Streiks Tarifrunde 2023 [ursprünglich: Warnstreik am 17.02.2023]

  • Nein, daran kann es nicht liegen, denn erstens geht es ja nicht nur um Ärzte, und zweitens: in welchem Jahrhundert lebst du denn? Ärzte leisten keinen Schwur.

    In der auf dem 114. Deutschen Ärztetages 2011 in Kiel beschlossenen "(Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte" findest du direkt hinter dem Inhaltsverzeichnis folgendes Gelöbnis:

    Egal ob du dieses Gelöbnis nun als Schwur, Eid oder sonst was bezeichnen möchtest, dies ist der Berufsethos und das Selbstverständnis eines Artztes (und praktisch des gesamten medizinischen Personals vom Krankenpfleger zum Chirurgen), welcher sich nicht nur der möglichen Konsequenzen seiner Berufsausübung sondern auch seiner Berufsnichtausübung stets bewusst ist. Von Lokführern (und praktisch allen anderen Berufsgruppen) wird dieses Verantwortungsbewusstsein lediglich während der Berufsausübung (also während der Arbeitszeit) erwartet.


    Zitat

    Liste bitte konkret auf, welche Grundrechte durch den Streik der GDL angegriffen werden.

    Vielleicht werfen wir erstmal gemeinsam einen Blick in das Grundgesetz und zwar in Artikel 2 (den ersten Artikel kennt ja schließlich jeder):

    (1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.


    (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

    Hieraus ergibt sich schon gleich dass die Ausübung von Rechten die Rechte anderer Menschen nicht verletzen darf und dass deshalb der Gesetzgeber per Gesetz in die Ausübung dieser Rechte eingreifen darf.


    Die ersten 19 Artikel des Grundgesetzes definieren die folgenden Grundrechte (und Kompliment an HandbookGermany für die übersichtliche Aufbereitung auf deren Webseite über das Grundgesetz):

    • Menschenwürde (Artikel 1)
    • Freiheit (Artikel 2, 18 und 19)
    • Gleichheit vor dem Gesetz (Artikel 3)
    • Glaubensfreiheit (Artikel 4 und 7)
    • Meinungs- und Pressefreiheit (Artikel 5)
    • Schutz von Ehe und Familie (Artikel 6)
    • Versammlungsfreiheit (Artikel 9)
    • Vereinigungsfreiheit (Artikel 9)
    • Briefgeheimnis (Artikel 10)
    • Freizügigkeit (Artikel 11)
    • Freiheit der Berufswahl (Artikel 12)
    • Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13)
    • Eigentum (Artikel 14 und 15)
    • Staatsbürgerschaft (Artikel 16)
    • Petitionsrecht (Artikel 17)

    Ich habe mal die Grundrechte markiert bei denen mir konkrete Beispiele einfallen, bei welchen ein Bürger bei dessen Ausübung zumindest theoretisch durch den GDL-Streik behindert werden könnte:

    • Auf dem Weg zu einem wichtigen medizinischen Termin oder einer Behandlung: Recht auf körperliche Unversehrtheit (Artikel 2)
    • Auf dem Weg zu einem Gottesdienstes oder einer Wallfahrt: Glaubensfreiheit (Artikel 4)
    • Auf dem Weg zu einem Einsatzort zwecks journalistischer Tätigkeit: Meinungs- und Pressefreiheit (Artikel 5)
    • Auf dem Weg zu einer Demonstration: Versammlungsfreiheit (Artikel 8')
    • Beim Versuch frei zu reisen: Freizügigkeit (Artikel 11)

    Wenn sich der Streiks über längere Zeit hinziehen sollte könnten auch noch andere Grundrechte verletzt werden:

    • Wenn wiederholte streikbedingte Verspätungen zur Kündigung des Arbeitsverhältnis (durch den AG oder den AN selbst) führen: Freiheit der Berufswahl (Artikel 12)
    • Wenn wiederholte streikbedingte Verspätungen einen Wohnortswechsel erfordern: Freie Wohnortswahl (Artikel 11)

    Kurzum: wenn dein Streik mich in einer der eben beschriebenen Situationen behindert, dann erschwert oder verhindert dein Streik mir die Ausübung meiner Grundrechte.


