getroffen“.

    Finde ich sehr amüsant, wie du plötzlich das "System" kritisierst (welches wohl).

    Na das System mit Ausschreibungen. Ich bin mir sehr sicher, dass ich nirgends geschrieben habe, dass dieses System keinerlei Probleme mit sich bringt. Hier macht dein schwarz/weiß-Denken ein Problem, aber ich will jetzt hier nicht groß und breit von Nuancen erzählen. Anlaufschwierigkeiten bei Betreiberwechseln sehe ich nach wie vor als eines der größten Probleme im System mit Ausschreibungen.

    Aber ist es nicht trotz Privatisierung des Regionalverkehrs möglich, einen Auftrag zu erstellen, der die verspätete Lieferung der Fahrzeuge ausschließt, bspw. indem diese bereits eine bestimmte Zeit vorher vorhanden sein müssen?

    Nein, das ist nicht möglich, aber diese Aussage ist völlig unabhängig von Privatisierung etc. Es kann nicht möglich sein, Unwägbarkeiten auszuschließen. Es kann auch nicht sinnvoll sein, Fahrzeuge fünf Jahre im voraus schon betriebsbereit rumstehen zu haben oder Fahrzeuge, die noch funktionieren, zu früh abzustellen. Ja, mehr Reserve wäre grundsätzlich gut, aber „ausschließen“ kann man Engpässe dennoch nicht.

    Allein die Wahl des Antriebes ist zu kritisieren und diese lag beim RMV. Sie war voll bewusst getätigt worden, das die Brennstoffzellentechnologie nicht ausgereift ist, wussten alle Beteiligten von Anfang an.

    Allein die Wahl, ja? Also nicht der Betreiberwechsel komisch bist du jetzt ein System™fan? Bitte belege die zweite Aussage.

    [ich: Aber die Entscheidung, hier eine teurere Variante auszuprobieren, hat nichts mit der Problematik seit Betriebsbeginn zu tun.]

    Das wirst du doch nicht im Ernst behaupten? Die Probleme mit der Auslieferung der Fahrzeuge haben nichts mit dem Motor der Fahrzeuge zu tun?

    Nein, das behaupte ich nicht, bitte beachte den Kontext, in dem ich diese Antwort schrieb. Die Entscheidung, Wasserstoff zu nutzen, hat natürlich dazu geführt, dass es Probleme gab – weil Alstom eben nicht so weit war, wie sie selbst angekündigt und scheinbar auch erwartet hatten. Aber das war eben nicht absehbar. Der Preis war absehbar, aber nun zurückzublicken und sich über den Preis beschweren, als hätte man ja alleine wegen des Preises wissen müssen, dass die Einführung nicht klappt, ist unsinnig. Meine zitierte Aussage wäre besser formuliert: dass die gewählte Variante teurer ist, hat nichts mit der Problematik zu tun.

  • Ja, mehr Reserve wäre grundsätzlich gut, aber „ausschließen“ kann man Engpässe dennoch nicht.

    Einen Engpass vielleicht nicht, aber darum geht's hier auch nicht.

    Allein die Wahl, ja? Also nicht der Betreiberwechsel komisch bist du jetzt ein System™fan?

    Ich denke halt in schwarz-weiß...

    Bitte belege die zweite Aussage.

    Das die Brennstoffzellentechnologie nicht ausgereift ist, wussten alle Beteiligten von Anfang an, da es sich mit der Umrüstung auf der Taunusbahn um ein Pilotprojekt handelt. Das schrieb bspw. die FNP in einem hier bereits verlinkten Artikel 2019.

  • Das schrieb bspw. die FNP in einem hier bereits verlinkten Artikel 2019.

    Ah, also zwei Jahre nach der Systementscheidung hätte man von Anfang an wissen müssen, dass alles falsch war? Die Entscheidung ist 2017 gefallen. Oder setzt du „Pilotprojekt“ mit „nicht ausgereift“ gleich? Und „nicht ausgereift“ mit „geht mit Sicherheit auch nach 5 Jahren Vorbereitung total den Bach hinunter“? In dem Artikel von 2019 sind, wenn ich da grade nichts übersehe, keine Andeutungen von abzusehenden Anlaufschwierigkeiten.

