
Zugunglück bei Garmisch-Partenkirchen
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Update mit einem aktuellen Link zum Münchner Merkur:https://www.merkur.de/lokales/…-todesopfer-91593673.html
Mittlerweile sind 5 Menschen gestorben, darunter zwei Ukraineriinen, die Putins Mordbrennern entkommen waren. Mein Mitgefühl mit den Verletzten und den Angehörigen der Toten.
Aktuell neu ist, dass die Staatsantwaltschaft gegen drei Bahn-Mitarbeiter ermittelt, darunter den Lokführer und den Fahrdienstleiter. Nach weiteren Meldungen, dass schwerpunktmäßig die Ursachen-Ermittlungen Richtung Schienen und Fahrgestelle laufen, sehe ich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zunächst als Routine an.
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SPON schreibt dies auch:
ZitatErmittelt wird laut übereinstimmenden Medienberichten gegen den Lokführer, den Fahrdienstleiter und den Streckenverantwortlichen. Ermittlungen gegen diesen Personenkreis sind aufgrund der jeweiligen Funktion nach Bahnunfällen üblich, für den Hergang heißt dies zunächst noch nicht sehr viel.
Bedeutet dies, dass die unmittelbar an einer Zugfahrt beteiligten,- Fahrdienstleiter und Lokführer bei einem Unglück unter Generalverdacht stehen?
Welche Rolle hat denn ein "Streckenverantwortlicher"? Warum steht der Werkstattleiter oder Wagenmeister, der / die den Zug als letzte inspiziert hatten nicht auch unter "Verdacht".
Ich halte die Ermittlungen gegen den genannten Personenkreis schon merkwürdig, bevor Ergebnisse eine technischen Untersuchung vorliegen.
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Naja, macht schon Sinn, die Fahrt zugelassen hat der Fahrdienstleiter, durchgeführt hat sie der Lokführer, beide könnten eine Langsamfahrstelle missachtet haben; der Fdl, der deswegen bspw keinen Befehl diktiert hat, oder dem ein oberbaumamgel bekannt war, aber diesen nicht weitergegeben hat oder entsprechende Maßnahmen versäumt hat und der Tf, der zu schnell gefahren ist, oder die La missachtet hat.
in der Ausbildung zum Eisenbahner im Betriebsdienst(vor allem Fdl) gibt es einen Spruch, der einem immer wieder gesagt wird:
„Wenn du den Dienst antrittst, stehst du mit einem Bein schon um Knast. Egal was passiert, der Staatsanwalt kommt immer zuerst aufs Stellwerk und sammelt alles ein, und glaub mir, wenn die was finden wollen, finden die was, mit dem sie dich drankriegen“ -
Ermittlungsverfahren haben u.a. den Zweck, Verdachtsmomente ausräumen und Varianten des Geschehensablaufs auszuschließen. Deshalb im Krimi immer die Frage „wo waren Sie zum Zeitpunkt der Tat?“
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Wie es auch bei DSO stand: Nur bekommt man den Stress und die Kosten dafür (natürlich wenn es sich nicht bestätigt) von niemandem ersetzt...
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Mich irritiert, dass es einen Streckenverantwortlichen geben soll.
Ich könnte mir vorstellen, dass es ein Team von Experten gibt, welche sich um die Strecken X bis Z kümmern. Nach einer Reparatur oder Fertigstellung gibt eine befugte Person aus dem Team die Strecke (wieder) frei.
D.h., es fuhr der schnell konkret bekannte Lokführer mit dem schnell konkret bekannten Fahrdienstleiter auf dem Stellwerk und der letzten Freigabe der maßgeblichen Stelle, erteilt von einer Person aus dem Streckenteam, welche noch ermittelt werden müsste (also nicht sofort greifbar ist), oder?
Mir geht es nicht um die Findung des Schuldigen, sondern um die Aussage, dass es nur eine Person geben soll, die jederzeit die Verantwortung für die Strecke hat. Wenn dem so wäre, dann würde die Person ja sinnvoller Weise sich immer selbst von der Funktionstüchtigkeit der Strecke überzeugen. Und da niemand 24 Stunden an 365 Tagen im Dienst sein sollte, wäre das sehr hinderlich für eine zügige Streckenfreigabe.
