Güterzugunglück in Dieburg

  • Wenn ich im Zug auf die Karte im Handy schaue, dann hat die angezeigte Position teilweise erhebliche Abweichungen von der realen.

    Ein TF kann immer das Fenster aufmachen. Und wenn dann die Position so weit abweicht, dass man vor/hinter Bahnhof X nicht unterscheiden kann, hat man ein fehlerhaftes Gerät.

    Ich nehme an, dass modernere keine zusätzliche ZN-Anlage brauchen. Somit wäre die anfängliche Ursache beseitigt, die den Fdl Babenhausen dazu brachte, einen Zug ohne Zugnummer fahren zu lassen. (Wenn ich mich korrekt an den Bericht erinnere)

    Nun war da ja ein relativ neuer Hack, der die Steuerung der Bü mit der ZN verbunden hat, damit es schneller geht. Und der eigens so gebaut wurde, dass der ZN falsche Dinge vorgespielt werden. Ich sehe keinen Anhaltspunkt dafür, dass ein solcher Hack nicht auch in ein EStw eingebaut werden würde (bzw worden wäre, ich hoffe dass ist nun anders), falls das gleiche Problem innerhalb eines EStw oder an der Schnittstelle zwischen zwei EStws auftreten würde.

  • Stattdessen sollten solche längst veralteten Stellwerke wie jenes in Babenhausen schleunigst ersetzt werden.

    Warum? Welches Stellwerk hat denn nicht funktioniert? Ansonsten informiere Dich bitte dringend darüber, welche Systeme im Einsatz sind, wie sie zueinander in Abhängigkeit stehen und auf welchem Sicherheitslevel sie angesiedelt sind. Ohne es böse zu meinen, versuchst Du als Blinder gerade Sehenden erklären zu wollen, dass Feuerrot auf türkisem Hintergrund viel besser als Signalrot auf subaruvistablue ist.


    Und zu den ganzen anderen GPS-Vorschlägen: Bevor Ihr alle mit solchen "da müßte man doch nur"-Ideen ankommt, macht Euch bitte Gedanken darüber, ob so etwas wirklich einen Sicherheitszugewinn bringt. Und zwar nicht nur im Regelbetrieb, sondern in allen (!) erdenklichen Situationen. Berücksichtigt dabei insbesondere die Tatsache, dass jedes System eine Ausfallrate hat - die dummerweise für jedes Teilsystem unterschiedlich ist. Was dazu führt, dass sich die gut gemeinte Idee u. U. komplett ins Gegenteil umkehrt, weil die vielen Teilsysteme somit häufiger einen inkonsistenten Zustand produzieren als nur wenige Systeme. Damit steigt insgesamt die Zahl der Fälle, in denen der Bediener manuell eingreifen muss. Das wiederum hat zur Folge, das solche gehäuften Fehlermeldungen irgendwann ignoriert werden (siehe Thema Zeitüberschreitung an Fü-Anlagen) oder aufgrund der Fehlerwahrscheinlichkeit, die jeder Mensch hat, wesentlich öfter eine gefährliche Situation entstehen kann.

  • Leider OT...aber Fakeinfos müssen korrigiert werden [barnyk]


    Flugzeuge landen per ILS und nicht per GPS.

    Ausserdem gibt es Funkfeuermarken an denen sich orientiert wird.


    https://de.wikipedia.org/wiki/…ipedia.org/wiki/Funkfeuer


    GPS gibts erst seit Ende 80er Jahre für die zivile Nutzung und die von mir genannten Techniken sind

    deutlich älter und entsprechend ist dazu die Infrastruktur auch ausgebaut.


    Funkfeuer Frankfurt: https://maps.app.goo.gl/i7rMFMTky5MsaRKW9

    In god (an invention by mankind) we trust - on earth we don't


    Sincerly yours, NSA
    powered by US government

  • Und zu den ganzen anderen GPS-Vorschlägen: Bevor Ihr alle mit solchen "da müßte man doch nur"-Ideen ankommt, macht Euch bitte Gedanken darüber, ob so etwas wirklich einen Sicherheitszugewinn bringt.

    Nun kam die erste „GPS“-Idee von mir, allerdings eben nicht als Teil der Sicherungstechnik, sondern als Teil der Kommunikationsstrategie zwischen Fdl und Tf. Da würde mich deine Meinung schon interessieren: könnte ein „mein Handy sagts auch“ einen Fdl dazu bringen, der Positionsmeldung eines Tf mehr Gewicht zu geben? Insbesondere, wenn sie sowieso schon klar und unzweideutig war und auf Grundlage der Signale auf der Strecke (hier: Hektometertafeln) erfolgte?

