Veranlasst durch die aktuellen Entwicklungen zur Nordmainischen S-Bahn und Europaviertel-U-Bahn möchte ich hier eine kleine Analyse probieren, welche Verkehrsprojekte in Frankfurt Erfolg oder Misserfolg haben und warum. Ich hoffe darauf, von Euch korrigiert und ergänzt zu werden.
Zunächst einmal gibt es in Frankfurt ja eine lange Tradition sehr ideologisch geprägter Verkehrsplanung. Auf der einen Seite standen und stehen die Verfechter von Tunnelbauten, auf der anderen Seite die reinen Straßenbahnbefürworter, vielleicht am besten repräsentiert durch die Initiative Frankfurt22. Inzwischen gibt es jedoch auch eine sehr pragmatische Fraktion, die jedem Verkehrsmittel seinen Platz einräumt und einen Ausgleich zwischen den Extremen sucht. Nicht nur die Projekte von „Rettet die U5“ stehen für diesen pragmatischen Ansatz, auch einige weitere Vorhaben sind ganz im Sinne einer derartigen unideologischen Verkehrspolitik.
In mehreren Fällen gab es in letzter Zeit von allen drei Richtungen Vorschläge zur Lösung bestimmter Verkehrsprobleme, wobei sich wohl jeweils die pragmatische Richtung durchzusetzen scheint: In der Eckenheimer Landstraße haben weder die ideologische Tunnellösung noch die dem entgegengesetzte ebenso ideologische Straßenbahnlösung eine Chance; umgesetzt wird die Kompromisslösung „Stadtbahn ohne Tunnel“. Ähnliches gilt für den Lückenschluss der D-Strecke. Auch hier wurde die reine Tunnellösung verworfen, ebenso die Verlängerung der Straßenbahnlinie 16 über den Riedberg nach Bad Homburg. Zukunft hat vermutlich die Ginnheimer Kurve.
Warum haben diese pragmatischen Vorschläge so großen Erfolg? Zu nennen sind vor allem folgende Punkte:
- Es handelt sich jeweils um Kompromisse, bei denen viele Vorteile der beiden konkurrierenden Extremlösungen gleichzeitig verwirklicht werden.
- Insbesondere sind die pragmatischen Vorschläge erheblich kostengünstiger als die reinen Tunnellösungen.
- Gleichzeitig wird an einem attraktiven Verkehrsmittel (Stadtbahn) festgehalten.
- Durch Vermeidung von Kosten und Schaffen eines hohen verkehrlichen Nutzens wird ein hoher NKF erzielt, der zu förderungswürdigen Projekten führt.
- Wenn möglich, werden bei Inkaufnahme eines kleinen Nachteils sehr kreativ zusätzliche Vorteile erzielt, die keine der konkurrierenden Extremlösungen aufweist. (Beispiel: Bedienung des Uni-Campus Westend und der Bundesbank bei Inkaufnahme einer geringfügig längeren Fahrtzeit).
Die beiden Projekte, die nun aus finanziellen Gründen zu scheitern drohen, lassen sich unschwer den Befürwortern längerer Tunnel zuordnen: Sowohl im Europaviertel als auch bei der Nordmainischen S-Bahn sind eben diese Tunnel für das wahrscheinliche Scheitern verantwortlich. Dagegen sind offensichtlich die Projekte einer pragmatischeren Verkehrspolitik nicht gefährdet: die Verlängerungen der U2 zum Bad Homburger Bahnhof und der U5 zum Frankfurter Berg sowie der Bau der RTW.
Was liegt daher näher, als auch im Fall der beiden nun gefährdeten Projekte nach pragmatischen Lösungen zu suchen?
Schauen wir zunächst, was die der Tunnelfraktion entgegengesetzten Straßenbahnideologen von Frankfurt22 vorschlagen: Im Fall des Europaviertels wird zu einer Straßenbahn-Ringlinie Hauptbahnhof – Rebstock – Europaviertel geraten. Als Ersatz einer Nordmainischen S-Bahn werden zwei Schnell-Straßenbahnlinien von Hanau zum Frankfurter Hauptbahnhof propagiert; die eine soll in die Altstadtstrecke münden, die andere auf die Strecke der auszubauenden Hafenbahn.
Die Frage ist nun: Gibt es jeweils zwischen den beiden Extremen nicht wieder einen guten Kompromiss? Ich gespannt darauf, zu welchen Ergebnissen „Rettet die U5“ diesmal kommt. Aber auch andere kluge Köpfe sind aufgerufen, nach Lösungen zu suchen.