    Du kannst die obigen Beispiele natürlich sämtlich als an den Haaren herbeigezogen ablehnen, aber dann frage dich warum das Bundesverfassungsgericht der Verfassungsbeschwerde der GDL gegen das Tarifseinheitsgesetz nur in einzelnen Punkten und nicht vollständig stattgegeben hat. Und wenn du dir mal eben jenes Urteil unseres obersten Verfassungshüters anschaust, dann steht dort bereits im ersten Leitsatz:

    1. Das Freiheitsrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG schützt alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen, insbesondere den Abschluss von Tarifverträgen, deren Bestand und Anwendung sowie Arbeitskampfmaßnahmen. Das Grundrecht vermittelt jedoch kein Recht auf unbeschränkte tarifpolitische Verwertbarkeit von Schlüsselpositionen und Blockademacht zum eigenen Nutzen. (Rn.131)

    Sprich: gerade weil die Mitglieder der GDL durch ihre Tätigkeit das Potential haben den Alltag von Millionen Deutschen empfindlich zu stören, hat der Gesetzgeber grundsätzlich das Recht die Ausübung des grundgesetzlich verbrieften Streikrechts zu begrenzen. Alles andere ist somit nur noch eine Frage der Verhältnismäßigkeit - und je aggressiver und rücksichtloser die GDL versucht den verbliebenen rechtlichen Rahmen zum eigenen Nutzen auszureizen, umso bessere Argumente hat der Gesetzgeber diesen weiter zu begrenzen.


    ***


    Leider fehlt mir jetzt die Zeit auf die anderen Punkte und Beiträge einzugehen (hier in Kanada ist es schon nach Mitternacht), aber ich möchte aufrichtig Tatrafan danken, dass er es zumindest in Erwägung zieht dass er mich falsch verstanden haben könnte:

    Denn dann stimmen wir (oder zumindest ein sehr großer Teil von uns) mit den Füßen ab: dann sind wir weg vom Führerstand und aus dem Zug; Arbeitsverhältnisse kann man bekanntlich kündigen, und wenn man uns dann seitens der Politik praktisch an die Führerstände fesseln und knebeln wöllte, wie du es hier effektiv vorschlägst (wenigstens verstehe ich das so), würden wir sagen "habt uns mal herzlich gerne, macht euren Kram doch alleene" und unsere Arbeitsverhältnisse in großem Stil kündigen.

    6 Mal editiert, zuletzt von Jojo ()

  • Nur kurz zu Ärzt*innen: „ein Gelöbnis gilt“ und „ein Gelöbnis wurde abgelegt“ sind unterschiedliche Dinge, aber letztlich ist das eine unwichtige Diskussion. Auf den ersten Teil des Satzes bist du aber gar nicht eingegangen: es geht nicht nur um Ärzte.

    Hieraus ergibt sich schon gleich dass die Ausübung von Rechten die Rechte anderer Menschen nicht verletzen darf und dass deshalb der Gesetzgeber per Gesetz in die Ausübung dieser Rechte eingreifen darf.

    Das ist richtig. Nun müsstest du nachweisen, dass irgendjemand ein Grundrecht auf Transport mit der Eisenbahn hat. Mal sehen:

    Ich habe mal die Grundrechte markiert bei denen mir konkrete Beispiele einfallen, bei welchen ein Bürger bei dessen Ausübung zumindest theoretisch durch den GDL-Streik behindert werden könnte:
    • Auf dem Weg zu einem wichtigen medizinischen Termin oder einer Behandlung: Recht auf körperliche Unversehrtheit (Artikel 2)
    • Auf dem Weg zu einem Gottesdienstes oder einer Wallfahrt: Glaubensfreiheit (Artikel 4)
    • Auf dem Weg zu einem Einsatzort zwecks journalistischer Tätigkeit: Meinungs- und Pressefreiheit (Artikel 5)
    • Auf dem Weg zu einer Demonstration: Versammlungsfreiheit (Artikel 8')
    • Beim Versuch frei zu reisen: Freizügigkeit (Artikel 11)

