Streiks Tarifrunde 2023 [ursprünglich: Warnstreik am 17.02.2023]

  • Die kleinen EVU hatten mit der GdL eine Wettbewerbsklausel des Inhalts vereinbart, ihre Verhandlungsergebnisse nach unten anzupassen, wenn die mit Behn ausgehandelten Ergebnisse schlechter ausfallen. Das lässt das Argument der GdL „35- Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich geht doch, die Bahn muss nur wollen „ in einem anderen Licht erscheinen.

  • Das ist richtig. Nun müsstest du nachweisen, dass irgendjemand ein Grundrecht auf Transport mit der Eisenbahn hat. Mal sehen:

    Oh guck kein einziger Punkt davon sagt, dass man mit der Eisenbahn reisen können muss. Jeder einzelne Punkt besteht daraus, dass es für die Ausübung mancher Grundrechte nötig sein kann, unterwegs zu sein.

    Mir geht es um nichts anderes als dass es in der aktuellen GDL-Streikrunde einen Konflikt zwischen der Ausübung des Grundrechtes der Lokführer auf Streik und der Restbevölkerung auf die Ausübung anderer Grundrechten gibt. Die Frage ist wie wir diesen Konflikt lösen. Zwischen den Extremen "Streikrecht geht immer vor" (Jede Fahrt kann kurzfristig ausfallen weil sich der streikende Lokführer einfach und ohne jede Ankündigung nicht zur Arbeit erscheint) und "Freie Fahrt für freie Bürger" (Die Streikabsicht muss für jede Fahrt einzeln angemeldet werden und jeder Bürger kann durch Einspruch mit Verweis auf die Absicht diese Fahrt zwecks Ausübung seiner Grundrechte nutzen zu wollen unterbinden) gibt es eine weite Grauzone und das ist das Feld in dem der Gesetzgeber und die Gerichte den erlaubten Rahmen abstecken. Die Position der GDL scheint zu sein dass alles legitim ist was nicht explizit durch die Gerichte verboten wurde und da bin ich doch sehr froh dass solche Leute mit so wenig Sensibilität für die Auswirkungen ihrer Streiks auf die nicht-streikende Bevölkerung nicht im Gesundheitswesen arbeiten...

    Zitat

    Das kannst du: es gibt mindestens Taxen, und für den größten Teil der Bevölkerung und mindestens im Zusammenhang mit dem ersten Punkt auch andere Möglichkeiten neben der Eisenbahn. „Erschweren” vielleicht, „verhindern“ definitv nicht.

    Fällt dir der Widerspruch zwischen "für die meisten Bürger gibt es Alternativen" und "niemandem wird die Ausübung von Grundrechten verwehrt" eigentlich nicht selbst auf? Selbst wenn 99.9% der Alternativen hätten (also nicht nur solche die Vorhanden sind, aber die sie sich auch leisten können), dann kommen bei 83.2 Millionen Bundesbürger auf jedes GDL-Mitglied immernoch 2 Bundesbürger deren Ausübung ihrer Grundrechte durch den Streik direkt vereitelt würde. Zumindest die Frage danach ob dies wirklich verhältnismäßig und im Sinne des Artikel 2 im Grundgesetz ist, sollte erlaubt sein.

    Zitat

    Wenn das eine Angriff auf meine Grundrechte wäre, wäre demnach jede Tariferhöhung der Bahn über die Inflationsrate (nein, eigentlich sogar über meine persönliche Lohnentwicklung) hinaus eine Grundrechtsverletzung.

    Jede Änderung im Mobilitätsangebot, die meine Fahrten mit der Bahn zur Arbeit, Arzt, Religions- oder Demonstrationsstätte verteuert oder erschwert, behindert oder verhindert meine Ausübung der Grundrechte. Nur entsteht dies in diesen Beispielen nicht durch die Ausübung eines Grundrechtes durch Dritte, sondern durch unternehmerische oder politische Entscheidungen. Wenn dies zu Härtefällen führt, kann ich versuchen durch Ausübung des Demonstrations- und Petitionsrecht darauf Aufmerksam zu machen - ich kann jedoch nicht das betroffene Unternehmen verklagen, sofern dieses hierbei nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz in Artikel 3 im Grundgesetz verstößt.

    Zitat

    Deine Kernaussage – Streiks müssen ja Grundrechte verletzen, sonst wäre das TAG als verfassungswidrig erkannt – ist demnach unrichtig.

    Ich hatte in der Tat das falsche Beispiel rausgesucht. Trotzdem zeigt die Vielzahl an Gesetzen, welche die Ausübung des Streikrechtes regeln, und von Gerichtsverfahren, welche Gewerkschaften verloren haben, dass weder Gesetzgeber als auch Gerichte dem Streikrecht nicht automatisch Vorrang vor anderen Grundrechten einräumen.