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Mir geht es nicht um die Findung des Schuldigen, sondern um die Aussage, dass es nur eine Person geben soll, die jederzeit die Verantwortung für die Strecke hat. Wenn dem so wäre, dann würde die Person ja sinnvoller Weise sich immer selbst von der Funktionstüchtigkeit der Strecke überzeugen. Und da niemand 24 Stunden an 365 Tagen im Dienst sein sollte, wäre das sehr hinderlich für eine zügige Streckenfreigabe.
Ich glaube, Verantwortung ist hier so zu lesen wie die Verantwortung eines Hausbesitzers, den Gehweg im Winter zu räumen. Das bedeutet nicht, dass man Nachts um 3 aufstehen muss, um den Schnee zu räumen.
Im Rahmen beruflicher Tätigkeit ist mit Verantwortung häufig gemeint, dass jemand die Einhaltung der Prozesse und Vorschriften sicherstellen muss. Also zum Beispiel sicherstellen muss, dass eine regelmäßige Streckenkontrolle gemäß Vorschrift stattfindet, dass der Prüfbericht auch gelesen wird und dass entsprechende Maßnahmen umgesetzt werden.
Nur bekommt man den Stress und die Kosten dafür (natürlich wenn es sich nicht bestätigt) von niemandem ersetzt...
Zumindest für die Kosten ist eine Rechtsschutzversicherung, die auch berufliche Risiken abdeckt, empfehlenswert, wenn man entsprechende Verantwortlichkeiten in der Hierarchie eines Unternehmens übernimmt.
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Es gibt eine Verkehrssicherungspflicht. Bei den Grundstücken der Eigentümer, der z.B. die genannte Schneeräumung nach den gesetzlichen Rahmenbedingungen sicherstellen muss, ebenso auch, dass niemand auf dem Grundstück zu Schaden kommt.
Bei Straßen gibt es Straßenbaulastträger, der für den sicheren Betrieb der Straße sorgen muss. Dazu gehört etwa die Beseitigung von Schäden wie größeren Schlaglöchern und die Überprüfung der Sicherheit von Bauwerken wie Brücken. Ist die Sicherheit nicht gewährleistet, wird die Benutzung eingeschränkt oder ganz gesperrt. Das hatten wir ja in der Vergangenheit mit einer der Niddabrücken in Nied, die deshalb den Namen "Klingelbrücke" erhielt. Und ganz gesperrt und schließlich gesprengt wurde im letzten Jahr die Salzbachtalbrücke.
Bei Eisenbahnstrecken ist es der private Eigentümer (der im Zweifelsfall auch ein öffentliches Unternehmen sein kann) oder DB Netz. Die haben natürlich auch die Sicherheit ihrer Bahnstrecken zu gewährleisten. Genauso, wie der normale Autofahrer oder Fußgänger oder der Disponent eines Busbetriebs davon ausgeht, dass die Straße unter den vorgegebenen Regelungen - z.B. mögliche Begrenzung von Geschwindigkeit oder Gewicht - sicher benutzbar ist, gehen auch Lokführer und Fahrdienstleiter von der sicheren Benutzbarkeit der Strecke aus. Die müssen die Strecken-Verantwortlichen, in dem Fall von DB Netz, gewährleisten und im Zweifelsfall Einschränkungen anordnen oder die Strecke ganz sperren.
Im Normalfall gehe ich davon aus, dass die Bahnstrecken regelmäßig überprüft werden und auch große Sicherheitspuffer eingeplant werden. Das gibt dann -mitunter auch hier - "Ärger", weil es Langsamfahrstellen gibt oder Strecken bei Unfällen oder Schäden länger gesperrt bleiben, als von Laien erwartet wird.
Deshalb ist es verständlich, dass mit Blick auf einen später stattfinenden "Gipfel" über Sabotage-Akte spekuliert wird. Ebenso rücken die geplanten Sanierungsarbeiten in den Blick. Da ist - rein spekulativ - auch denkbar, dass die bestehende Schadenslage falsch eingeschätzt wurde. Ebenso sind natürlich Bewegungen des Erdreichs aufgrund früherer Wetterlagen im Bereich des Möglichen. Aber genauu das sollen ja die Ermittlungen herausfinden.
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Laut SPON+ konzentrieren sich die Untersuchungen auf den Fahrweg und die Fahrzeuge.
