Bahn frei für die Brennstoffzelle

  • Ich verstehe nun deinen Vergleich mit den Dampfzügen, aber du beantwortest doch die Frage selbst. Bei der Entscheidung zu einer Technologie wird eine Schätzung der Betriebskosten zugrundegelegt. Diese beinhaltet bei Dampfzügen den Personalaufwand für Heizer*in, Lokführer*in, Werkstatt, die Kosten für die Kohlelieferinfrastruktur und die Wasserkräne. Sie beinhaltet heutzutage auch eine Klimafolgenabschätzung, also die CO2-Bilanz. Ähnlich für Diesel.


    Und vielleicht haben wir hier ein Formulierungsproblem: die Beantwortung der Frage, ob die vorher getroffenen Schätzungen korrekt waren oder nicht bedarf einer Überprüfung, aber diese Überprüfung bedarf nicht unbedingt einer wissenschaftlichen Begleitung.

    Der Dampfzugvergleich wird interessant, wenn man annimmt, dass "Kohle verfeuern" aus irgendwelchen Gründen erstrebenswert ist, z.B. weil wir CO2-neutrale Kohle erfunden haben (Wie es bei Wasserstoff nun mal ist. Man macht das ja nicht, weil es so schön einfach ist, sondern weil man vom Diesel weg will).

    Wie viel Mehraufwand ist man bereit, "für die gute Sache" in Kauf zu nehmen?

    Die Fälle "Die Kiste ist ab Werk sofort zuverlässig, leistungsfähig und effizient" und "Die Kiste fährt überhaupt nicht" sind einfach. Aber in der Realität wird der Wasserstoffzug Probleme bereiten, die im Auge des einen Betrachters akzeptabel sein werden in im Auge des Anderen nicht.


    Für "wissenschaftliches Arbeiten" brauchen wir auch keine Universität, aber dort (leider nicht so sehr, wie es nötig wäre) übliche Methoden: Z.B. VOR dem Test die Erwartungen in Zahlen zu notieren, und sie in Folge nicht zu verändern (dies kann man durch vorherige Veröffentlichung sicherstellen). Sonst kommt "Jo, war ganz OK" bei raus, und man ist nicht so besonders viel schlauer geworden.
    Die jetzt stattfindende lange Anlaufzeit (größtenteils mit Problemen, die nichts mit dem Antrieb zu tun haben) verschärft dieses Problem in meinen Augen, weil die "gefühlte" Betriebsqualität der VT2E-Zeit immer mehr zu einer unscharfen Erinnerung wird, ähnlich wie bei der Bundesbahn alle Züge immer gefahren sind.


    Wirtschaftliche Betrachtungen werden hier blöderweise durch potentielle Fördergelder und Imageüberlegungen verzerrt. Auch hier ist nur ein eindeutiger Stopp des Projekts eine verwertbare Aussage.

  • War der Einsatz eines ET 425 auf der RB11 eher eine Ausnahme oder kommt dies häufiger vor? Heute Morgen fuhr der 423 370 auf der RB11.

    Hallo.


    423 370?

    Wow! Ein Stuttgarter ET 423 fährt Ersatzverkehr für start auf der RB 11!


    Grüße ins Forum

    Helmut

    You'll Never Ride Alone.

  • Der Dampfzugvergleich wird interessant, wenn man annimmt, dass "Kohle verfeuern" aus irgendwelchen Gründen erstrebenswert ist, z.B. weil wir CO2-neutrale Kohle erfunden haben (Wie es bei Wasserstoff nun mal ist. Man macht das ja nicht, weil es so schön einfach ist, sondern weil man vom Diesel weg will).

    Wie viel Mehraufwand ist man bereit, "für die gute Sache" in Kauf zu nehmen?

    Gehst du da nicht vom deiner Prämisse des im Harz laufenden Betriebsversuchs weg? Da wird ja eben keine CO2-neutrale Kohle verfeuert. (Oder etwa Holz.) Ein Betriebsversuch dahingehend würde z.B. Erfahrungen sammeln müssen, wie gut sich die synthetische Kohle schippen lässt, wenn sie schon x Kilometer lang im Tender hin- und her gestoßen würde.


    Für "wissenschaftliches Arbeiten" brauchen wir auch keine Universität, aber dort (leider nicht so sehr, wie es nötig wäre) übliche Methoden: Z.B. VOR dem Test die Erwartungen in Zahlen zu notieren, und sie in Folge nicht zu verändern (dies kann man durch vorherige Veröffentlichung sicherstellen).

    Ich freue mich, das wir da das gleiche Verständnis haben. Mein Einwand mit Hochschulen entsprang meiner Unsicherheit, was du genau unter Wissenschaftlichkeit verstehst. Als anderes Beispiel wäre es aber vollkommen ausreichend, wenn Erwartungen VOR dem Test intern festgehalten würden. Denn letztlich muss der RMV nicht uns überzeugen, ob alles gut gelaufen ist, sondern aufgrund seiner Erfahrungen zukünftige Entscheidungen treffen und sollte die Ergebnisse nach Möglichkeit mit anderen Entscheidungsträgern teilen.