  • Doch allein aus dem Grund, dass man nicht transparent und ergebnisoffen herangegangen ist, sondern sich im vor hinein auf Wasserstoff festgelegt hat, während Ausschreibungen im selben Zeitraum für Batteriefahrzeuge um bis zu 50% günstiger waren. nah.sh hat zwar auch mit Lieferschwierigkeiten zu kämpfen, aber an Ende sind dann für die halbe Milliarde, die man hingelegt hat ganze 55 Fahrzeuge da und nicht nur 27.

    Meiner Informationslage nach gab es, als die Entscheidung für Wasserstoff fiel, bereits einen Prototypen, jedoch noch von keinem einzigen Hersteller einen reinen ETA!


    Allein die Wahl des Antriebes ist zu kritisieren und diese lag beim RMV. Sie war voll bewusst getätigt worden, das die Brennstoffzellentechnologie nicht ausgereift ist, wussten alle Beteiligten von Anfang an.

    Siehe ein Absatz weiter oben. ETA waren zum damaligen Zeitpunkt noch weniger serienreif. Und die ETH-Prototypen absolvierten derweil erfolgreich zahlreiche anspruchsvolle Probefahrten.


    Das wirst du doch nicht im Ernst behaupten? Die Probleme mit der Auslieferung der Fahrzeuge haben nichts mit dem Motor der Fahrzeuge zu tun?

    Da schließe ich mich sogar an, oder warum wohl haben alle Diesel-LINT (siehe u. a. Wetterau-Netz) ebenso Verzögerungen?!



    Bei der Diskussion um die H2-Technologie gilt ganz allgemein für die Kritiker offenbar ähnlich ähnlich wie bei Impfgegnern usw. der Spruch "Ich habe meine Meinung, verwirren Sie mich nicht mit Fakten!"...

    Einmal editiert, zuletzt von MdE ()

  • Welche Antriebsart sich dazu wie gut eignet, fossile Energieträger auf Strecken, auf denen eine Oberleitung nur schwer nachrüstbar ist, ist eine auch heute, sechs Jahre nach der Entscheidung für das Taunusnetz, noch nicht komplett einfach zu beantwortende Frage. Energie- und Leistungsdichte, sowohl pro Masse als auch pro Volumen, von Diesel sind einfach richtig gut, und keine der vorgeschlagenen Alternativen kann das einfach ersetzen. Es liegt nahe und ist total sinnvoll, verschiedene Varianten einem Praxistest zu unterziehen. Es war vor sechs Jahren völlig unklar, wie sich laufende Kosten und Kapitalkosten entwickeln werden. Das ist auch heute noch nicht sicher. Irgendwo muss man die zusätzliche Investition wagen. Und dabei dann unter die Neufahrzeuge noch Dieseltriebwagen zu mischen, ist vollkommen unsinnig. Stellt euch vor, das mit dem Wasserstoff läuft super – wozu haben wir jetzt noch neu Dieselfahrzeuge gekauft? Oder schlimmer: Wasserstofffahrzeuge werden pünktlich geliefert, aber der Betrieb stockt, weil es eine Lieferverzögerung bei den Dieselfahrzeugen gibt.


    Das Taunusnetz wurde für die Erprobung von Wasserstofffahrzeugen ausgewählt, weil hier Wasserstoff in der Nähe verfügbar ist und weil es eben eine Gebirgsstrecke ist. Auch diese Wahl ist vollkommen sinnvoll getroffen worden.


    Es gab fünf Jahre Vorlauf. Das ist nicht außergewöhnlich kurz. Es gibt einen Hersteller, der daran interessiert ist, in diesem Vorzeigeprojekt gut da zu stehen. Es gibt einen Krieg, der die Lieferketten dieses Herstellers beeinträchtigt hat.


    Was man dem RMV vorwerfen könnte, ist, dass nicht von vorneherein ein Plan B vorhanden war. Aber das ist ja nicht mal spezifisch für diese Situation. Gäbe es überhaupt genügend Abstellkapazitäten, um bei jedem Generationswechsel bei Fahrzeugen alt und neu für eine Übergangszeit in voller Stärke bereit haben zu können? Wie kann man sicherstellen, dass das Personal – das ja hier sowieso neu war – auf allen (möglichen) Ersatzfahrzeugen geschult ist? Einen guten Plan B zu haben ist nicht trivial. Wie vorher geschrieben: hier ist einfach alles zusammengekommen. Nicht gut, keine tolle Werbung, Wut bei den potentiellen Nutzenden ist verständlich. Vermeidbar? Nur durch „wir ändern einfach nie irgendwas“. Aber dabei ändern wir leider das Weltklima.