    Einmal editiert, zuletzt von Jojo () aus folgendem Grund: Beitrag wegen Überlänge gesplittet.

  • Da sind wir der gleichen Meinung. Ich hängte mich nur an der Grundrechts-Frage auf.

    Das halte ich ebenfalls für technisch richtig, aber letztlich ist das wieder ein Framing, dass die Verantwortung einseitig auf die Gewerkschaft ablädt. Der Tarifkonflikt hat unsoziale Folgen insbesondere für arme Menschen.

    Situation 1: Richard Lutz und Claus Weselsky verabreden sich zu einem Schaukampf um eine Einigung zu erzielen ("Gewinnst du unterschreibst du mein Tarifangebot, gewinnst du unterschreibe ich deines").

    Ist dies ein Tarifkonflikt? Ja.

    Haben beide Tarifparteien Einfluss darauf wie dieser Tarifkonflikt ausgetragen wird? Ja.

    Werden durch diesem Tarifkonflikt die Grundrechte Dritter berührt? Nein.


    Situation 2: Die GDL ruft einen Streik aus. Es wird die Hälfte aller Schichten bestreikt. Die GDL verkündet ihre Streikabsicht eine Woche im Vorraus, sodass die DB drei Tage vor Streikbeginn einen Streikfahrplan herausgeben kann, in welchem auf allen Linien jede zweite Fahrt ausfällt.

    Ist dies ein Streik? Ja.

    Haben beide Tarifparteien Einfluss darauf wie dieser Streik ausgetragen wird? Nein, nur die GDL.

    Werden durch diesem Tarifkonflikt die Grundrechte Dritter berührt? Ja, aber deren Ausübung ist mit kleinen Anpassungen an die Mobilitätsgewohnheiten weiterhin uneingeschränkt möglich.


    Situation 3: Die GDL verkündet dass ab Übermorgen alle Mitglieder streiken. Kaum jemand weiß welche Züge noch fahren. Tausende Menschen stehen auf Bahnsteigen und warten auf Züge, die nicht mehr kommen.

    Ist dies ein Streik? Ja.

    Haben beide Tarifparteien Einfluss darauf wie dieser Streik ausgetragen wird? Nein, nur die GDL.

    Werden durch diesem Tarifkonflikt die Grundrechte Dritter berührt? Ja, durch den Wegfall jeglicher Planungssicherheiten ist es vielen Bürgern nicht mehr gesichert möglich, bestimmte Grundrechte auszuüben.


    Es ist folglich nicht der Tarifkonflikt, welcher Unbeteiligte bei der Ausübung ihrer Grundrechte beeinträchtigt, sondern die von der GDL gewählten Streiktaktiken. Für diese trägt einzig und allein die Arbeitnehmerseite die Verantwortung, da die Arbeitgeberseite hier nichts mitzureden hat.


    Hat, glaube ich, auch nie ernsthaft jemand behauptet, außer die jeweilige Gegenpartei. Zu einem Streit gehören immer Zwei.

    Trotzdem trägt jede Seite die alleinige Verantwortung für ihre Wahl der hierbei verwendeten Mittel.


    Nur ganz kurz: laß "die Politik" mit diesen Aussagen (auch mit diesen Formulierungen) Gesetze raushauen, die den Eisenbahnern das Streiken verbieten, weil wir ja so absolut unterrepräsentativ für die Bevölkerung sind und deshalb gefälligst immer und ständig einfach nur zu funktionieren haben, egal was die Arbeitgeberseite "anbietet" oder eben auch nicht.

    Es geht nicht darum irgendjemandem das Streikrecht zu verbieten. Es geht allein darum die Grundrechte und Interessen Unbeteiligter zu berücksichtigen. Und das bedeutet, die Verhältnismäßigkeit der gewählten Mittel zu beurteilen. Dass wenn 4.000.000 Menschen (ca. 5% der Bevölkerung) ihre Arbeit niederlegen der Alltag vieler Menschen gestört wird ist unvermeidlich und muss von diesen generell hingenommen werden. Ob dasselbe im selben Maße zutrifft wenn nur 40.000 Menschen streiken (diese aber normalerweise 10 Millionen Bahnfahrten pro Tag ermöglichen), ist eine ganz andere Frage. Die rechtliche Bewertung eines Eisenbahnausbauprojektes für welches 10 Menschen enteignet werden und umziehen müssen sieht ganz anders aus als für ein identisches Projekt, für welches dies auf 1.000 Menschen zutrifft. Solche Entscheidungen sind oftmals eine Art Nutzen-Kosten-Rechnung, bei der geschaut wird ob der Nutzen einer Maßnahme (also die Anzahl der Menschen welche profitieren, multipliziert mit dem durchschnittlich erzielten Nutzen dieser Menschen) dessen "Kosten" (also die Anzahl der Menschen für welche Nachteile entstehen, multipliziert mit dem durchschnittlich erlittenen Nachteil dieser Menschen) übersteigt und somit überwiegt. Nur durch diesen Interessenausgleich ist gesellschaftliches Leben und Freiheit überhaupt möglich und nichts anderes verlangt Artikel 2 unseres Grundgesetzes...


