Wettbewerb soll Kosten sparen: Hinter den Kulissen wird um Zuständigkeiten gerangelt
Machtkampf um den ÖPNV
Von Günter Murr
Frankfurt. Durch mehr Wettbewerb sollen die Kosten für den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) in Frankfurt deutlich gesenkt werden. Doch die Konsequenzen für die städtischen Gesellschaften sind derzeit noch nicht absehbar. Hinter den Kulissen wird um Macht und Einfluss gerangelt.
Die bisherigen Erfahrungen, die der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) bei rund 20 Ausschreibungen in der Region gemacht hat, bestätigen die Linie der Stadt. Zehn bis 20 Prozent Einsparungen konnten bei zum Teil besserer Qualität erzielt werden. Bei den im Wettbewerb vergebenen Buslinien liegt der Kilometerpreis unter 2,20 Euro. In Frankfurt zahlt die lokale Nahverkehrsgesellschaft Traffiq dagegen an die Verkehrsgesellschaft Frankfurt (VGF) rund 2,80 Euro. Auch die erste Ausschreibung in Frankfurt mit vier kleineren Linien, für die die Verkehrsgesellschaft Untermain (VU) den Zuschlag erhielt, war ein wirtschaftlicher Erfolg. Innerhalb von fünf Jahren spart die Stadt gegenüber dem VGF-Preis rund eine Million Euro. Auf den Linien sollen künftig die Fahrgeldeinnahmen ungefähr die Kosten decken.
Zwei Drittel der RMV-Ausschreibungen haben mittelständische Unternehmen gewonnen. Im Landkreis Marburg-Biedenkopf zum Beispiel hat ein Zusammenschluss von fünf kleineren Busbetrieben den Zuschlag erhalten. Lediglich im Landkreis Fulda haben öffentliche Verkehrsunternehmen das Rennen gemacht. Die dortigen Ausschreibungen gewannen die Hamburger Hochbahn sowie die Kraftverkehr Kinzigtal (KVK), an der über die Hanauer Straßenbahn indirekt auch die VGF beteiligt ist.
In Frankfurt wurde das Liniennetz in fünf Bündel geteilt, damit sich nicht nur ganz große Unternehmen um den Auftrag bewerben können. Für die 17 Linien und 2,9 Millionen Kilometer Fahrleistung pro Jahr sind immerhin 50 Busse nötig. Bis zum 1. Oktober müssen die Angebote bei Traffiq eingereicht werden. Die Entscheidung soll Anfang Januar fallen, Betriebsbeginn ist im Dezember 2005. Bundesweit wird diese Ausschreibung mit größter Aufmerksamkeit verfolgt, handelt es sich doch um den ersten Linienverkehr einer deutschen Großstadt, der in den Wettbewerb geht.
Doch es tauchen immer wieder Probleme auf. So muss geklärt werden, wie ein möglicher Konkurrent der VGF diskriminierungsfreien Zugang zu deren Infrastruktur erhält. Das geringste Problem sind die Bushaltestellen. Diese könnte Traffiq von der VGF mieten und gegebenenfalls einem anderen Betreiber zur Verfügung stellen. Schwieriger verhält es sich bei der Betriebsleitstelle der VGF, in der die Daten aller Busse, U-Bahnen und Straßenbahnen zusammenlaufen und Störungen behoben werden. Einem privaten Busunternehmen wird es nicht gefallen, wenn die VGF ungehindert Zugriff auf sensible Betriebsinformationen der Konkurrenz hat. Die VGF sieht Traffiq am Zug, eine Lösung vorzulegen.
Zum einen könnte Traffiq selbst die Leitstelle übernehmen. Doch dagegen gibt es Bedenken im Römer, da einigen Politikern die Nahverkehrsgesellschaft zu mächtig wird. Planungsdezernent Edwin Schwarz (CDU) will ihr nämlich die Koordination des Gesamtverkehrs in Frankfurt übertragen.
Eine andere Möglichkeit wäre, die Leitstelle in die neu gegründete «Nahverkehrs-Infrastrukturgesellschaft» (NIG) einzugliedern, die wie die VGF zur Stadtwerke-Holding gehört. Dagegen aber sträubt sich die VGF, die ohnehin weiter an Einfluss zu verlieren droht. Denn die NIG soll Tunnel, Gleisanlagen und Haltestellen der VGF übernehmen. Nicht begeistert von diesen Plänen ist die SPD. Sie plädiert dafür, dass die NIG nur die Beschaffung neuer U-Bahnen übernehmen soll, um Landeszuschüsse zu sichern.
In letzter Konsequenz stellt sich in diesem Machtkampf die Existenzfrage für die VGF: Die Zuständigkeit für den Fahrplan hat sie bereits an Traffiq abgegeben. Den Busbetrieb droht sie an Wettbewerber zu verlieren, die Infrastruktur an die konzerneigene Konkurrenz der NIG. In welche Richtung die Diskussion geht, zeigt ein Beitrag im nächsten Heft der Zeitschrift Kommunalpraxis. Darin wird den Städten empfohlen, ihre Verkehrsbetriebe ganz oder teilweise zu verkaufen.
Quelle FNP 31.8.04 von Günter Murr