  • Ah, also zwei Jahre nach der Systementscheidung hätte man von Anfang an wissen müssen, dass alles falsch war?

    Ich schrieb, dass es sich - wie der FNP 2019 zitierte - um ein Pilotprojekt handelt. Wenn dir diese Quelle zu zeitnah ist, dann verweise ich auf diese andere von 2016, ein Jahr vor dem Fall der Entscheidung:

    Für einen Pilotbetrieb werden auf den genannten Strecken zehn brennstoffzellenbetriebene Triebwagen eingesetzt in unterschiedlichen Umläufen mit z.T. hohen Tagesleistungen, die durchschnittlich 350 bis 400 km betragen. [Hervorhebung von mir]

    Es dürfte jetzt klar werden, dass es sich um ein Pilotprojekt handelt.

    Siehe ein Absatz weiter oben. ETA waren zum damaligen Zeitpunkt noch weniger serienreif. Und die ETH-Prototypen absolvierten derweil erfolgreich zahlreiche anspruchsvolle Probefahrten.

    Und da die ersten Züge noch Probefahrten absolvierten, war die Technik noch nicht ausgereift. (Ist da ernsthaft irgendetwas anzumerken? Mir erscheint es ziemlich logisch...)

    Da schließe ich mich sogar an, oder warum wohl haben alle Diesel-LINT (siehe u. a. Wetterau-Netz) ebenso Verzögerungen?!

    Weil aktuell vieles schief läuft. Stichwort Lieferketten. Es ist aber nicht zu leugnen, dass die für die Taunusbahn gewählte Antriebsart zusätzliche Schwierigkeiten einräumt, weshalb die Auslieferung deutlich länger braucht als sie sollte. Außerdem hat es erhebliche Probleme mit der Wasserstofftankstelle in Höchst gegeben und mit den Fahrzeugen selbst im Betrieb gibt es solche noch immer.

    Es war vor sechs Jahren völlig unklar, wie sich laufende Kosten und Kapitalkosten entwickeln werden.

    Ich liste mal ein paar mögliche Probleme auf, die seit 2017 hier vermutet wurden, auf:

    [14.04.2018] Was auf dem Papier passen mag (Leistungserzeugung der Brennstoffzelle, Kraftübertragung am Radreifen, Batterieladung, usw ) kann in der Praxis ganz anders aussehen....

    Das mal zur Technik, ob die damals ausgereift war... Ach, und Condor hat damit auch recht gehabt.

    [25.07.2020] Ich glaube, hier passt's am besten rein: der VDE hat in einer Studie ermittelt, dass die Wirtschaftlichkeit von Wasserstoff-/Brennstoffzellenzügen im Lebenszyklus bis zu 35% schlechter ist als die von batteriebetriebenen Zügen und auch noch schlechter als Dieseltriebzüge.

    Stichwort laufende Kapitalkosten....

    Was den HEMU so teuer macht sind die Energiekosten, die prinzipiell höher sind als die des BEMU oder EMU. [...] Der zweite Grund für den wirtschaftlichen Unterschied zwischen HEMU und BEMU sind die zum heutigen Zeitpunkt hohen Tauschkosten für die Brennstoffzelle. „Diese sind deshalb so hoch, weil deren Lebensdauer noch so kurz ist. Experten gehen davon aus, dass über die Fahrzeuglebensdauer bis zu sieben Mal getauscht werden muss“, erklärt der Fachmann Klebsch.

    [zu baeuchles Beitrag] Das Problem ist, dass die Rechenwerte für Wasserstoffzüge auf Annahmen basieren, deren Stichhaltigkeit sich erst noch erweisen muss, die ersten Serienfahrzeuge sind gerade erst ein Jahr im Alltagsbetrieb (im Elbe-Weser-Netz) unterwegs. Das betrifft z.B. die Lebensdauer der Brennstoffzellen und den Energiepreis. Sie nehmen einen Energiepreis für "grün" erzeugten Wasserstoff an, lassen aber die Betrachtung der Verwendung von industriellem Wasserstoff außer Acht, der bekanntlich ein Reststoff aus industrieller Chemieproduktion ist. Wäre interessant zu sehen, ob und wie sich das auf die Wirtschaftlichkeit z,B. im Taunusnetz der HLB auswirkt. Aber gleichwohl, eine sehr interessante Quelle.