    Wenn sich der Streiks über längere Zeit hinziehen sollte könnten auch noch andere Grundrechte verletzt werden:

    • Wenn wiederholte streikbedingte Verspätungen zur Kündigung des Arbeitsverhältnis (durch den AG oder den AN selbst) führen: Freiheit der Berufswahl (Artikel 12)
    • Wenn wiederholte streikbedingte Verspätungen einen Wohnortswechsel erfordern: Freie Wohnortswahl (Artikel 11)

    Oh guck kein einziger Punkt davon sagt, dass man mit der Eisenbahn reisen können muss. Jeder einzelne Punkt besteht daraus, dass es für die Ausübung mancher Grundrechte nötig sein kann, unterwegs zu sein. Das kannst du: es gibt mindestens Taxen, und für den größten Teil der Bevölkerung und mindestens im Zusammenhang mit dem ersten Punkt auch andere Möglichkeiten neben der Eisenbahn.

    Kurzum: wenn dein Streik mich in einer der eben beschriebenen Situationen behindert, dann erschwert oder verhindert dein Streik mir die Ausübung meiner Grundrechte.

    „Erschweren” vielleicht, „verhindern“ definitv nicht. Wenn das eine Angriff auf meine Grundrechte wäre, wäre demnach jede Tariferhöhung der Bahn über die Inflationsrate (nein, eigentlich sogar über meine persönliche Lohnentwicklung) hinaus eine Grundrechtsverletzung.

    Du kannst die obigen Beispiele natürlich sämtlich als an den Haaren herbeigezogen ablehnen, aber dann frage dich warum das Bundesverfassungsgericht der Verfassungsbeschwerde der GDL gegen das Tarifseinheitsgesetz nur in einzelnen Punkten und nicht vollständig stattgegeben hat.

    Das Bundesverfassungsgericht hat darüber geurteilt, welche Rechte Gewerkschaften nach Artikel 9 hat. Beschwerdeführerinnen in dem von dir zitierten Verfahren sind der Marburger Bund (Ärtzegewerkschaft), Cockpit (Piloten), dbb Beamtenbund und Tarifunion, Nahverkehrsgewerkschaft, ver.di, UFO und das war die abschließende Liste. Die Argumentation der Richter*innen kann also gar nicht spezifisch Grundrechtsverletzungen durch GDL-Streiks beinhaltet haben – und beim Suchen nach Schlüsselworten wie „Abwägung“ etc sehe ich als juristischer Laie auch keine solche Passage außerhalb der Stellungnahmen von AG- und Regierungsseite, die nur unspezifisch von „Grundrechte[n] Dritter“ (Punkt 98) reden. Im Gegenteil lese ich im Teil über das tatsächliche Urteil (ab Punkt 129), dass das BVerfG der Meinung ist, die Regelungen des (damaligen) TAG würden (mit Ausnahme des §4a Abs 2(2)) die Bedingungen aus Art 9 schon alleine erfüllen – vor der Abwägung gegen andere Grundrechte.


    Deine Kernaussage – Streiks müssen ja Grundrechte verletzen, sonst wäre das TAG als verfassungswidrig erkannt – ist demnach unrichtig.


    Im Übrigen sehe ich ein, dass bei der Vielstimmigkeit hier nicht einfach ist, zu erkennen, wer für oder gegen was diskutiert. Insofern stimme ich dir hierbei zu:

    der [hat] Gesetzgeber grundsätzlich das Recht die Ausübung des grundgesetzlich verbrieften Streikrechts zu begrenzen. Alles andere ist somit nur noch eine Frage der Verhältnismäßigkeit

    aber nicht den Halbsätzen drumherum. (Artikel 9 sagt ja mit seinen Verweisen auf Art 12a, 35 , 87a und 91 vor allem, dass man nicht die Kavallerie schicken darf, um Streiks aufzulösen, und ich wiederhole gerne :

    ich bin mir nicht so sicher, wieviel von unserem Streikrecht tatsächlich vom Grundgesetz gedeckt ist und wieviel davon auch Interpretation durch das Bundesverfassungsgericht ist, die in Anwesenheit von entsprechender Gesetzgebung anders ausfallen könnte.