    Du ziehst Dir aber ziemliche vermeintliche Rechte heraus. Die GDL will dir keines dieser Rechte verbieten.

    Mein Recht ungehindert (d.h. mit dem allgemein vorhandenen Verkehrsangebot) Arbeit, Arzt, Religions- oder Demonstrationsstätten aufzusuchen ist genauso grundgesetzlich geschützt wie dein Recht ungehindert zu streiken. Die Frage ist was passiert, wenn deine Ausübung von Artikel 9 Abs. 3 GG mich bei der Ausübung von Artikeln 4,8,11,12 GG behindert, also die beabsichtigte Ausübung unserer Grundrechte im direkten Konflikt zueinander stehen...

    Zitat

    Es ist Dir zumutbar, dass Du: zu Fuß gehst, mit dem Fahrrad fährst, ein Taxi nimmst, einen Leihwagen besorgst, oder sogar eines der MIV-Verkehrsmittel (Moped, PKW, …) käuflich erwirbst.

    Stell dir vor du bist ein Bürgergeld-Empfänger, welcher sich vor Wochen eine Fahrkarte für 100 Euro gekauft hat, um von Frankfurt nach Berlin zu fahren, wo er einen seltenen Arzttermin für ein dringendes, seltenes und ernstes medizinisches Problem ergattert hat. Plötzlich erhältst du eine Email, dass deine Fahrt aufgrund eines Streikes ausfällt und dir die Fahrkarte erstattet wird. Woher nimmst du das Geld wenn jetzt der Flug schon 500 Euro kostet? Kannst du dir das Geld auf die Schnelle leihen (und überhaupt realistischerweise jemals zurückzahlen) oder musst du den Termin verschieben, auch wenn es Monate dauern kann bis du einen neuen Termin bekommst. Solche Fall sind natürlich selten, aber kommt bei 10 Millionen Bahnfahrten pro Tag (die DB zählt jährlich 808 Millionen Fahrgäste im Regional- und 68 Millionen im Fernverkehr) doch zwangsläufig und sicherlich in erschreckender Zahl vor.


    Auf solche Leute muss dein "Dann sollen sie halt Taxi fahren" als fast so überprivilegiert und von der Lebensrealität der breiten Bevölkerung entrückt wirken wie Marie Antonettes' berüchtigtes "Dann sollen sie halt Kuchen essen!"...

    2 Mal editiert, zuletzt von Jojo ()

  • Kurze Anmerkung zu meinen zwei letzten Beiträgen: Ich bin es gewohnt auf Foren mit unbegrenzter Editierzeit zu schreiben und viele Fehler fallen mir erst nach dem Klick auf "Antworten" auf. Hier sind mir schon mal zwei Fehler aufgefallen, welche ich leider nach Ablauf der Editierzeit nicht mehr beheben kann:


    Letzter Satz im ersten Beitrag:

    Trotzdem zeigt die Vielzahl an Gesetzen, welche die Ausübung des Streikrechtes regeln, und von Gerichtsverfahren, welche Gewerkschaften verloren haben, dass weder der Gesetzgeber als auch noch die Gerichte dem Streikrecht nicht automatisch Vorrang vor anderen Grundrechten einräumen.


    Erster Satz im zweiten Beitrag:

    Richard Lutz und Claus Weselsky verabreden sich zu einem Schaukampf um eine Einigung zu erzielen ("Gewinnst du Gewinne ich unterschreibst du mein Tarifangebot, gewinnst du unterschreibe ich deines").


    Wer ähnliche, offensichtlich unlogische Sätze findet welche sich mit nur geringfügigen Änderungen plötzlich zu einem logischen Gedanken fügen lassen, möge sie bitte entsprechend im Geiste korrigieren bevor er darauf antwortet. Ich selbst gelobe öfter Gebrauch von der "Vorschaufunktion" zu machen, um schon so viele Flüchtigkeitsfehler zu erkennen.


    Danke!

  • Fällt dir der Widerspruch zwischen "für die meisten Bürger gibt es Alternativen" und "niemandem wird die Ausübung von Grundrechten verwehrt" eigentlich nicht selbst auf?