    Es war schon einiges bekannt.


    (Wenn jetzt jemand damit kommt, dass 2020 die Entscheidung schon getroffen wurde, dann verweise ich erneut auf die Quelle für diese Zitate, dieser Thread, welcher bekanntlich 2017 erstellt wurde. Wenn aber 2019 die Technik noch so unausgereift war, dann war sie das wohl erst recht vorher, oder?)

    2 Mal editiert, zuletzt von Manzanita () aus folgendem Grund: Quellenangaben ergänzt

  • Es dürfte jetzt klar werden, dass es sich um ein Pilotprojekt handelt.

    Ja, du hast recht. Es war klar, dass es sich um ein Pilotprojekt handelt. Und als solches ist es natürlich auch noch nicht fertiggereift. Ich habe mich da vorhin wohl ablenken lassen von der eigentlichen Problemstellung.


    Du schriebst: „das[sic] die Brennstoffzellentechnologie nicht ausgereift ist, wussten alle Beteiligten von Anfang an.“ Das stimmt. Ich hatte es wohl missverstanden als „dass die Brennstoffzellentechnologie noch nicht einsatzfähig ist…“, aber das entsprang meinem unaufmerksamen Lesen. Aber du verknüpfst es mit der Wertung, dass man es deswegen hätte ganz lassen sollen. Diesem widerspreche ich.

  • Was ist nach einem Jahr, zumal weder alle Leistungen abgedeckt werden und die Brennstoffzellen von vornherein Herstellungsmängel hatten, an Ergebnissen zu erwarten?

    Die oben erwähnten 15kV / Akkubetriebwagen waren damals nicht annähernd soweit. Weiterhin wurden in Norddeutschland auch nicht alle Fahrzeuge rechtzeitig im Fahrgastbetrieb. In diesem Punkt ist das ein unentschieden, die Akku-Nichteinsatzfähigkeit hatte also das Taunusnetz gleichermaßen erwischt.

    Die start (EVU) internen Probleme wären ebenfalls bei Antriebsarten aufgetreten. Ebenso unentschieden.


    Wie sich 15kV / Akkutriewagen im Gebirge schlagen, ist noch nicht wirklich erwiesen. Die HLB im Westerwald bekommt ihre noch. Pluspunkt hier allerdings, kein Betreiberwechsel und die bisherigen Fahrzeuge sind als Backup verfügbar.

    Aber, auch hier muss erst bewiesen werden, daß die Berechnungen auch in der Praxis stimmen und die Akkus nicht auf freier Strecke schlappmachen.



    Zur RB12. Mittlerweile ist tatsächlich Umläufe mit iLINT bestückt. Bisher sind mir dort Solofahrzeuge begegnet, auch zu schönsten HVZ. Das sollte aber den Versprechungen nach eigentlich nicht vorkommen.

    Einmal editiert, zuletzt von Condor ()

  • Zur RB12. Mittlerweile ist tatsächlich Umläufe mit iLINT bestückt. Bisher sind mir dort Solofahrzeuge begegnet, auch zu schönsten HVZ. Das sollte aber den Versprechungen nach eigentlich nicht vorkommen.

    Hab bisher auch keine gesehen. Die Solofahrten sind mitunter sehr voll. Freitag nachmittag standen ca 5 Fahrzeuge an der Tankstelle.


    Ist schon bekloppt.


    Unterm Strich hat man speziell auf der RB 15 innerhalb eines Jahres vieles kaputt gemacht, was die TSB über Jahre hinweg aufgebaut hat.


    Die Fahrgäste werden mit einer nicht ausgereiften Technik als Versuchskaninchen missbraucht. Wenn da die Leute auf Autos umsteigen, ist das kein Wunder...

  • Weiterhin wurden in Norddeutschland auch nicht alle Fahrzeuge rechtzeitig im Fahrgastbetrieb.