  • Darkside - ich möchte jetzt nicht zu sehr auf die technischen Gegebenheiten der Luftfahrt eingehen. Ja, sie landen hauptsächlich durch das bodengestützte ILS und das in verschiedenen Genauigkeiten. Das habe ich im Kontext misverständlich beschrieben. Es gibt aber nicht für jeden Flughafen und jede Landebahn/-richtung ein ILS auf der Welt. GPS ist in den letzten Jahrzehnten aus keinem Cockpit mehr wegdenkbar. Ich möchte GPS ja auch nicht als das einzig seelig machende Konstrukt wissen.


    Ich bin hier eher bei baeuchle. Es sollte ein verpflichtend verbautes Modul sein. Dieses bietet eine zusätzlich Option, sich Informationen zu sammeln. Ansonsten finde ich es ehrlich gesagt beängstigend, wie mit Menschenleben umgegangen wird (von der Konzernspitze bis zum Mitarbeiter) wenn eine Mentalität herrscht, dass bei widersprüchlichen Aussagen eine "eigenmächtige" Handlung vorgenommen wird, die am Ende Menschenleben kosten kann, anstatt erst mal eine zuverlässige Zustandsprüfung zu haben und im Zweifel - bitte nicht gleich auf mich einprügeln - auch den Betrieb anzuhalten, bis eine zuverlässige Klärung erfolgt ist. Das ist vorgegebene Fehlerkultur und wenn eine sicherheitsrelevante Technik mehrfach ausfällt, finde ich es höchst fahrlässig, wenn das "hingenommen" wird, anstatt diese gegen eine zuverlässige auszutauschen. Und ja, mir ist bewusst, welches Pulverfass ich damit aufmache, dass das viel Geld kosten wird etc. Aber ich finde es traurig, wie der Beförderungsfall und das Humankapital des Unternehmens zu einer so gering geschätzten Komponente in der Risikobetrachtung "verkommen" ist.

  • Ich bin hier eher bei baeuchle. Es sollte ein verpflichtend verbautes Modul sein.

    Mit dem zweiten Satz bist du definitiv nicht bei mir.


    Dass es keine vorgegebene Verfahrensweise bei widersprüchliche Angaben gibt, kritisiert WIMRE der Bericht auch – hätte am Niederrhein allerdings nicht geholfen (denn hier hatte sich der Widerspruch ja „aufgelöst“ durch die Überzeugungskünste seitens der Fdl).

  • Wenn es kein verpflichtendes Modul ist, wird es niemand verbauen. Weil Kosten und Folgekosten ... naja

    stimmt. Und ich habe auch gar nicht vorgeschlagen, dass jedes Triebfahrzeug eine GNSS-Ortungsmöglichkeit haben sollte. Gerade im Güterzugbereich habe ich zwar einige anekdotische Hinweise darauf, dass es den EVU sehr helfen könnte, ihre Fahrzeuge orten zu können, aber das hätte rein dispositive Zwecke – „wo steht die Lok, mit der wir den Güterzug fahren lassen wollten?“


    Es ging mir einzig um die epistemische Frage: woher weiß man, was man weiß, und wie kann man herausfinden, ob das auch wirklich richtig ist? Und darauf aufbauend die Frage, warum dieses Hilfsmittel, was sehr wahrscheinlich den Tf sowieso zur Verfügung stand, nicht benutzt wurde. Anders gesagt: was du verpflichtend einbauen willst, war sowieso schon vorhanden, aber niemand ist auf die Idee gekommen, es zu benutzen.


    Viel sinnvoller als die konkrete Technik wäre eine Regelwerksänderung, die klarstellt, wie bei widersprüchlichen Positionsbestimmungen umzugehen ist.

  • Gerade im Güterzugbereich habe ich zwar einige anekdotische Hinweise darauf, dass es den EVU sehr helfen könnte, ihre Fahrzeuge orten zu können, aber das hätte rein dispositive Zwecke – „wo steht die Lok, mit der wir den Güterzug fahren lassen wollten?“

    OT ON
    Sind aus diesem Grund nicht einige Güterwagen mit GPS ausgestattet um sie ausfindig zu machen?
    Ich meine da mal was gelesen / gehört zu haben.
    OT OFF

  • Die eigentliche Sicherungstechnik hat doch nicht versagt. Die besetzen Blöcke wurden auch als besetzt angezeigt, ZN hin oder her.

    Was eher die Frage ist, ist dort die Fehlerquote dort dermaßen hoch, daß eine Fehlsignalisierung angenommen wird?

  • Wir kennen weder die Fälle, in denen der Gleisfreimeldeanlage vertraut wird, noch die Fälle, in denen eine Störung korrekt aufgelöst wurde. Denn dann passiert kein Unfall.