    Doch, der fällt mir auf. Welch ein Glück für mich, dass ich das erste davon nicht gesagt habe. Du zitierst meinen Satz doch direkt davor, fällt dir denn nicht auf, dass „für die meisten Bürger gibt es auch andere Möglichkeiten“ nicht bedeutet „für die meisten Bürger gibt es Alternativen“? In diesem Fall kommt mein Halbsatz direkt nach „es gibt mindestens Taxen“. Es gibt darüberhinaus auch andere Möglichkeiten, die aber nicht für 100% der Menschen zur Verfügung stehen mögen. In diesem Zusammenhang:

    Auf solche Leute muss dein "Dann sollen sie halt Taxi fahren" als fast so überprivilegiert und von der Lebensrealität der breiten Bevölkerung entrückt wirken wie Marie Antonettes' berüchtigtes "Dann sollen sie halt Kuchen essen!"...

    Du vermischst, und langsam habe ich das Gefühl, dass du das nicht unabsichtlich tust, negative Streikauswirkungen (die niemand bestreitet) mit Grundrechtseinschränkungen. Taxen sind eine Möglichkeit, auch ohne Eisenbahnverkehr deine Grundrechte in Anspruch zu nehmen. Wenn das nicht gilt, gilt mein Argument mit den Preiserhöhungen allemal. (Wie lustig; wenn man versucht deine Aussagen ernst zu nehmen, bist du der Meinung, dass eine Grundrechtseinschränkung durch unternehmerische oder politische Entscheidungen – explizit nicht durch eine kollidierende Grundrechtsausübung! – besser rechtfertigt werden kann als die durch Streik. Du kannst auch gegen einen Streik demonstrieren, das bringt wahrscheinlich genauso wenig wie gegen eine Fahrpreiserhöhung bei Flixtrain zu demonstrieren.)

    Trotzdem zeigt die Vielzahl an Gesetzen, welche die Ausübung des Streikrechtes regeln, und von Gerichtsverfahren, welche Gewerkschaften verloren haben, dass weder Gesetzgeber als auch Gerichte dem Streikrecht nicht automatisch Vorrang vor anderen Grundrechten einräumen.

    Gegen was genau argumentierst du hier? Das Streikrecht ist nicht absolut und steht nicht explizit im Grundgesetz. Das bestätigen Gerichte und Gesetzgeber immer wieder. Stimmt. Daraus folgt nicht, dass ein Eisenbahnerstreik Grundrechte verletzt.


    Du bist immernoch den Nachweis einer solchen Verletzung schuldig.

  • So, jetzt habe ich endlich mal die Zeit gefunden, etwas zu rekapitulieren.

    Glückwunsch dass du eine dermaßen billige Ausrede gefunden hast um bloß nicht auf den Grundpfeiler des gesellschaftlichen Zusammenlebens in einer demokratischen Gesellschaft (nämlich dass die Freiheit des Einzelnen dort endet, wo die Freiheit der Anderen anfängt) eingehen zu müssen...

    Dermaßen billig war sie, weil ich gerade nicht die Zeit hatte, mir die wunderschöne Ansprache dieses Pfarrers durchzulesen. Mittlerweile habe ich das getan und habe mich dabei übrigens sehr überrascht, weil der Text überraschend gar nichts mit dem Thema Streik weder im Gesundheits- noch im Transportwesen zu tun hat. Noch dazu wird Kants Zitat ohne jegliche Erklärung oder Rechtfertigung einfach hingenommen, was zwar nett ist, aber die Frage offenlässt, was der liebe Pfarrer uns überhaupt erzählen will. Anscheinend hast du da trotzdem irgendetwas interessantes rausgelesen, denn, wenn ich dich richtig verstehe, versuchst du diesen Beitrag auf den verlinkten Text zu stützen.

    Das was Gewerkschaftsgruppierungen wie die GDL durchzusetzen versuchen ist das Recht des Stärkeren, wo derjenige die Bedingungen bestimmt welcher das größte Erpressungspotential besitzt - ohne Rücksicht auf die Allgemeinheit (inklusive der Angestellten in anderen Branchen und Gewerkschaften)

    Das Recht der Stärkeren musst du wohl meinen, denn in diesem Tarifkonflikt versuchen Zehntausende Arbeiter höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen zu erreichen.... Na ja, mal davon abgesehen basiert das Grundgesetz übrigens im Wesentlichen auf Kants Philosophie, wenn du also weiter mit Kant argumentieren möchtest, dann bitte.

    Spannend. Seit einigen Tagen hört und liest man seitens diverser GDL Verantwortlicher und Mitglieder auf einmal immer wieder die Aussage "dann muss man eben Lokführer und FDL wieder verbeamten". Ich hoffe nicht dass dies nicht das eigentliche langfristige (versteckte) Ziel der GDL ist. Das wird nicht klappen. SPNV und SGV sind viel zu stark liberalisiert... Und Fluglotsen z.B. erledigen eine echte hoheitliche Tätigkeit und sind auch nicht verbeamtet. Womit klar ist, wieweit FDL von einer Verbeamtung entfernt sind, wenn es die Fluglotsen schon nicht sind.