    Für die zuspät kommenden Akku-Züge gibt es in Schleswig-Holstein im Gegensatz zum Taunusnnetz allerdings eine Transferflotte aus den bisher in den Netzen eingesetzten Dieseltriebwagen (BR 648), die durch NAH.SH bei DB Regio bestellt worden ist und den neuen Betreibern zu Verfügung gestellt wird. Hier hat man sich zumindest vorher ein paar mehr Gedanken gemacht, um Startschwierigkeiten mit den Akku-Zügen und ggf. Lieferverzögerungen zu kompensieren. Abgesehen vom Personalproblem bei Erixx und auch im nächsten Netz bei der Nordbahn hat das soweit eigentlich ganz gut funktioniert, auch wenn die Transferflotte anfangs nicht stabil gelaufen ist.

    Gruß Tommy

  • Wir sind uns einig, dass das Projekt hier ordentlich gegen die Wand gefahren wurde. Aber welche Entscheidung war hier eigentlich wirklich zu kritisieren? Wenn man sich diesen Thread anguckt, so hatten wir seit dem ersten Bericht aus der FNP im September 2017 darüber diskutiert, ob

    • denn Brennstoffzellen ausreichend Leistung für die Steilstrecken bringen könne
    • Wasserstoff als Energieträger effizient genug ist
    • der hohe Streckenanteil mit Oberleitungen denn nicht andere Varianten nahe lägten
    • iLINTs den herkömmlichen LINTs denn ähnlich sind und wie das mit Crashnormen ist

    2022 gab es dann Meldungen über die angelaufene Produktion der Züge und über die Fertigstellung der Wasserstofftankstelle.


    Zwischen all den Befürchtungen fehlte uns allen aber der Weitblick, die am Ende tatsächlich eingetretene Gefahr zu sehen: dass Alstom die Züge erst mit massiver Verspätung betriebsbereit kriegen wird.[...]

    Der Versuch hat für einen Versuch massive wissenschaftliche Schwächen, und wird daher auch weder "Tauglichkeit" noch "Untauglichkeit" auf Steilstrecken nachweisen können, da es hier nur um relative Aussagen geht (ok, gehen sollte). Diverse Eisenbahnen haben lange sehr erfolgreich und zuverlässig gigantische Mengen Verkehr über lange und steile Strecken abgewickelt, indem sie eine Höllenmaschine mit Feuer, Dampf und Zylindern vor Züge spannen. Museumsbahnen beweisen heute noch, dass dies einwandfrei funktioniert. Ist deswegen der "Betriebsversuch Dampf" z.B. im Harz als erfolgreich zu werten? Können wir daraus ableiten, zukünftige Strecken mit Dampf zu betreiben?


    Im Detail:

    • Bezüglich der Steilstreckentauglichkeit fehlen klar definierte Kriterien für "ist tauglich". Klar ist: Der Zug kommt den Berg hoch. Das war aber vorher schon klar. Dass die Fahrleistungen gegen eine Steigung schlechter werden, war auch vorher klar. Für die Frage, ob das Ganze nicht nur irgendwie, sondern tatsächlich sinnvoll funktioniert, muss man Daten aufnehmen, woher die Energie zu welchem Zeitpunkt kommt, und was das bedeutet. Dafür hätte ein einzelnes Fahrzeug, das im Linienbetrieb mitschwimmt, ausgereicht.
    • Bezüglich der Energieeffizienz gibt es keine wirklich belastbare Aussage, weil die auf gleicher Strecke mitlaufenden Vergleichsfahrzeuge gleichen Alters fehlen. Hier helfen die Fahrzeugprobleme, es bleibt aber unklar, ob die Verbrauchsdaten des Notbetriebs ausgewertet werden - und ob sie überhaupt repräsentativ sind, wenn ständig Züge ausfallen, und andere planabweichend gefüllt sind. In einem hypothetischen Regelbetrieb wird es keinen Vergleich mehr geben; die VT2E sind so unterschiedlich, dass man sie nur dann als Vergleich heranziehen wird, wenn sie energetisch deutlich schlechter dastanden (schließlich werden an neue Züge deutlich höhere Anforderungen gestellt).
      Auch hier hätten wenige Fahrzeuge neben anderen Neufahrzeugen mit Diesel eine bessere Vergleichsgrundlage geboten.
    • Ob andere Varianten besser geeignet wären, werden wir nicht herausfinden, ohne sie ebenfalls auf der gleichen Strecke einzusetzen. Ein Mischbetrieb ETA-ETH würde die Wissenslage deutlich verbessern
    • Der chaotische Betriebsstart mit einem offensichtlichen Problem (Die Züge waren nicht termingerecht verfügbar, unabhängig von der Frage, wer dafür jetzt verantwortlich ist) verleitet dazu zu einem Zeitpunkt X, wo die Züge irgendwie fahren, die vorher diskutierten Probleme zu vergessen. Schließlich hat man ja "die Probleme" beseitigen können.
    • Die wissenschaftlich sauberer Durchführung des Betriebsversuchs kann nicht überwacht werden, weil die Erwartungen im Vorfeld nicht klar formuliert wurden. Nur völliges Totalversagen der Fahrzeuge wäre eine eindeutlige Aussage. Aber da sind wir - selbst nach diesem fast beispiellosen Fiasko - nicht.