    Und spätestens nach dem Fall, wo der Zug sichtbar die Strecke verlassen hat, ist in Meinen Augen Misstrauen in die Gleisfreimeldung durchaus angebracht. Dass man hier "einer rein - ein anderer raus" spielen konnte, ist am Ende auf einen einzigen Regelverstoß (Freigeben der Ausfahrt aus dem Blockabschnitt) zurückzuführen. Die vorangegangenen Fehler zeichnen ein schlechtes Bild von der Arbeitsweise der Beteiligten und haben das Chaos erschaffen, indem der Fehler passieren konnte - ihn jedoch nicht herbeigeführt.

    Es bleibt hier noch die Frage offen, ob der Fdl auch einen Befehl zur Fahrt auf Sicht ausgestellt hätte, wenn die Achszählergrundstellung beim ersten Mal erfolgreich gewesen wäre. Dies wäre der zweite Fehler, den man dem Fdl anlasten könnte.


    Ansonsten reiht sich dieser Unfall in die Serie der Einzelfehler ein, die genug Verwirrung stiften, dass es dabei zu ernsthaften Schäden kommt. Mir kommt es so vor, als würde sich dies häufen, ich kann das jedoch weder belegen, noch plausible Ursachen nennen.

    Am Ende bleiben wenige Möglichkeiten offen, hier mehr Sicherheit zu schaffen.

    Mir fallen ein:

    - Nach Achszählergrundstellung muss IMMER auf Sicht gefahren werden

    - Andere Darstellung der Zugnummern am ESTW, so dass die "Autorität" der Zugnummern reduziert wird

    - Eine weniger fehleranfällige (oder auch nur eindeutig in den Fehlerzustand gehende) Zugnummernmeldeanlage.

    Es ist hier eben gelungen, dass die Zugnummernmeldeanlage ein sehr plausibles (aber eben falsches) Bild der Realität gezeichnet hat.

  • Und spätestens nach dem Fall, wo der Zug sichtbar die Strecke verlassen hat, ist in Meinen Augen Misstrauen in die Gleisfreimeldung durchaus angebracht. Dass man hier "einer rein - ein anderer raus" spielen konnte, ist am Ende auf einen einzigen Regelverstoß (Freigeben der Ausfahrt aus dem Blockabschnitt) zurückzuführen. Die vorangegangenen Fehler zeichnen ein schlechtes Bild von der Arbeitsweise der Beteiligten und haben das Chaos erschaffen, indem der Fehler passieren konnte - ihn jedoch nicht herbeigeführt.

    Wenn das alles wäre, würde ich dir zustimmen. Allerdings fehlt dabei der Faktor, dass der Tf dem Fdl gesagt hat, dass er noch in dem Abschnitt war. Somit war also nicht nur das Misstrauen in die Gleisfreimeldung, sondern auch in die Positionsmeldung vorhanden – oder hätte es sein sollen. Immerhin, und auch das ist aus dem Bericht ersichtlich, gab es keinerlei Versuch, festzustellen, welcher Zug das war: welche Wagen hast du? Welches Ladegut?

  • Warum? Welches Stellwerk hat denn nicht funktioniert? Ansonsten informiere Dich bitte dringend darüber, welche Systeme im Einsatz sind, wie sie zueinander in Abhängigkeit stehen und auf welchem Sicherheitslevel sie angesiedelt sind.

    Ich spreche nicht davon, dass ein Stellwerk nicht funktioniert. Die Weiterschaltung der Zugnummern durch die ZN-Anlage ist sicherlich gemäß den geltenden Vorschriften. Jedoch erschwert sie die Übersichtlichkeit. Der uspr. Fehler geschieht meines Erachtens dann, wenn der Fdl Babenhausen die Fahrstraße zurücknimmt. Dann erinnert er sich zwar daran, dass der Zug entgegen der Angabe der ZN-Anlage noch nicht abgefahren ist, aber vergisst fatalerweise den Zug, der sich einen Abschnitt vor ersterem befindet. Würden die Zugnummern nicht einzeln angezeigt werden, wäre die Ursache beseitigt und der Fdl hätte gar keinen Fehler begangen. Es wäre nicht zum Unfall gekommen. Ich nahm (nach @Holger Koettings Antwort wohl fehlerhaft) an, dass die ZN-Anlage bei elektronischen Stellwerken nicht einzeln gebraucht wird. Ist das jedoch so, wäre die Ursache trotz des digitalen Ausbaus nicht beseitigt. Es kommt nun die Frage auf, warum das so ist.