    Vor allem wenn dieselben Leute die das Streikrecht zum absoluten Grundrecht überhöhen (welches anscheinend im Zweifelsfall die Rechte Dritter aussticht), plötzlich vorschlagen dieses durch Verbeamtung einfach auszuhebeln…

    Das geht beides völlig an der Frage vorbei, deshalb wiederhole ich sie: Habt ihr etwas gegen Verbeamtung? Ansonsten sehe ich den großen Vorteil für die "Allgemeinheit", dass nicht mehr gestreikt wird...

    Weil "Umgehung des Streikrechtes" kein verfassungskonformer Grund sein kann um ganze Berufsgruppen zu Beamten zu ernennen?

    Ach, sorry, da hast du ja dann doch drauf geantwortet. Jedoch musst du dich verlesen haben, meine Frage war eine sogenannte "Ja-Nein-Frage". Da antwortet man üblicherweise mit "ja" oder "nein". Abgesehen davon gebe es doch viele Gründe zur Verbeamtung, z.B. die der auch von dir angesprochenen Grundversorgung, die die Eisenbahn darstellt...

    Über die Wahrung des Streikrechtes wacht das Bundesverfassungsgericht und dieses hat am 11.07.2017 entschieden dass das Tarifeinheitsgesetz "weitgehend mit dem Grundgesetz vereinbar" ist, worauf es dann folglich mit ein paar Nachbesserungen in Kraft treten konnte.

    Auch das geht an meiner Frage vorbei. Dass man soetwas schon mal in der Vergangenheit gemacht hat (ohne jeden Erfolg), heißt nicht, dass es sinnvoll war oder wiederholt werden sollte!

    Nur ganz kurz: laß "die Politik" mit diesen Aussagen (auch mit diesen Formulierungen) Gesetze raushauen, die den Eisenbahnern das Streiken verbieten, weil wir ja so absolut unterrepräsentativ für die Bevölkerung sind und deshalb gefälligst immer und ständig einfach nur zu funktionieren haben, egal was die Arbeitgeberseite "anbietet" oder eben auch nicht. Ich garantiere dir: binnen Jahresfrist hast du dieselben Zugausfälle wie genau heute - dann aber ohne Streik und als Dauerzustand, ohne Aussicht auf ein Ende. Denn dann stimmen wir (oder zumindest ein sehr großer Teil von uns) mit den Füßen ab: dann sind wir weg vom Führerstand und aus dem Zug; Arbeitsverhältnisse kann man bekanntlich kündigen, und wenn man uns dann seitens der Politik praktisch an die Führerstände fesseln und knebeln wöllte, wie du es hier effektiv vorschlägst (wenigstens verstehe ich das so), würden wir sagen "habt uns mal herzlich gerne, macht euren Kram doch alleene" und unsere Arbeitsverhältnisse in großem Stil kündigen.

    Übrigens gibt es bei der Bahn gerade Personalmangel, ob das wohl irgendetwas miteinander zutun hat, kann gar nicht sein, oder?

    Kurzum: wenn dein Streik mich in einer der eben beschriebenen Situationen behindert, dann erschwert oder verhindert dein Streik mir die Ausübung meiner Grundrechte.

    Sorry, das Bundesverfassungsgericht ist gerade noch mit dem Ausfall des ICE 71 von vor zwanzig Jahren beschäftigt, Grund dafür war ein Personalausfall infolge der wirtschaftlichen Vernachlässigung der Bahn.

    Mir geht es um nichts anderes als dass es in der aktuellen GDL-Streikrunde einen Konflikt zwischen der Ausübung des Grundrechtes der Lokführer auf Streik und der Restbevölkerung auf die Ausübung anderer Grundrechten gibt.

    Was, wie in den vorausgehenden Beiträgen bestätigt wurde, nicht der Fall ist.

    Die Position der GDL scheint zu sein dass alles legitim ist was nicht explizit durch die Gerichte verboten wurde

    Interessant. Und nach welchen Kriterien kann deiner Ansicht nach entschieden werden, was legitim ist und was hingegen nicht?

    Fällt dir der Widerspruch zwischen "für die meisten Bürger gibt es Alternativen" und "niemandem wird die Ausübung von Grundrechten verwehrt" eigentlich nicht selbst auf? Selbst wenn 99.9% der Alternativen hätten (also nicht nur solche die Vorhanden sind, aber die sie sich auch leisten können), dann kommen bei 83.2 Millionen Bundesbürger auf jedes GDL-Mitglied immernoch 2 Bundesbürger deren Ausübung ihrer Grundrechte durch den Streik direkt vereitelt würde. Zumindest die Frage danach ob dies wirklich verhältnismäßig und im Sinne des Artikel 2 im Grundgesetz ist, sollte erlaubt sein.