    Diesen ganzen Problemen, die den Erkenntnisgewinn schmälern, steht gegenüber, dass der Versuch mit maximalem Risiko durchgeführt wurde. Der flächendeckende Einsatz eines Zugtyps maximiert eben auch noch das Risiko.


    Ich bleibe da bei der Meinung, dass dieser "Betriebsversuch" primär dem Schulterklopfen in Teppichetagen dient:

    Läuft alles gut, hat man "was großes geleistet", und hat bewiesen "das es geht".

    Läuft es nicht so gut, war es ein Betriebsversuch und Opfer müssen gebracht werden.

  • Der Versuch hat für einen Versuch massive wissenschaftliche Schwächen, und wird daher auch weder "Tauglichkeit" noch "Untauglichkeit" auf Steilstrecken nachweisen können, da es hier nur um relative Aussagen geht (ok, gehen sollte).

    Wie kommen wie jetzt auf die Forderung, dass ein Pilotprojekt notwendigerweise wissenschaftlichen Kriterien genügen muss? Und wieso kommen wir da genau jetzt drauf, wo wir alle im Nachhinein sehen, dass massiv was schiefgelaufen ist, und wissen es nun so viel besser, wenn auch dieser Aspekt vorher niemandem so offensichtlich war, wie jetzt alle tun? Das ist, was ich kritisiere, und meine von dir zitierte Auflistung zeigt nicht auf, welche Fragen im Pilotprojekt beantwortet werden müssen, sondern welche Fragen wir vorher gestellt hatten – und insbesondere, welche nicht.


    Was ist relativ an der möglichen Aussage „das Betanken der Fahrzeuge funktioniert auch nach drei Jahren noch nicht zuverlässig“ oder „das Betanken der Fahrzeuge hat nach Startschwierigkeiten ohne Probleme geklappt“? Was ist relativ an der Aussage „im Winter reicht die zur Verfügung stehende Leistung im Zug nicht aus, um adäquat heizen zu können und die Steigungsstrecke bewältigen zu können“? „Der Betrieb birgt eine Menge nicht vorhergesehener Folgekosten“ vs „Der Betrieb kostet in etwa soviel wie ursprünglich veranschlagt“ ist vielleicht relativ zu den Erwartungen, aber wenn man so argumentiert, ist jeder hilfreiche Datenpunkt immer relativ – zu der zu überprüfenden Hypothese.

    Ist deswegen der "Betriebsversuch Dampf" z.B. im Harz als erfolgreich zu werten?

    Nur, weil du der Meinung bist, dass der „Betriebsversuch“ im Taunus nicht gut durchdacht ist, ist nicht jeder andere Verkehr in gleichem Maße ein Pilotprojekt oder Betriebsversuch.


    Am Ende bleibt eben die Erkenntnis, dass die Züge, die baugleich(?) in der Heide schon vor vier Jahren gestartet sind, nicht rechtzeitig in einem betriebsbereiten Zustand waren. Und das all die Probleme, die antizipiert wurden, nicht aufgetreten sind, statt dessen andere. Und das man all das ja hätte wissen müssen. Hindsight is 20/20. Ich bleibe unbeeindruckt.

  • Unter Ausschluss jeglicher Risiken wären nur Dieselfahrzeuge möglich gewesen. Wie sich die Akkus nach n Ladezyklen verhalten, ist auch nicht wirklich bekannt. (Betrifft natürlich auch die iLINT). Dieselfahrzeuge wurden ausdrücklich nicht gewollt. Ehrlicherweise müssen wir den Entscheidern zugestehen, eine Entscheidung zwischen zwei Wagnissen getroffen zu haben.