Auf dieser Strecke verkehren wohl vorwiegend keine Dostos.SPON+:
ZitatSo können Experten und Bahner nur mutmaßen, zum Beispiel in einschlägigen Foren im Internet. Eine Gleisverwerfung könnte eine Rolle gespielt haben. Oder die Abnutzung in der Linkskurve, in der der Regionalzug entgleiste. In den Kurven wirken andere Kräfte auf den Schienenstrang als auf gerader Strecke. Auffällig ist, dass ausgerechnet ein Doppelstockzug verunglückte, während sonst zwischen Garmisch und München hauptsächlich einstöckige Züge verkehren. Ein solches Gespann ist schwerer und womöglich anfälliger.
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Im Zusammenhang mit dem Zugunglück führt die DB derzeit ein Inspektions- und Austauschprogramm an Betonschwellen durch. Untersucht werden Schwellen eines bestimmten Typs, die vermutlich mit dem Unfall in Zusammenhang stehen. Die Schwellen werden bei Auffälligkeiten schnellstmöglich ausgetauscht. Ggf. müssen bis zum Austausch Langsamfahrstellen eingerichtet oder ganze Streckenabschnitte gesperrt werden.
Deutsche Bahn tauscht Betonschwellen im Schienennetz aus
Die Deutsche Bahn (DB) führt aktuell ein umfangreiches Inspektions- und Austauschprogramm bei Betonschwellen aus. Die Arbeiten erfolgen vorsorglich, da im Zusammenhang mit dem Unfall bei Garmisch-Partenkirchen am 3. Juni auch Schwellen eines bestimmten Bautyps von den ermittelnden Behörden geprüft werden. Auch wenn die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind und die Unfallursache noch nicht feststeht, hat die DB rein vorsorglich entschieden, baugleiche Schwellen im Netz zu untersuchen.
Die Inspektionen sind bereits gestartet. Rund 200.000 Schwellen werden untersucht. Sollte die DB Auffälligkeiten finden, tauscht sie die Schwellen schnellstmöglich aus. Bis die Schwellen erneuert sind, fahren die Züge über die betroffenen Stellen mit geringerer Geschwindigkeit. In einzelnen Fällen können Streckenabschnitte auch gesperrt werden.
Die Schwellen sind durchschnittlich erst fünfzehn Jahre alt. Betroffen sind nach derzeitigen Erkenntnissen rund 0,25 Prozent aller Betonschwellen im Netz der DB. Die Inspektionen umfassen Strecken in allen Regionen bundesweit. Erste Schwellenwechsel haben bereits begonnen, einen umfassenden Plan erarbeitet die DB derzeit.
Bei den Arbeiten werden sich Einschränkungen wie Umleitungen oder Fahrzeitverlängerungen nicht immer vermeiden lassen. Dafür bittet die DB alle Reisenden um Verständnis und Entschuldigung.
Aktuelle Fahrplaninformationen sind unter bahn.de oder im DB Navigator einsehbar.
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Tommy
Hat das Thema aus dem Forum Eisenbahn nach Süddeutschland verschoben -
Mehrere Medien berichten heute über den Zwischenbericht des Unfall, aus dem hervorgeht, dass beschädigte Beton-Schwellen unfallursächlich gewesen sein sollen.
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Siehe
auchbesser die Originalquelle.Nach dem Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Berichtserstellung war ein Mangel am Oberbau primär ursächlich für den Eintritt der Zugentgleisung des Zuges RB-D 59458. Die an dieser Stelle verlegten Spannbetonschwellen wiesen Beschädigungen auf, die auf einen Verlust der Vorspannung innerhalb der Schwelle schließen ließen. Diese führten in der Folge zu einem Versagen der Struktur und zum Wegbrechen der Schienenauflager in Richtung der
eingeleiteten Kräfte. -
Die BEU hat zum Jahrestag des Unglücks vor 3 Jahren den Unfalluntersuchungsbericht veröffentlicht.
Dieser ist aus meiner Sicht aber alles andere als leichte Kost und 117 Seiten auch sehr umfangreich.
Eine Zusammenfassung, die dem gerecht würde, traue ich mir an dieser Stelle nicht zu.