    Richtig. Da 0,1 Prozent der Bevölkerung die eigenen Grundrechte nicht verwirklichen kann, sollte also allen (direkt im Betrieb verwickelten) Mitarbeitern der Eisenbahn ein Grundrecht entzogen werden? (Wenn nur eingeschränkt, warum ist das dann immer noch gewährleistet, die Bahnmitarbeiter sind schließlich in der Minderheit, oder?)

    Haben beide Tarifparteien Einfluss darauf wie dieser Streik ausgetragen wird? Nein, nur die GDL.

    Ich dachte, durch die Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen DB und GDL wird der Streik vorzeitig abgebrochen... Dann hatte die DB doch Einfluss??

    Dass wenn 4.000.000 Menschen (ca. 5% der Bevölkerung) ihre Arbeit niederlegen der Alltag vieler Menschen gestört wird ist unvermeidlich und muss von diesen generell hingenommen werden. Ob dasselbe im selben Maße zutrifft wenn nur 40.000 Menschen streiken (diese aber normalerweise 10 Millionen Bahnfahrten pro Tag ermöglichen), ist eine ganz andere Frage. Die rechtliche Bewertung eines Eisenbahnausbauprojektes für welches 10 Menschen enteignet werden und umziehen müssen sieht ganz anders aus als für ein identisches Projekt, für welches dies auf 1.000 Menschen zutrifft. Solche Entscheidungen sind oftmals eine Art Nutzen-Kosten-Rechnung, bei der geschaut wird ob der Nutzen einer Maßnahme (also die Anzahl der Menschen welche profitieren, multipliziert mit dem durchschnittlich erzielten Nutzen dieser Menschen) dessen "Kosten" (also die Anzahl der Menschen für welche Nachteile entstehen, multipliziert mit dem durchschnittlich erlittenen Nachteil dieser Menschen) übersteigt und somit überwiegt. Nur durch diesen Interessenausgleich ist gesellschaftliches Leben und Freiheit überhaupt möglich und nichts anderes verlangt Artikel 2 unseres Grundgesetzes...

    Dieses utilitaristische Kalkül müsstest du erstmal etwas genauer darlegen. Abgesehen davon richtet sich das deutsche Recht (wie bereits erwähnt) eher nach Kants Ethik als nach Benthams und Mills.

    Auf solche Leute muss dein "Dann sollen sie halt Taxi fahren" als fast so überprivilegiert und von der Lebensrealität der breiten Bevölkerung entrückt wirken wie Marie Antonettes' berüchtigtes "Dann sollen sie halt Kuchen essen!"...

    Vielleicht gehen wir einen Schritt weiter und stellen infrage, ob auch wirklich alle Menschen ihre Menschenrechte ausüben können. Dass der Alleinschuldige dafür die GDL ist, weil sie die Stärkere ist, dass bezweifel ich sehr...

    2 Mal editiert, zuletzt von Manzanita ()

  • Ich glaube, wenn hier von Grundrechtseinschränkungen in Bezug der Freizügigkeit (Art. 11) gesprochen wird, besteht eine falsche Vorstellung zu den Grundrechtsartikeln des GG.


    Zu erst einmal. Die Grundrechtsartikel des GG entfalten nur eine Wirkung in der direkten Beziehung des Staates gegenüber dem Bürger. Sie wirken nicht in der Beziehung zwischen Bürger und juristischen Personen, wie Transportunternehmen. Hier gilt das Zivilrecht. Deren Gesetze darf der Staat nicht unvereinbar mit dem Grundgesetz ausgestalten.


    Die BpB schreibt dazu:

    Mit der in Artikel 11 GG geregelten Freizügigkeit ist die Freiheit gemeint, an jedem Ort in der Bundesrepublik Deutschland Aufenthalt oder Wohnsitz nehmen zu können. Nicht erfasst ist das Recht auf Auswanderung oder Ausreise aus dem Bundesgebiet. Die Einreise oder Einwanderung von Deutschen in das Bundesgebiet ist jedoch von Artikel 11 GG geschützt. Kurz gefasst könnte man sagen, das Ende der "Reise" muss im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland liegen. Das Grundrecht steht nur Deutschen zu, nicht jedoch Ausländern. Mit Aufenthalt ist ein vorübergehendes Verweilen an einem Ort gemeint, wie etwa bei einem Urlaub. Wohnsitznahme ist demgegenüber die ständige Niederlassung an einem Ort.