  • Ich kann in meiner Eigentumswohnung auch keine Kneipe, Disco, Sprengstoffwerkstatt oder Bordell aufmachen. Trotzdem wird mein grundgesetzlich geschütztes Eigentumsrecht durch die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen in keinster Weise eingeschränkt.

    Die Vertragsfreiheit und das Streikrecht sind ist explizit in Grundgesetzartikeln festgehalten. Im Gegensatz dazu gibt es keinerlei Grundgesetzartikel, der eine Anrecht auf Beförderung des Bürgers per ÖPNV garantiert. Es gibt andere Möglichkeiten sich frei zu bewegen im Land. Für viele Bürger gibt es gar keine brauchbare ÖPNV Versorgung im Land, weil z.B. die Betriebskosten auf dem Land zu hoch sind und so die Bürger den ÖPNV nicht nutzen können. Da ist es Dir zumutbar während eines Arbeitskampfes anderweitig zu Deinem Arbeitsplatz kommen. Es ist zugegeben alles andere als angenehm, aber für Dein persönliches bequemes Erreichen des Arbeitsplatzes das Streikrecht der ÖPNV Mitarbeiter einzuschränken ist unverhältnismäßig.


    Hinzu kommt, dass bei der DB AG ein anderes Problem zu Tage tritt. Es geht um die Verfilzung der SPD mit dem DGB und umgekehrt. Immer wieder in der Geschichte der Bundesrepublik hat die SPD Gesetze veranlasst, die die Rechte von Nicht-DGB-Gewerkschaften einschränkten. Das letzte dieser Gesetze ist das Tarifeinheitsgesetz, was von Geiste her klar gegen die Vertragsfreiheit verstößt, und die Möglichkeit von Nicht-DGB-Gewerkschaften einschränken sollte eigene Tarifabschlüsse zu erzielen. Auffallend ist auch, dass der Arbeitskampf der GDL regelmäßig bei der DB AG eskaliert, bei dem der Eigentümer die Bundesrepublik Deutschland ist (100% der Aktien sind im Besitz des Bundes). Dieser Eigentümer macht die Vorgaben für den Vorstand und somit ist er alles andere als ohne Einfluss auf den Vorstand des Unternehmens. Man hat zuweilen den Eindruck, dass der Bund möglichst billige Abschlüsse haben will, weil er so weniger Geld für die DB AG aufwenden muss bzw. auf Gewinne hoffen kann. An dieser Problematik sieht man schon sehr gut, weshalb der Staat kein Unternehmer sein soll, weil es hier zu Interessenkonflikten zwischen der Rolle als Eigentümer und der Rolle als Gesetzgeber kommt.


    P.S. Das BVerfG ist das am politischstem besetzte Gericht in Deutschland. Wie kann es sein, dass ein Bundestagsabgeordneter (Harbarth) direkt zum Gerichtspräsidenten wird? In anderen Länder ist so ein Wechsel nicht möglich – aus gutem Grund.

  • Ich habe mal die Grundrechte markiert bei denen mir konkrete Beispiele einfallen, bei welchen ein Bürger bei dessen Ausübung zumindest theoretisch durch den GDL-Streik behindert werden könnte:

    Du kannst Dich trotz GDL-Streiks weiterhin im Land frei bewegen! Es ist Dir zumutbar, dass Du: zu Fuß gehst, mit dem Fahrrad fährst, ein Taxi nimmst, einen Leihwagen besorgst, oder sogar eines der MIV-Verkehrsmittel (Moped, PKW, …) käuflich erwirbst.


    Der Vergleich mit der Ärzteschaft ist der vollkommen unangemessen, denn wenn Ärzte streiken gibt es keine Alternative mehr, so dass hier eine Notversorgung erfolgen muss, weil sonst die Bürger in Lebensgefahr gerät. Dir stehen während des GDL-Streiks weiterhin alle Möglichkeiten des Individualverkehrs zur Verfügung.