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In diesem Zusammenhang wird von verschiedenen Medien gemeldet, dass gegen zwei Bahnmitarbeiter Anklage erhoben worden sei wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung. Dem BEU-Bericht zufolge war unter anderem eine Meldung eines Triebwagenführers über ein Problem an der späteren Unfallstelle nicht weitergegeben worden. Noch am Vorabend des Unglücks hatte ein Lokführer sich beim Fahrdienstleiter gemeldet und von Unregelmäßigkeiten an der späteren Unfallstelle berichtet. Er sprach von einer „Kurvenüberhöhung“, es sei ein „Schlenker“ drin. Der Fahrdienstleiter antwortete, er gebe das weiter. Das geschah jedoch nicht. Dazu sagt der BEU-Bericht:
Zitat"Ob es bei einer Weitergabe der Meldung an die EVZS und einer Überprüfung der Stelle durch eine Fachkraft tatsächlich zu einem vollständigen Erkennen der tatsächlichen Sachlage und des ereignisursächlichen Instandhaltungsbedarfs an den Spannbetonschwellen gekommen wäre, ist im Nachhinein nicht sicher zu belegen oder auszuschließen. Wie im folgenden Kapitel 4.1.2 beschrieben, haƩe erst zwei Tage vor der Meldung am 31.05.2022 eine Fachkraft
Oberbau die Stelle inspiziert. Ob eine erneute Inaugenscheinnahme nur zwei Tage später zu einer anderen Bewertung geführt häƩe, scheint zumindest fraglich. Des Weiteren haben zwischen der Meldung des Tf an den Fdl und dem Ereignis mindestens zehn Zugfahrten die Unfallstelle befahren, ohne das eine weitere Meldung an den Fdl erfolgte. Unter anderem befuhr, wie im Kapitel 4.1.3 beschrieben, die gleiche Zuggarnitur, die später entgleiste, die Unfallstelle. Nach den Erkenntnissen der Untersuchungen beschrieben die Zugpersonale den Gleisbogen als „nicht gut aber auch nicht außergewöhnlich schlecht“. Aufgrund der beschriebenen Sachverhalte wertet die BEU die unterlassene Weitergabe der Meldungen nicht als ursächlichen oder beitragenden Faktor für das Ereignis, auch wenn es sich hierbei um ein nicht regelwerkskonformes Verhalten des zuständigen Fdl Garmisch‐Partenkirchen 1 handelte." (Seite 33)
Die BEU sieht die amßgebliche Unglücksursache in Korrosionsschäden, die bestimmte Schwellen eines bestimmten Herstellers in einer bestimmten Produktionscharge aufwiesen, die aber von außen nicht sichtbar waren.
ZitatDie Spannbetonschwellen zeigten, bei Untersuchungen nach dem Ereignis, teilweise deutliche Schädigungen bis zum vollständigen Verlust der Vorspannkraftvdurch Auftreten einer AKR und SEB auf. Entsprechende Schäden traten in der Vergangenheit bei Spannbetonschwellen verschiedener Hersteller auf. Die Problematik war somit zumindest teilweise, auch im Produktionsjahr der relevanten Schwellen bereits bekannt. Die BEU wertet das Versagen der Struktur der Spannbetonschwellen als ursächlichen Faktor [F1] für das Ereignis. Die Vermeidung des Strukturversagens der Spannbetonschwelle hätte das Ereignis aller Wahrscheinlichkeit nach verhindert. (S. 65)
AKR = Alkali‐Kieselsäure‐Reaktion SEB = Sekundäre Ettringitbildung
Den gutachterlichen Feststellungen auf S. 72 ff ist zu entnehmen, dass klimatische Bedingungunen zu einem kombinierten Auftreten von AKR und SEB geführt haben, was die Schädigung der Schwellen verstärkt hat.
ZitatZusätzlich wurde auch von den Gutachtern in einer dokumentierten Fachbesprechung die These bestätogt, dass die „innere Schädigung“ durch AKR und SEB deutlich höher war, als es die von außen zu erkennenden Schäden in Form von Rissen vermuten ließen.
(S. 74)
Auf den Seiten 79 f. geht es um betriebliche und finanzielle Zwänge, denen inspizierendes Personal ausgesetzt war, welche möglicherweise dazu geführt haben, das eine Instandsetzungmaßnahme verschoben wurde, die als notwendig erkannt worden war.
Das Beste wäre gewesen, alle Xmillionen Schwellen der fraglichen Charge, deren Mängel seit 2012 bekannt waren, wären frühzeitig ausgetauscht worden. Dafür hat aber niemand einen Anlass gesehen. Erst durch das Ereignis vom 3.6.2022 hat sich herausgestellt, dass der Verlauf einer kombinierten AKR/SEB-Korrosion anders war, als bisher angenommen.