    Weder der Staat, die Bahn noch die GdL halten irgendjemandem gegen seinen Willen fest. Es wird niemand in einem Zug oder Bahnhof gefangen gehalten. Jeder kann um einen Bahnhof im Rahmen der Gesetze drum herumgehen. Es wird keiner gehindert.



    Daher bleibe ich dabei. Es werden hier keine Grundrechte des Grundrechtskatalogs des Grundgesetzes gegeneinander ausgespielt. Einfach weil Artikel 11, die Freizügigkeit, nicht angegriffen wird.


    Ich kann verstehen, wenn direkt von den Auswirkungen Betroffene das anders fühlen. Aber es bleibt ein Gefühl.

  • Erst mal danke an Umlaufnummer dass er einen sachlichen Ton findet und ernsthaft versucht wenigstens einen Teilaspekt meiner Argumentation korrekt zusammenzufassen und zu analysieren ohne dabei Strohmänner anzuzünden. Selbiges hätte auch dem Beitrag direkt obendrüber (und vielen anderen hier) nicht geschadet.


    Ich denke dass Holger Koetting hier weder als Anhänger extremer Meinungen noch verfassungswidriger Ideen gilt. Wenn dieser sich nachdem jede einzelne seiner Bedenken gegenüber den von der GDL frei gewählten Streiktaktiken in eine vollständige Ablehnung des in Artikel 9 Absatz 3 GG verankerten Streikrechtes umgedeutet wurde aus der Diskussion zurückgezogen hat, dann glaube ich schon dass das etwas über die Diskussionskultur in diesem Thread aussagt, Ich verstehe nur zu gut warum ihm offensichtlich seine Zeit zu schade sein könnte um hier weiterzudiskutieren und bitte seht es mir nach dass ich es ihm jetzt (besser spät als nie) gleichtun werde. Mir ist meine mentale Gesundheit einfach wichtiger...

  • Immer wieder interessant, auf welche Weise manche Menschen hier „da habe ich mich wohl total verrannt und vehement was Falsches behauptet“ formulieren. (Und wie sie scheinbar alle Argumente, die andere schon gebracht hatten, vorher einfach nicht gelesen haben.) Holger Koetting hat immerhin sinnvoll erklärt, was er meint und es auch nochmal präzisiert. Jojo, du bautest selbst mächtig an Stroh und beschwerst dich jetzt über unspezifische Strohmänner, die aus deinen Argumenten gebaut worden seien. Wenn es für deine mentale Gesundheit wichtig ist, nicht zugeben zu müssen, dass du unrecht hattest, dann good luck.


    Und um das hier vom Inhalt zu trennen, kommt gleich noch ein zweiter Beitrag.

  • Vielleicht bringt ein Streik von Lokführern soziale Härten mit sich. Vielleicht hat er deswegen unsoziale Aspekte. Vielleicht ist er deswegen sogar in Gänze unsozial. Vielleicht sollte man ihn deswegen ablehnen.


    Vielleicht kann man einen Streik besser ankündigen, als die GDL dies tat. Vielleicht kann man dem Streik eines Teils der Belegschaft besser begegnen, als die DB dies tut. Vielleicht sollte man öfters streiken, vielleicht sollte man seltener aber länger streiken. Vielleicht sollte man – bzw konkret Lokführer*innen – gar nie streiken.


    Vielleicht sind die Forderungen der GDL zu hoch. Vielleicht sind die Angebote der DB lächerlich und unzureichend. Vielleicht sind Streiks von Lokführer*innen anders zu bewerten als Streiks von Fahrdienstleiter*innen. Vielleicht ist die GDL alleine an aller Eskalation schuld. Vielleicht ist die DB alleine an aller Eskalation schuld. Vielleicht


    Vielleicht sollten Bedingungen für den Beginn eines Streikes gelten, die es heute noch nicht gibt. Vielleicht sollte es auch gar keine Einschränkungen geben. Vielleicht muss eine grundsätzliche Regelung für Arbeitskämpfe von „systemrelevanten Tätigkeiten“ geschaffen werden.


    All diese Möglichkeiten (und mehr!) können (und sollten!) diskutiert werden, und ich halte sie keinesfalls alle für gleichwertig. Aber wir sollten weder diskutieren, ob Streikrecht absolut ist (ist es nicht), noch, ob es ein Grundrecht ist, von der Eisenbahn transportiert zu werden (ist es ebenfalls nicht). Wir sollten auch nicht diskutieren, ob Grundrechte gegeneinander abgewägt werden müssen (müssen sie) – auch wenn diese Frage eben sowieso irrelevant ist.

  • Man sollte bedenken, dass unser Streikrecht schon sehr stark eingeschränkt ist und wenn dies weiter beschränkt würde, fast nutzlos werden würde. Anders als Frankreich, wo auch die Durchsetzung politischer Forderungen durch Streik umsetzbar ist, ermöglicht unser Streikrecht nur die Durchsetzung tarifvertraglicher Fragestellungen. Dazu kommen lange Friedenszeiten.