    Einmal editiert, zuletzt von John2 ()

    • Auf dem Weg zu einem wichtigen medizinischen Termin oder einer Behandlung: Recht auf körperliche Unversehrtheit (Artikel 2)
    • Auf dem Weg zu einem Gottesdienstes oder einer Wallfahrt: Glaubensfreiheit (Artikel 4)
    • Auf dem Weg zu einem Einsatzort zwecks journalistischer Tätigkeit: Meinungs- und Pressefreiheit (Artikel 5)
    • Auf dem Weg zu einer Demonstration: Versammlungsfreiheit (Artikel 8')
    • Beim Versuch frei zu reisen: Freizügigkeit (Artikel 11)

    Wenn sich der Streiks über längere Zeit hinziehen sollte könnten auch noch andere Grundrechte verletzt werden:

    • Wenn wiederholte streikbedingte Verspätungen zur Kündigung des Arbeitsverhältnis (durch den AG oder den AN selbst) führen: Freiheit der Berufswahl (Artikel 12)
    • Wenn wiederholte streikbedingte Verspätungen einen Wohnortswechsel erfordern: Freie Wohnortswahl (Artikel 11)

    Du ziehst Dir aber ziemliche vermeintliche Rechte heraus. Die GDL will dir keines dieser Rechte verbieten.

    Du darfst dich mit anderen Personen eine Demonstration in deiner Wohnstraße durchführen, eine Teilnahme im Ort XY ist dir hingegen nirgends gesetzlich zugesichert.

    Mit dieser Argumentation kannst du jegliche Aktivität unterbinden. Die Baustelle Riedbahn bringt deren Nutzern die gleichen Einschränkungen, die Sperrung der Leverkuser Rheinbrücke (Autobahn) ebenfalls.


    Da du Artikel 3 erwähnt hast: wie sieht es denn damit aus? Ein Tf darf dann deiner Meinung nach nicht streiken, ein Pilot hingegen schon?


    Nach Artikel 12 kann auch niemand gezwungen werden, eine Tf Tätigkeit durchzuführen. Was wäre wenn, wenn bei der DB aus Personalmangel kaum noch Zugfahrten durchgeführt werden könnten? Eine reine Erhöhung der Planstellen bewirkt Null, das kannst Du im Pflegebereich, Bildungsbereich usw. täglich sehen.

  • Oh guck kein einziger Punkt davon sagt, dass man mit der Eisenbahn reisen können muss.

    Du kannst Dich trotz GDL-Streiks weiterhin im Land frei bewegen! Es ist Dir zumutbar, dass Du: zu Fuß gehst, mit dem Fahrrad fährst, ein Taxi nimmst, einen Leihwagen besorgst, oder sogar eines der MIV-Verkehrsmittel (Moped, PKW, …) käuflich erwirbst.

    Natürlich: Wer braucht schon die Eisenbahn? Dieser Tage haben sich in meinem Freundeskreis gerade zwei Menschen dazu entschieden, sich wieder ein Auto zu kaufen. Die dauerhaft schlechte Zuverlässigkeit des System ÖV seit mehr als einem Jahr konkret in Frankfurt sowie im Fernverkehr haben beide schon länger mit dem Gedanken spielen lassen. Der aktuelle Streik der GDL hat nun den finalen Schubs gegeben.


    Menschen, die sich ein Auto zu kaufen leisten können, kann das System ÖV kann nur dann von sich überzeugen, wenn es von der Verlässlichkeit her dem eigenen Wagen ebenbürtig ist. Inzwischen befürchte ich, dass wir in Deutschland zu diesem Evolutionsschritt* einfach nicht fähig sind, weil immer irgendwer das System gerade als entbehrlich ansieht oder den Nutzern als entbehrlich vorführt. Dafür ist tatsächlich fast immer die Politik verantwortlich, aktuell aber eben die GDL. Ein 6-Tage-Streik wirkt dabei einfach wesentlich einschneidender und öffentlichkeitswirksamer als dauerhafte Schlechtleistungen mit Verspätungen und Ausfällen mal hier, mal dort. Im Ergebnis hält die das Vorgehen aber den ÖV stets auf seinem bisherigen Level: Dass er weiterhin vornehmlich das Verkehrsmittel der Armen ist.