    Wir haben keinen Anlass, anzunehmen, dass der RMV komplett ohne Plan und ohne Kriterien in dieses Projekt gegangen ist. Die Auswertung dieser Kriterien wird, wie fast alles andere kaufmännische beim Verbund, intern erfolgen und die Daten dazu werden nicht offen gelegt werden. Das kann man aus ganz anderen Gründen kritisieren, ist aber nicht auf Wasserstofffragen beschränkt und daher off-topic. Zu erreichende Kennzahlen vorher zu veröffentlichen könnte Informationen über andere, intern zu haltende Informationen, etwa über bestehende Verkehrsverträge, ausplaudern.


    Kurzum: wir führen den Versuch nicht durch, wir werten ihn nicht aus, wir müssen nicht von der Validität der Ergebnisse überzeugt werden. Daher ist es für einen guten Versuch auch nicht wichtig, dass wir über die Erwartungen an ihn in Kenntnis gesetzt werden.

  • Kurzum: wir führen den Versuch nicht durch, wir werten ihn nicht aus, wir müssen nicht von der Validität der Ergebnisse überzeugt werden. Daher ist es für einen guten Versuch auch nicht wichtig, dass wir über die Erwartungen an ihn in Kenntnis gesetzt werden.

    Aber wir bezahlen ihn:

    In Form teurerer Fahrzeuge (die am Ende mit Zuschüssen und Fahrpreisen finanziert werden müssen), in Form von Ausfall- und Reparaturrisiken.

    Der RMV ist eben nicht irgendein Unternehmen, das bei Fehlkalkulation einfach vom Markt verschwindet, und sich daher nur vor sich selbst rechtfertigen muss. Und daher erwarte ich, dass bei öffentlichen Kosten auch öffentlicher Nutzen entsteht. Dieses Problem bezieht sich aber tatsächlich nicht nur auf diesen Versuch, man kann diese Kritik prinzipiell auch bei einem großen roten Schienenverkehrsunternehmen mit zwei Buchstaben anbringen.

    Zum Harz: Der einzige Unterschied Taunusbahn - HSB ist, dass die Motivation für die Betriebsform im einen Fall "Tourismus" und im anderen Fall "Fortschritt, Umweltfreundlichkeit" ist. In beiden Fällen haben sich andere Kriterien unterzuordnen - und das macht eben die Bewertung der untergeordneten Kriterien schwierig.

  • Ich finde, das alles sowieso schwachsinnig. Die Züge sollten doch die selben Einsteigshöhen wie der 423 haben für Barrierefreiheit und so. Dann kann man ja gleich den 425 auf der S5 fahren lassen

    Das darfst Du gerne näher ausführen: Was findest Du schwachsinnig? Welche Züge? Was hat die S5 damit zu tun?

  • Aber wir bezahlen [den RMV]

    Ja. Aber wir überprüfen ihn nicht. Und das will ich hier gar nicht verteidigen, aber es ist dennoch Fakt, auch an anderer Stelle. Der RMV wirtschaftet, und die Verträge, die er dazu schließt, sind uns nicht bekannt. Die Kalkulation für so ziemlich genau alles innerhalb des RMV ist uns nicht bekannt. Du kannst gerechtfertigt erwarten, „dass bei öffentlichen Kosten auch öffentlicher Nutzen entsteht“, aber nicht, dass du nur dieses eine Mal dafür selbst genügend Informationen bereitgestellt kriegst, um das zu bewerten.


    Zum Harz: Der einzige Unterschied Taunusbahn - HSB ist, dass die Motivation für die Betriebsform im einen Fall "Tourismus" und im anderen Fall "Fortschritt, Umweltfreundlichkeit" ist.

    Nein. Ein anderer Unterschied ist, dass im Harz eine bekannte Technologie eingesetzt wird und im Taunus nicht. Du brachtest den Harz als Kronzeuge für eine falsche Äquivalenz in Punkto Pilotprojekt/Betriebsversuch. Aber die bleibt halt falsch.

  • z.B. weil wir CO2-neutrale Kohle erfunden haben (Wie es bei Wasserstoff nun mal ist)

    An dieser Stelle gestatte ich mir wertungsfrei den Hinweis auf die recht aktuelle Entscheidung der Projektgesellschaft hinter WESTKÜSTE100: Elektrolyseur im WESTKÜSTE100 Reallabor wird nicht gebaut.

  • Nein. Ein anderer Unterschied ist, dass im Harz eine bekannte Technologie eingesetzt wird und im Taunus nicht. Du brachtest den Harz als Kronzeuge für eine falsche Äquivalenz in Punkto Pilotprojekt/Betriebsversuch. Aber die bleibt halt falsch.

