Kassel beschafft 40 neue Straßenbahnen

  • Danke immer besser werdender ad-hoc Produktionsverfahren wie 3D-Druck, der sogar auch schon im Flugzeugbau Einzug erhalten hat, sollte es immer leichter werden, nachhaltig verfügbare Pläne haben zu können und entsprechende Ersatzteile nachproduzieren zu können. Es ist übrigens gänzlich üblich, dass im Falle von Insolvenzen das Post-Sales Geschäft auch an andere Unternehmen wieder verkauft wird, da hierzu auch ein gewisses Markpotential herrscht. Ich denke das ist in der Tat eine berechtigte und gute Forderung, die am Ende niemanden verschrecken wird.

  • 3D-Druck hilft halt leider nicht bei Elektronikersatzteilen.

    Und hier dürfte der Hase im Pfeffer liegen. Mechanische Teile kann potentiell jede bessere Maschinenbaubude nachfertigen - evtl sogar der Verkehrsbetrieb selbst.


    30 Jahre Verfügbarkeit von Elektronikersatzteilen dürfte nur gehen, wenn man alle Schnittstellen so sauber und einfach definiert, dass entsprechende Teile aus neuerem Silizium leicht nachgebaut werden können.

    Wenn das gelingt, wäre das ein eindrucksvoller Schritt, auf den ich schon lange warte.

  • Auch hier hat in den letzten Jahren ein Umdenken stattgefunden und immer weniger Hersteller machen sich die Müher propietärer Komponenten. Liegt schon daran, dass die Vernetzung mit immer mehr anderen Teilen notwendig und gefordert wird und dass immer mehr Komponenten von Subdienstleistern entwickelt werden und für mehrere Anbieter gleich genutzt wird.

  • Die im Sinne der Nachhaltigkeit einzig sinnvolle Lösung bestünde darin, dass Hersteller ausgelaufene Komponenten, egal ob elektronisch oder mechanisch, quasi als Open Source zur Verfügung stellen. Dann kann man sie auch ggf. sogar besser nachbauen. Denn ohne Pläne geht da nix. Aber da hängen wohl oft Patente bzw. Geschäftsinteresse dran, die dem entgegen stehen (man will ja auch was Neues verkaufen).

  • Aber da hängen wohl oft Patente bzw. Geschäftsinteresse dran

    Wie gesagt: keine Patente. Patente sind ein Vertrag der Gesellschaft mit Erfinder*innen, der ursprünglich im Prinzip lautete: du nimmst dein Geheimnis nicht mit ins Grab, sodass wir weiterhin davon profitieren können, und wir verbieten allen, das Gleiche zu bauen, selbst wenn sie die Idee unabhängig von dir hatten. (Du darfst es denen natürlich gerne gesondert erlauben.)


    Mit anderen Worten: Patente sind öffentlich.


    Bauzeichnungen halt nicht.


    (Und wie bei allen juristischen Aussage schiele ich zu tunnelklick und bin gespannt, ob er mich korrigiert.🤣)

  • Wenn ich schon so direkt angesprochen werde, will ich eine Antwort versuchen:

    Patente (und auch Gebrauchsmuster) sind öffentlich, nach Prüfung der Patentanmeldung wird die Patentschrift vom Patentamt veröffenlicht. Die Schutzfrist sind 20 jahre (es gibt Ausnahmen). Was nicht im Patentregister steht, ist nicht geschützt.


    Eine Konstruktionszeichnung kann demgegenüber ein Geschäftsgeheimnis sein. Der Begriff des Geschäftsgeheimnisses ist seit 2019 gesetzlich geregelt im Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG). Darin ist aber geregelt, dass ich einen Gegenstand, den ich rechtmäßig erworben habe, untersuchen, rückbauen, testen ... kann und nachbauen darf. Man muss nur aufpassen, dass es nicht einen konkurrierenden Schutz etwa des Designs gibt.

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  • Das Problem ist hier weniger die Hardware. Da kann man (sogar bei Elektronik, wenns sein muss) nach Muster neue Pläne erstellen. Das nützt aber nichts, wenn auf einer Platine ein Mikrocontroller steckt, für den man die Software nicht bekommt (die haben meistens einen Ausleseschutz).

    Ebenso neigen gerade hochintegrierte Bausteine dazu, nach einer bestimmten Zeit überhaupt nicht mehr verfügbar zu sein.

    Manche Bausteine (ich denke jetzt an so altehrwürdige Controller wie den 80C39 oder diverse PICs) sind so erfolgreich geworden, dass sie vermutlich noch ewig beschaffbar sein werden. Bei anderen bleibt der große Erfolg aus, so dass sie schnell wieder vom Markt verschwinden.

    Hat man auf so einen Controller gesetzt (woher soll man das wissen?) hat man in Folge ein Problem.

    Man könnte einen anderen Controller einsetzen - aber dann darf man die Software neu entwickeln (und evtl neu zertifizieren lassen...).

  • Es gibt zwar Controller mit Ausleseschutz, aber die sind nicht zu 100% vor Hacking geschützt.