    * Den Evolutionsschritt hat der Ex-Bürgermeister von Bogota, Enrique Peñalosa, formuliert (zumindest wird ihm das Zitat zugeschrieben): "An advanced city is not one where the poor can get around by car, but one where even the rich use public transportation."

  • Die Vertragsfreiheit und das Streikrecht sind ist explizit in Grundgesetzartikeln festgehalten.

    Wo genau ist ein Streikrecht explizit festgehalten? Ich kenne nur Artikel 9, und, wie oben geschrieben, sagt der nur etwas darüber, welche Maßnahmen nicht gegen welche Art von Arbeitsbedingungen getroffen werden dürfen. Alles andere ist Interpretation der zuständigen Gerichte und einschlägigen Gesetze und damit im Wortsinne eben genau nicht explizit.


    So zu tun, als würde die Bundesregierung versuchen, möglichst billige Arbeitskräfte für die DB zu erzeugen, weil sie deren Eigentümerin ist, ist absurd. Billige Arbeitskräfte hat vor allem die Agenda 2010 im Niedriglohnsektor geschaffen, wovon die DB nur sehr mittelbar „profitiert“; die damaligen Regelungen wurden zwar von der SPD eingeführt, aber sehr stark über den Vermittlungsausschuss von Union und FDP beeinflusst – deren Kritik bis heute vor allem ist, dass es nicht weit genug geht. Full Circle hier: bei Verfassungsänderungen gegen die Ärmsten im Land waren wir vorgestern schon. Und nur um das klar zu machen: die Politik, die die AfD fordert, würde das ebenfalls weiter verschärfen.


    Jedes Verfassungsgericht, mit dem ich mich auskenne, ist politisch besetzt. Wie auch sonst? Das ist Teil der demokratischen Kontrolle über die Legislative. Dass es bei den Regelungen der Besetzung Unterschiede gibt, ist auch klar. Bundesrichter*innen sind dies in Deutschland nicht auf Lebenszeit, was ich sinnvoll finde, dafür gibt es wie von dir erwähnt fragwürdige Regelungen zur Wählbarkeit.

  • Natürlich: Wer braucht schon die Eisenbahn?

    Alle! brauchen die Eisenbahn. Aber niemand braucht sie zur Verwirklichung seiner Grundrechte. Das ist ein Unterschied, und ich finde es nicht fair, aus der einen Aussage die andere zu machen und dann gegen die geänderte Aussage zu argumentieren. Das nennt man, auch wenn's hier manche nicht gut finden, wenn ich es so bezeichne: einen Strohmann.

  • Sehr gut zusammengefasst.


    Ich kann auch nicht sehen, wo die GDL die Freizügigkeit der Bevölkerung einschränken möchte. Jeder darf sich auch während des Streiks völlig frei im Bundesgebiet bewegen, dem dieses Recht nicht durch die Justiz eingeschränkt wurde.


    Daneben gelten die Grundrechte direkt nur im Verhältnis Staat-Bevölkerung. Alle anderen Verhältnisse richten sich nach den Gesetzen.


    Es gibt auch kein Grundrecht auf ein ganz bestimmtes Angebot zur Beförderung. Da hätte ich auch manchen Wunsch…

  • Alle! brauchen die Eisenbahn. Aber niemand braucht sie zur Verwirklichung seiner Grundrechte. Das ist ein Unterschied, und ich finde es nicht fair, aus der einen Aussage die andere zu machen und dann gegen die geänderte Aussage zu argumentieren. Das nennt man, auch wenn's hier manche nicht gut finden, wenn ich es so bezeichne: einen Strohmann.