  • Weil dann doch die Zugnummer des sich in Babenhausen befindlichen Zuges nicht weitergeschaltet worden wäre, schließlich bewegte sich die Rotausleuchtung ja auch nicht.

    Ah. Nein. Die ZN ist bei EStw zwar in die Anzeige integriert, aber dennoch ein unabhängiges System. Ein Teil des Problems ist ja hier gerade, dass mit der ZN rumgespielt wurde, um ein anderes Problem zu lösen, wie ich schon vor 19 Stunden versucht hatte, dir zu erklären.

  • Wenn das alles wäre, würde ich dir zustimmen. Allerdings fehlt dabei der Faktor, dass der Tf dem Fdl gesagt hat, dass er noch in dem Abschnitt war. Somit war also nicht nur das Misstrauen in die Gleisfreimeldung, sondern auch in die Positionsmeldung vorhanden – oder hätte es sein sollen. Immerhin, und auch das ist aus dem Bericht ersichtlich, gab es keinerlei Versuch, festzustellen, welcher Zug das war: welche Wagen hast du? Welches Ladegut?

    Bedenke die zeitliche Abfolge:

    - Zug auf Ersatzsignal rein

    - Zug auf Hauptsignal raus

    - Zug (mit Schluß) mit überhöhter Geschwindigkeit gesehen

    - Funkkontakt mit Tf

    - Standortmeldung

    - (Unklar wann genau, aber in diesem Prozess): Achszählergrundstellung

    - Stellen des falschen Zugs in Kranichstein


    Ich halte es für möglich, in einer Theorie so festzustecken, dass die Alternativen ausgeblendet werden. "Dem Tf nicht glauben" ist in der Hinsicht kein Regelwerksverstoß, weil "Alle Angaben des Tf sind immer korrekt" nicht im Regelwerk enthalten ist. Tatsächlich hätte ich eher "Regelverstoß" als "Fehler" schreiben sollen.


    Hier hatte der Fdl alles (für ihn) logisch vorliegen:

    Zug fährt wie erwartet, ZN-Anlage verhält sich wie erwartet, Zug bewegt sich sowohl auf dem Stellwerk und beim Blick aus dem Fenster absurd schnell, Tf fährt wirr und redet wirr.

    Aus der Perspektive des Fdl gab es keinen Grund den Zug zu identifizieren, er wusste ja gar nichts von dem zweiten Zug - das Zugnummernchaos war ja nicht an seinem Platz passiert.

    Tatsächlich hätte er dem Tf glauben müssen (das ist allen klar), aber er hatte gut erscheinende Gründe, es nicht zu tun.

  • Ich halte es für möglich, in einer Theorie so festzustecken, dass die Alternativen ausgeblendet werden. "Dem Tf nicht glauben" ist in der Hinsicht kein Regelwerksverstoß, weil "Alle Angaben des Tf sind immer korrekt" nicht im Regelwerk enthalten ist. Tatsächlich hätte ich eher "Regelverstoß" als "Fehler" schreiben sollen.

    Das hast du ja durchaus getan ;) . Es gibt mit Sicherheit die Regel, im Zweifel auf Nummer sicher zu gehen, diese wurde gebrochen, weil Zweifel ohne die notwendige Sorgfalt weggewischt wurden.

    Tatsächlich hätte er dem Tf glauben müssen (das ist allen klar)

    Nein! Das ist überhaupt nicht richtig! Er hätte dem Tf nicht glauben müssen. Er hätte aber die Meldung des Tf nicht einfach abweisen dürfen. Er hätte durch diese Meldung sein Konfidenzlevel in die Aussage „es ist kein Zug mehr im Abschnitt“ – also die Antwort auf die Frage „wie sicher bin ich mir?“ – senken müssen. Und Vorsicht walten lassen, und überlegen, welche neuen Informationen er erhalten könnte, um die Frage zu klären. Und da hätte es eben mehrere Möglichkeiten gegeben.

  • Weil dann doch die Zugnummer des sich in Babenhausen befindlichen Zuges nicht weitergeschaltet worden wäre, schließlich bewegte sich die Rotausleuchtung ja auch nicht.

    Das war ja eine Auswirkung des BÜ-Workarounds und passiert normalerweise nicht. ABER: Der Fdl bemerkte es ja, versäumte aber auf dem Ausdruck zu schauen, was genau passiert war.


    Hier hatte der Fdl alles (für ihn) logisch vorliegen:

    Zug fährt wie erwartet, ZN-Anlage verhält sich wie erwartet,

    Nein, aus Babenhausen hatte er von Problemen mit dessen ZN-Anlage erfahren. Es gab also einen Grund, den ZN zu misstrauen!