    Es kommt immer auf den Aufwand an. Insbesondere komplexere Chipdesigns haben oft leicht zu

    umgehende Hintertüren (bewusst [zB Anordnung durch Geheimdienst] oder unbewusst [zB ver-

    gessen Teile des Debugzugangs vor weiterreichen in die Fertigung zu entfernen])


    Info an alle die es interessiert: der 80C39 gehört zur 8048 Familie...und ein bekannter Einsatz eines

    Controllers aus dieser Familie ist der Tastaturcontoller vom IBM PC AT (Intel 80286)

    In god (an invention by mankind) we trust - on earth we don't


    Sincerly yours, NSA
    powered by US government

  • Insbesondere komplexere Chipdesigns haben oft leicht zu

    umgehende Hintertüren (bewusst [zB Anordnung durch Geheimdienst] oder unbewusst [zB ver-

    gessen Teile des Debugzugangs vor weiterreichen in die Fertigung zu entfernen])

    Nun geht es hier ja um Geräte für ein (wenn auch kommunales) Straßenbahnunternehmen in Deutschland. Ich glaube irgendwie kaum, dass man sich dort auf BND oder NSA verlassen möchte, wenn in 30 Jahren ein Ersatzteil benötigt wird.

  • In den meisten Fällen reicht der CCC ;)

    „In 30 Jahren werden wir bestimmt Hacker finden, die uns das kopieren können und dafür billiger zu haben sind als einfach heute dem Hersteller zu sagen, dass wir das haben wollen“ ist zu recht eine sehr wenig verbreitete Geschäftsstrategie.

  • Das ist ja auch nicht Zweck meiner Aussage.....sondern eine Hinweis dass es Möglichkeiten gibt an

    den Sourcecode zu kommen, wenn man den tatsächlich irgendwann mal braucht (zB im Museumsverein).

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  • Reicht doch um Fehler zusuchen oder Programmteile umzuschreiben.

    In der Theorie ja. In der Praxis... viel Spaß. Mal Beispiele aus meiner eigenen "Reverse-Engineer"-Erfahrung.
    Ich habe mir, teils aus eigenem Interesse, teils aufgrund von Anfragen aus dem Freundeskreis ein paar alte "ÖPNV-Zubehörteile" genauer unter die Lupe genommen. (Achtung, hier wirds technisch)


    Das erste Projekt war die Innenanzeige, die früher im R oder U4 verbaut war. Der Prozessor ist übrigens ein Z80-Derivat (auch schon altehrwürdig), auslesen ist kein Problem, da das Programm in einem externen EPROM steckt. Die Dinger sind leicht auszulesen (ist auch Sinn der Sache). Die Programmierer damals haben anscheinend das Programm in Assembler geschrieben, es war leicht zu verstehen (und bei der Gelegenheit ein paar Bugs zu finden). Inclusive reverse engineering der Hardware (Schaltpläne hatte ich keine) war das in ein paar Tagen gegessen.


    Das zweite Projekt (ist momentan unterbrochen und liegt auf Eis) ist der legendäre Flipdotcontroller SA535-4 von Brose. CPU aus der 8051-Familie, auch ein Klassiker, das Programm ebenfalls in einem leicht auslesbaren EPROM. Jaaa... aber verstehen, was da passiert, ist eine ganz andere Hausnummer. Das Programm wurde nicht von Hand in Assembler geschrieben, sondern vermutlich in C. Aufgrund der Optimierungen ist es wesentlichs chwieriger den Überblick, was eigentlich passiert, zu behalten. Klar, Anweisung für Anweisung ist verständlich, aber das warum... Wenn dann noch dieselben Speicherbereiche mehrfach genutzt werden, weil der Compiler erkannt hat, daß gewisse Programmteile nie zeitgleich arbeiten, man den Speicher also wiederverwenden kann, artet das in Chaos aus.


    Momentan bin ich an einer Linienverlaufsanzeige (nicht aus Frankfurt) - gleicher Prozessor, gleiche Problematik. Aufgrund des wesentlich einfacheren Programms habe ich nach etlichen Monaten Arbeit die "Entschlüsselung" des Programms fast fertig. Ja, es *reicht*, um Fehler zu suchen oder Programmteile umzuschreiben. Aber es ist ein Aufwand, den im Rahmen bezahlter Arbeit niemand leisten möchte. Als Hobby/Spaß an der Freude/Fingerübung ist das etwas völlig anderes.

    Tja, jetzt machste dir extra die Arbeit, das hier unten zu lesen - und dann steht da nichts sinnvolles. Pech gehabt.

  • CPU aus der 8051-Familie [...] sondern vermutlich in C.

    Da gibt es prinzipiell, was Hochsprachen betrifft, nur zwei Möglichkeiten: 1. Es ist wirklich C, dann ist es der Keil C51. Dessen Optimizer mit mehreren Durchgängen war seiner Zeit echt voraus! 2. Es war Intel PL/M. Gerade bei den MCS-51 war das seitens Intel eigentlich die präferierte Sprache. Kennt heute aber so gut wie keiner mehr.

  • Das Hauptaugenmerk lag ja auch primär weniger im finden von Bugs ... die sollten nach 3-5 Jahren schon bekannt sein. Hauptaugenmerk liegt doch eher in einer Reproduzierbarkeit Teilen durch "physische" Schäden.


    Im anderen Fall muss ja nicht mal 1:1 alte Technik nachgebaut werden. Wenn ich nach 20 Jahren etwas ersetzen oder ändern muss, kann ich auch neue Technologien verwenden und etwas neu bauen lassen. Dein Beispiel von Anzeigen sind ja prädestiniert. Wenn die Anzeigensteuerung alt nicht mehr funktioniert, muss eine neue her. Jetzt kommt nur die Forderung: die Schnittstellen müssen dokumentiert und definiert sein.

  • Eine definierte Schnittstelle ist sicherlich hilfreich. Aber von einer definierten Schnittstelle zu einem funktionierendem Ersatzteil ist noch ein weiter Weg. Die Software muss ja noch programmiert werden, und sowas wird schnell mal sechs- bis siebenstellig. Unter EBO müsste sowas dann wohl auch neu zertifiziert werden - gilt das auch für Trams?