    Die Eisenbahn und der gesamte ÖV sind für arme Menschen relevant, die sich die teureren Alternativen wie Taxi, Mietwagen oder eigenes Auto nicht leisten können. Ich gestehe zu: Offenbar fehlt hier ein eindeutiges BVerfG-Urteil, das den ÖV als Daseinsvorsorge einstuft und die Grenzen definiert, ab wann eine Reduzierung des Angebots grundrechtseinschränkend wirkt, Beispiele dafür wurden ja schon genannt, Solange es einen nutzbaren Ersatz gibt (also mehrere Fahrten am Tag, bei denen eine Mitfahrt aber gesichert sein muss), vermute ich stark, wird auch ein Streik in einem solchen Bereich weiter als rechtens gewertet werden – vergleichbar mit einer Grundversorgung, die Krankenhäuser und die dort tätigen Gewerkschaften auch im Streikfall stets sicherstellen müssen. Und bis zu diesem Urteil wirkt der GDL-Streik, egal wie man zu ihm steht, faktisch als erstes unsozial und die Folgen müssen vor allem arme Menschen in ihrem Alltag tragen.

  • Die Eisenbahn und der gesamte ÖV sind für arme Menschen relevant, die sich die teureren Alternativen wie Taxi, Mietwagen oder eigenes Auto nicht leisten können. Ich gestehe zu: Offenbar fehlt hier ein eindeutiges BVerfG-Urteil, das den ÖV als Daseinsvorsorge einstuft und die Grenzen definiert, ab wann eine Reduzierung des Angebots grundrechtseinschränkend wirkt...

    Grundsätzliche Zustimmung, aber vor dem Gericht ist es eine gesellschaftliche und politische Diskussion und Entscheidung.

    Schließlich müssen einheitliche Maßstäbe definiert werden, egal für welches Bundesland oder Landkreis aus immer.

  • Die Eisenbahn und der gesamte ÖV sind für arme Menschen relevant,

    Da sind wir der gleichen Meinung. Ich hängte mich nur an der Grundrechts-Frage auf.

    Und bis zu diesem Urteil wirkt der GDL-Streik, egal wie man zu ihm steht, faktisch als erstes unsozial und die Folgen müssen vor allem arme Menschen in ihrem Alltag tragen.

    Das halte ich ebenfalls für technisch richtig, aber letztlich ist das wieder ein Framing, dass die Verantwortung einseitig auf die Gewerkschaft ablädt. Der Tarifkonflikt hat unsoziale Folgen insbesondere für arme Menschen.

  • Streik endet vorzeitig: Bahn und GDL verhandeln wieder

    Stand: 27.01.2024 14:24 Uhr


    Die Lokführergewerkschaft GDL beendet ihren Streik bei der Bahn bereits im Laufe des Montags. Das geht aus übereinstimmenden Medienberichten hervor. Zudem soll es keine Streiks mindestens bis zum 3. März geben. Beide Seiten haben die Verhandlungen wieder aufgenommen.

    Bahnstreik soll schon in der Nacht zum Montag enden

    27.01.2024, 14:30 Uhr


    Der Streik bei der Deutschen Bahn soll früher enden als geplant. Am Montagmorgen um 2 Uhr wollen die Lokführer ihre Arbeit wieder aufnehmen. In der Nacht zum Samstag hatten die Bahn und die Gewerkschaft GdL ihre Verhandlungen überraschend fortgeführt.

    Einmal editiert, zuletzt von B80C ()

  • Natürlich: Wer braucht schon die Eisenbahn? Dieser Tage haben sich in meinem Freundeskreis gerade zwei Menschen dazu entschieden, sich wieder ein Auto zu kaufen. Die dauerhaft schlechte Zuverlässigkeit des System ÖV seit mehr als einem Jahr konkret in Frankfurt sowie im Fernverkehr haben beide schon länger mit dem Gedanken spielen lassen. Der aktuelle Streik der GDL hat nun den finalen Schubs gegeben.

    Für den aktuellen Streik der GDL ist bzw. war die GDL allerdings keieneswegs alleine schuld!