    Nur das Abenteuer Technik und Betreiberwechsel hätte möglicherweise vermieden werden können. Das start nicht gerade mit topp Qualität aufwartet, kann weder der Brennstoffzelle noch dem Fahrzeughersteller angetastet werden.

  • auf denen eine Oberleitung nur schwer nachrüstbar ist,

    Da sind wir aber bei einem grundsätzlichen Thema. Wo ist denn Oberleitung "nur schwer" nachrüstbar? Hindenburgdamm wird gerne angeführt, wegen Salzwasser und Isolationsproblematik. Ansonsten gibt es aber nur wenige Gründe, keine Fahrleitung nachzurüsten.

    Die Schweizer Kollegen lachen sich doch quasi tot, ob der Diskussionen, die hierzulands geführt werden. "Zu teuer" ist wohl keine technische Begründung, dito die Problematik mit den Ach-so-besorgten-Bürgern, wie wir ja auch hier im Forum einen hatten als es um die Taunusbahn ging. Lichtraumprofil spielt auch nur in den wenigsten Fällen eine tragende Rolle und üblicherweise schon gar nicht für eine gesamte Strecke, sondern maximal für singuläre Punkte (z. B. 'ne Brücke). Und da wahlweise einen Schwungfahrabschnitt einzubauen oder ein Hybridfahrzeug zu nehmen, was nur die 500 Meter autark überbrücken muss, ist jetzt vermutlich kein Hexenwerk.

  • Da sind wir aber bei einem grundsätzlichen Thema. Wo ist denn Oberleitung "nur schwer" nachrüstbar?

    Ich hatte meine Worte mit Bedacht gewählt und nicht von „nicht nachrüstbar“ geredet, eben weil Oberleitung auf allen Strecken nachrüstbar ist. Es ist dort „schwer“, das zu tun, wo der Aufwand dafür deutlich höher ist als an anderer Stelle.


    Realistisch betrachtet werden wir Lösungen brauchen für Fahrten ohne fossile Treibstoffe, bevor überall eine Oberleitung hänge. Und dann spielt es eben keine Rolle, ob es an hohen Initialkosten (größerer Tunnelquerschnitt, höhere Brücken), geringem Zugangebot oder verbohrten Anwohner*innen liegt.

  • Realistisch betrachtet werden wir Lösungen brauchen für Fahrten ohne fossile Treibstoffe, bevor überall eine Oberleitung hänge.

    Ja und nein. Das Thema Nachrüsten von Fahrleitung hätten "wir" schon lange angehen können. Und bei den jetzigen Alternativideen sehe ich immer die Problematik, dass wir uns damit ein Provisorium hinzimmern, welches dann wieder Ewigkeiten hält. Denn wenn der Batteriezug fährt, brauchen wir so schnell ja keine Fahrleitung, also lass uns das nochmal in fünf Jahren andiskutieren. Oh, wir haben ja jetzt einen autonomen Wuppdizitätsantrieb, da brauchen wir so schnell keine Fahrleitung, lass uns das in fünf Jahren ...

  • Die beiden Punkte auf dem ‚a‘ zwischen „h“ und „tten“ machen halt den relevanten Unterschied.

    Richtig. Ist aber leider auch Teil der Endlosschleife "hätten wir die Fahrleitung vor 20 Jahren gehängt, wäre das ja nicht so teuer geworden" (wahlweise auch: hätten wir mal vor x Jahren die Bahnstrecke nach y reaktiviert oder die Straßenbahn nach z gebaut...).

  • Auf den Beitrag von Manzanita gehe ich später ein (ist mobil etwas blöd mit den Zitaten), hier erst einmal aus aktuellem Anlass der Hinweis auf das wegen dem Schnee und Problemen bei der konventionellen Zustellung vorübergehend frei verfügbaren ePaper der FNP, wo wieder ein Artikel zum Thema erschien. Wirklich viel Neues gibt es nicht, dafür diverse Schuldzuweisungen und Hinweise auf Vertragsstrafen gegenüber Alstom, Freifahrten 2024, angeblich bessere Personalsituation und die Fahrgastinfo. Aber Achtung: Die Liniennummern werden wild durcheinander geworfen, da heißt es in etwa "auf der Taunusbahn [...], hingegen auf der RB 15...".