    Man kann das Vorgehen der GDL kritisieren, was man nicht machen sollte, Änderungen am Streikrecht fordern. Das schadet im Endeffekt allen Arbeitnehmern. Übrigens sollte man überlegen, ob es klug ist, Dinge wie das Tarifeinheitsgesetz zu fordern und zu unterstützen. Meiner Meinung hat genau dieses Gesetz zur jetzigen Situation mit der GDL und EVG geführt anstatt Ruhe in den Konzern zu bringen. Die Tarifauseinandersetzungen werden härter, da jede Gewerkschaft nun das Maximum rausholen will. Hier hat die Politik ein Instrument geschaffen, dessen Folgen kaum beherrschbar sind.

  • Man sollte bedenken, dass unser Streikrecht schon sehr stark eingeschränkt ist und wenn dies weiter beschränkt würde, fast nutzlos werden würde. Anders als Frankreich, wo auch die Durchsetzung politischer Forderungen durch Streik umsetzbar ist, ermöglicht unser Streikrecht nur die Durchsetzung tarifvertraglicher Fragestellungen. Dazu kommen lange Friedenszeiten.

    Danke für die Klarstellung. Zwar dürfen laut Gesetz außer den Beamten alle Arbeitnehmer streiken, zu großen Teilen sind es dann aber gewerkschaftlich organisierte AN. In Deutschland sind gerade mal 16,3 Prozent gewerkschaftlich organisiert, Tendenz abnehmend.

  • Ob man jedoch vor einer ernsthaften Verhandlung auch streiken sollte, ist eine andere Frage. Das ein Streik in Länge und Intensität möglich sein muss, ist vermuitlich unstrittig. Aber einzelne Forderungen als "non-plus-ultra-unverhandelbar" zu definieren ist aus meiner Sicht kein Grund zu streiken. Und nur weil man es darf, muss man es nicht.

  • Wo und wie willst Du eine Grenzlinie definieren? Dauer wäre wohl am einfachsten, das muss dann aber für alle Branchen und Berufsgruppen gelten, vom FDL über Ärzte, Kindergärten, Einzelhandel usw. bis zum Stahlwerker oder Bauarbeiter.

  • Wo und wie willst Du eine Grenzlinie definieren?

    Das ist nur über einen gesellschaftlichen Konsens herstellbar. Es wäre denkbar, dazu auf die bereits vorhandene Definition (respektive Einstufung) "Kritische Infrastruktur" zurückzugreifen oder auch auf einen Punkt "Monopolstellung" (bzw. welche Anteile im Marktsegment bestreikt werden) oder "Artikelbevorratung". Denn es ergibt sich doch ein kleiner Unterschied, ob nur der Rewe in Louisa bestreikt wird oder sämtliche Supermärkte in ganz Deutschland. Und danach wäre dann zu entscheiden, wie ein Streik umgesetzt werden kann.


    Aus meiner Sicht gehen sicher viele Endkunden mit den Forderungen der Tf nach besserer Bezahlung/Arbeitszeit mit. Was aber viele nicht gutheißen ist der kurze Vorlauf solcher Streiks und die Nichtverläßlichkeit des Rumpfbetriebs. Hier könnte man vermutlich deutlich mehr Sympathien bei den Endkunden erreichen, wenn Streiks eben nicht nur zwei Tage vorher, sondern wenigstens mal eine Woche zuvor angekündigt werden. Dito, wenn bekannt ist, welches Restangebot es gibt. Da es darum geht, den Arbeitgeber und nicht den Endkunden zu bestreiken, wären die von mir bereits genannten (und anderswo praktizierten) "Garantiezüge" sinnvoll. Momentan ist bei einem Streik unklar, ob dann die S-Bahn um 8.37 Uhr fährt oder nicht - und selbst wenn sie heute fährt, ist nicht bekannt, ob morgen jemand da ist. Daher wäre so eine Konsensvereinbarung "Ihr seid kritische Infrastruktur und habt da eine Monopolstellung. Damit ist ein definiertes und vorher bekanntes Mindestangebot von 10% (oder was auch immer) sicherzustellen."


    Wie schon mal von mir bemerkt, wer Rechte hat, hat auch Pflichten. Und je höher die Monopolstellung, umso verantwortungsvoller ist meines Erachtens mit diesen Rechten umzugehen. Im Gegensatz zu einem bestreikten Metallbaubetrieb kann ich im ÖP(N)V halt nicht (oder nur auf wenigen parallel betriebenen Linien) zu einem anderen Verkäufer gehen und dort baugleiche Teile erwerben oder mir "fünfmal Frankfurt-Darmstadt" auf Lager legen.