  • Freue mich schon auf das Geschreie - Montag wird mit Nichten alles vollständig verkehren können, da Personal und Schichten bereits abbestellt sind. Die Erwartungshaltung ist aber: am Sonntag gehen alle Dispos auf Arbeit und planen die Schichten und Umläufe neu. Das wird aber wohl eher nur in Teilen passieren. Mal sehen, wie viel man Montag dispositiv ad-hoc rausholt...

    Einmal editiert, zuletzt von FipsSchneider () aus folgendem Grund: Geistig schon im Sonntag gewesen ;-)

  • Natürlich: Wer braucht schon die Eisenbahn? Dieser Tage haben sich in meinem Freundeskreis gerade zwei Menschen dazu entschieden, sich wieder ein Auto zu kaufen. Die dauerhaft schlechte Zuverlässigkeit des System ÖV seit mehr als einem Jahr konkret in Frankfurt sowie im Fernverkehr haben beide schon länger mit dem Gedanken spielen lassen. Der aktuelle Streik der GDL hat nun den finalen Schubs gegeben.

    Wahrscheinlich ist einfach die Lebenszeit, die man fürs Pendeln zum Arbeitsplatz verbraucht ein ganz wesentlicher Faktor bei der Entscheidung gewesen. Was man hier im Forum und ganze besonders Du nicht verstehen willst ist, ist folgendes: Die meisten Bürger interessiert es herzlich wenig womit sie zum Ziel kommen, es sollte halt möglichst problemlos und ohne großen Ärger erfolgen. D.h. S-Bahnen (auf eigenem Gleis und möglichst unabhängig von anderen Linien) und richtige U-Bahnen sind für Pendler von außerhalb wesentlich, weil nur so die Anschlüsse in die Region zuverlässig erreichbar sind. Ist man auf Anschlüsse in die Region angewiesen sind 5 Minuten zu spät in der Realität mindestens eine halbe Stunde oder sogar 1 Stunde später, weil der Anschluss in die Region einem vor der Nase wegfährt. Wie will man den Fahrplan der S-Bahnlinien in Rhein-Main-Netz garantieren, wenn wirklich alle Linien im Innenstadttunnel von einander abhängen?


    Weil es in Frankfurt keine U-Bahn gibt, kann man auch nicht auf automatischen Betrieb umstellen, und so Personal sparen, welches man an anderer Stelle dringend benötigt! Was auch fehlt sind Bahnsteigtüren, da dadurch die Zahl der Personen im Gleis reduziert werden kann. Es sind so Kleinigkeiten die beständig die Fahrpläne zu einem Witz verkommen lassen. Personalmangel wegen der schlechten Arbeitsbedingungen ist dann die Krönung, und man wird nicht mehr Personal einstellen können, wenn die Arbeitsbedingungen weiterhin schlecht sind. D.h. die GDL hat mit ihren Forderungen Im Kern recht, und daran ändern die persönlichen Ärgernisse der ÖPNV-Nutzer durch den Streik herzlich wenig.

  • Was man hier im Forum und ganze besonders Du nicht verstehen willst ist, ist folgendes

    Ich glaube, was du nicht verstehen kannst, ist, dass Bernemer sehr wahrscheinlich seinen Freundeskreis besser kennt und dessen Motivationen besser versteht als du.


    Lass uns für die Diskussion, was das Problem der Pendler*innen ist, und ob eine echte U-Bahn™ das verbessern würde, bitte an anderer Stelle finden, mit ein wenig Geschick findest du sicherlich etwa 24 Threads im Forum, wo dir schonmal erklärt wurde (vergeblich, leider), welche Denkfehler du da so machst.

  • Gerüchten zu Folge will die Bahn eine 35-Stunden-Woche akzeptieren. Gut so!

    Ohne die Einigung bei der DB würden die Ergebnisse dazu mit den Privaten nicht umsetzbar sein. Die 35h Woche wird laut der aktuellen Abschlüsse nur dann kommen, wenn diese mehrheitlich bei den EVU umgesetzt wird. Daher ist der Abschluss mit der DB so wichtig.


    Daher wird man seitens der GDL zu andren Zugeständnissen bereit gewesen sein, spannend wird sein, welche das sind und ob man das wirklich in den nächsten 6 Wochen umsetzen kann.