    Das war überhaupt nicht meine Intention. Der Betrieb im Harz (oder jeder andere Plandampf) ist eingespielt, läuft stabil, und es liegen alle Informationen vor, die wir uns wünschen könnten. Das ermöglicht uns erst, die Informationslage künstlich zu verschlechtern, ein Bewertungsverfahren auf den reduzierten Datensatz anzuwenden, und dann zu gucken, ob wir den Betrieb richtig eingeschätzt haben.

    Dass der Betrieb kein Versuchsbetrieb ist, ist also nicht nur korrekt, sondern hier sogar wichtig.

  • Wie kommst du darauf? Überprüfen wir ihn nicht, wenn wir schlicht mitfahren?

    Inwiefern? Ausschreibungen sind doch öffentlich, oder nicht?

    Ausschreibungen ja, der Verkehrsvertrag der am Ende geschlossen wird nicht.

  • Aber auch generell überprüfe ich ein Restaurant nicht, wenn ich dort essen gehe: das tun Gewerbeaufsicht

    Wer dann wiederum das Gesundheitsamt überprüft (RMV kein Leistungserbringer), tut auf jeden Fall keinen guten Job.

    Ausschreibungen ja, der Verkehrsvertrag der am Ende geschlossen wird nicht.

    Warum nicht? Steht da festgeschrieben, wie oft die Verbindung im Jahr ausfallen darf oder was gibts noch für geheime Absprachen, um den PKW zu potenzieren?:/

  • Wer dann wiederum das Gesundheitsamt überprüft (RMV kein Leistungserbringer), tut auf jeden Fall keinen guten Job.

    bitte beachte den Kontext. Es geht nicht um eine allgemeine Bewertung der Leistung, sondern um die konkrete Einschätzung einer konkreten Entscheidung. Hast du Anhaltspunkte dafür, dass der RMV in seiner internen Bewertung der Technologie „Wasserstoffzug“ nicht korrekt vorgeht? Das würde internes Wissen voraussetzen. Hast du solches?

    Warum [sind Verkehrsverträge] nicht [öffentlich]?

    Weil Verträge von privatrechtlichen Firmen unter das Geschäftsgeheimnis fallen.

  • Auch ohne "internes" Wissen kann man etwas anzweifeln.


    Und da wir hier zu Ausschreibungen im öffentlichen Kontext als Aufgabenträger reden, haben wir hier nochmal ein ganz anderes Thema. Zumal hier ja im Regelfall mehr als genug örtliche Politiker in Aufsichtsgremien sitzen. Teilweise könnte hier das IFG greifen, welches aber ebenfalls teilweise das Geschäftsgeheimnis als möglichen Ausschluss anspricht. Das allerdings als absolute Ablehnungskeule anzunehmen, darf allerdings bezweifelt werden.


    In wie weit uns das weiter bringen würde, weiß ich allerdings noch nicht so ganz.


    Viel gruseliger finde ich eher Menschen, die für alles und jede Meinung irgendwelche Begründungen benötigen...


    Ohne Kritik bewegt sich nichts. Gleiches gilt für Lob wenn etwas funktioniert.

  • bitte beachte den Kontext. Es geht nicht um eine allgemeine Bewertung der Leistung, sondern um die konkrete Einschätzung einer konkreten Entscheidung. Hast du Anhaltspunkte dafür, dass der RMV in seiner internen Bewertung der Technologie „Wasserstoffzug“ nicht korrekt vorgeht? Das würde internes Wissen voraussetzen. Hast du solches?

    Es geht mittlerweile um das Betriebsangebot der Taunusbahn. Das wird vom RMV absichtlich optimistischer bewertet, als es ist. Das sahen wir z.B. in der (m.E.) letzten Pressemitteilung des Verbundes insbesondere an dieser Stelle:

    Nachdem Wasserstoffzüge auf der RMV-Linie 15 Brandoberndorf – Bad Homburg seit Frühsommer zuverlässig unterwegs sind [...], finden ab sofort auch Fahrten auf der RMV-Linie 12 Königstein – Frankfurt-Höchst – Frankfurt Hauptbahnhof statt.

    Dass der Betrieb auf der RB15 noch nicht zuverlässing funktioniert, darauf hatten wir uns schon geeinigt. Es liegt, und das habe ich auch in anderen Strängen angesprochen (S9-Ausfall), am RMV, den Betrieb zu gewährleisten. Seien sie nun öffentlich oder nicht, die Verträge mit den EVU schließt der RMV und der ist auch für die Sanktionierung und die Sicherung (nicht für den Auftrag) eines Ersatzes zuständig, wenn etwas schief läuft. Das ändert sich nicht, wie oft es der RMV auch nur abstreiten mag:

    Alstom ist dafür verantwortlich, dass die Züge im technisch einwandfreien Zustand für den Betrieb zur Verfügung stehen.

    Schlussendlich ist der RMV dafür verantwortlich, dass was fährt.

    Weil Verträge von privatrechtlichen Firmen unter das Geschäftsgeheimnis fallen.

    Danke für die Aufklärung. Aber: Da hat jemand überaus liberales wohl den Kontext (der heißt hier "ÖPNV") missachtet...

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